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Der Castor…

| Wolfgang Hauptfleisch

Sicher, es gab in den letzten Wochen Themen, die den Castor aus den Schlagzeilen verdrängten: Vom Afghanistan-Krieg bis zur „Vertrauensfrage“. Es lag nicht dieses Knistern in der Luft wie im Vorfeld des Castor-Transports im letzten März, und so kamen schon deutlich weniger DemonstrantInnen als erwartet zur Auftaktkundgebung am 10.11. nach Lüneburg, knapp 5000 sollen es gewesen sein. Und als der Transport sich am Sonntagabend, den 11.11. in La Hague auf den Weg machte, diesmal schon in Frankreich unter massiver Polizeipräsenz, schien es noch niemand so richtig glauben zu wollen, dass zum zweitem Mal in diesem Jahr ein Castor nach Gorleben fährt.

.. „erreicht ohne größere Zwischenfälle“ …

„Ohne größere Zwischenfälle“ hieß es in den meisten Agenturmeldungen. Tatsächlich kam es zu keiner spektakulären Betonblock-Aktion, die den Transport für 17 Stunden wie im März zum stehen brachte (vgl. GWR 258/GWR 259). Dafür stand der Transport diesmal bereits kurz vor Lüneburg, weil 2 Menschen an die Gleise gekettet waren. Von da ging es dann im Schritttempo über die Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg. Immer wieder kam es zu kleineren Aktionen, Sitzblockaden von 50 bis 200 Menschen und Ankettaktionen. „Ohne größere Zwischenfälle“: Dazu gehören offensichtlich nach Ansicht der Polizei 19.000 PolizistInnen und BundesgrenzschützerInnen allein ab Lüneburg, bundesweit wohl wieder 30.000. Über 700 Ingewahrsamnahmen und 54 Festnahmen. Nicht mehr zu zählende Platzverweise, mal für die betreffende Kreuzung, mal für den ganzen Landkreis, und kaum ein Satz drückt die neue Linie der Polizei besser aus als das, was ein Bundesgrenzschützer zu einer Anwohnerin hundert Meter von ihrem Wohnhaus entfernt sagte: „Ich weiß ich darf das nicht, aber ich erteile Ihnen jetzt einen Platzverweis.“ In Dannenberg weigerte sich die Polizei schlichtweg, der gerichtlichen Verfügung zum Verlassen einer Wiese nachzukommen. Die Einsatzleitung erklärte diese lapidar nachträglich für beschlagnahmt

und der Bauer bekam vom „Konfliktmanagement“ einen Blumenstrauß. Wen kümmern Gesetze, die Polizei führt die Maßnahmen durch, beschweren können sich die Betroffenen ja hinterher. Und es beschlich viele das Gefühl, dass hier erprobt wird, was dank der „Terrorpakete I-II“ in der Zukunft die Normalität werden wird.

Das letzte Stück auf der Strasse nahm der Castor im Eiltempo, nachdem die Polizei in der Nacht die letzte Sitzblockade auf der Strasse geräumt hatte. Und geräumt wurde diesmal – jedenfalls dort wo die Presse nicht hinschaute – auch mal mit Pfefferspray und beißenden Hunden, Tempo war das einzige was zählte. Der Castor kommt durch, aber immer noch und wohl auch in Zukunft nur dann, wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt und Sonderrechte geschaffen werden.

… Gorleben.

Der Widerstand vor Ort scheint allerdings ungebrochen: Die Aktion Schneckenplage, die wochenlangen Nadelstiche gegen die mit Besatzermentalität auftretende Polizei zeigt Wirkung und die Botschaft, dass die Polizei nicht willkommen ist, dürfte diese verstanden haben. Mit der Aktion „Wir lassen unsere Gäste nicht im Regen stehen“ wurden nicht nur Unterbringungen geschaffen, sondern auch der Kontakt zwischen AnwohnerInnen und „Zugereisten“ mehr als beim letzten mal intensiviert. Das wird, beim nächsten Mal, seine Wirkung zeigen.

Alles in allem hatte auch die Wi(e)derSetzen-Aktion einen regen Zulauf, zur größten Blockade mit fast 1000 Menschen kam es auf den Gleisen bei Hitzacker. Dass dies nicht so wahr genommen wurde lag wohl vor allem daran, dass der Castor diesmal nicht direkt vor der Blockade stand. So funktioniert nun mal die Medienlogik, nur die spektakulären Bilder setzten sich durch.

Im nächsten Jahr soll es nur einen Transport – dann aber mit doppelt so vielen Behältern – nach Gorleben geben. Die Polizei dürfte bei allem „keine Probleme“-Gerede wissen, dass sie nicht weniger Aufwand betreiben muss, um den Transport durchzubringen. Vorher werden wieder Transporte aus deutschen AKWs nach La Hague rollen. Aber auch hier geraten die Betreiber in Verzug, weil seit dem Sommer auch bei diesen von Normalität keine Rede mehr sein. Der zweite Gorleben Transport 2001 hat vor allem gezeigt, dass der Widerstand lebt.

Anmerkungen

Ausführliche Berichte vom Transport finden sich im Internet unter:

de.indymedia.org
www.bi-luechow-dannenberg.de