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Der Ekel kommt hoch!

Schröder am Grabe Gandhis

| Fang

"In der ganzen Naturgeschichte kenne ich kein ekelhafteres Lebewesen als die sozialdemokratische Partei!" (Gustav Landauer, 1.3.1919)

"War nicht Noske Geist von euerm Geist?" (Helmut Socke, 30.7.1932, Antikriegsnr. des "Syndikalist")

Am 29.10.2001 stand Staatsgast Gerhard Schröder bei seinem Indien-Besuch in Neu-Delhi am Rajghat, der Stätte, an welcher der gewaltlose Revolutionär Mahatma Gandhi nach seiner Ermordung durch einen Hindu-Fundamentalisten verbrannt wurde. Einen Tag vorher hatte Schröder in Pakistan neben dem Abschaffer der pakistanischen Demokratie und Putschistengeneral Musharraf die Fortsetzung der Bombardierung Afghanistans, explizit unbegrenzt und ohne Unterbrechung auch im islamischen Fastenmonat gefordert. Nach seiner Rückkehr von der Asienreise entschied er als erstes, 3900 deutsche Soldaten für den Krieg gegen Afghanistan bereitzustellen – den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten außerhalb Europas – von der Farce in Somalia einmal abgesehen, als deutsche Soldaten Logistik für indische UN-Truppen bereitstellen mußten, die ganz zurecht dann lieber doch gleich zuhause blieben.

Am Grabe Gandhis betonte Schröder nach Agenturmeldungen, er habe schon immer Gandhis gewaltlosen Kampf um die indische Unabhängigkeit bewundert. In den Fernsehnachrichten am selben Abend wurde Gandhis Gewaltlosigkeit geflissentlich übergangen, er wurde als „Vater der Nation“ und „Vorkämpfer der Menschenrechte“ erwähnt, bevor dann wieder die Notwendigkeit des Krieges gegen Afghanistan betont wurde.

Es kann hier viel gegen die problematische Erhebung Gandhis zu Indiens Nationalhelden eingewandt werden, auch gegen den Usus, daß jeder staatsministerielle Depp, der Indien einen Besuch abstattet, vom Papst bis zu Schröder, der Verbrennungsstätte einen fast schon obligatorischen Besuch abstatten und scheinheilig Bewunderung heucheln will. Auch kann hier viel über die absurde Tatsache spekuliert werden, daß die Gastgeberregierung von Premier Vajpayee den Mörder Gandhis, Nathuram Godse, als ebenfalls vaterlandstreuen Nationalisten rehabilitiert hat und von daher zu der grenzenlosen Scheinheiligkeit dieser Kondolenzrituale gehörig beiträgt. Für Detailverliebte könnte hier über die eigenen Widersprüche Gandhis einiges gesagt werden, denen er sich jedoch nicht zuletzt in seinem Briefwechsel mit dem holländischen Anarchisten Bart de Ligt gestellt und die er später korrigiert hat. Trotzdem wären all diese Erörterungen eine Bagatelle im Vergleich zu dem, was hier vor sich ging. Denn es ist davon auszugehen, was die Welt über Gandhi zurecht verinnerlicht hat, und was sich auch durch allerlei Staatssymbolik nicht beiseite wischen läßt: daß Gandhi zuallererst als Symbol für Gewaltlosigkeit und Kriegsgegnerschaft und diesbezüglich vor der Geschichte nicht schlecht dasteht.

Und jetzt kommt so ein Schröder wie ein Elefant im Porzellanladen daher und findet nichts dabei, so eben zwischen Bombenhagel und deutschem Militärimperialismus dort einen Kranz niederzulegen. Zu dieser Frechheit fällt einem nichts mehr ein, oder vielleicht, um mit der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy in ihrem letzten Spiegel-Essay zu reden, als sie auf das Kriegsgeheul eines anderen Sozialdemokraten, Tony Blairs nämlich, antwortete: „Jetzt wissen wir Bescheid. Schweine sind Pferde. Mädchen sind Jungen. Krieg ist Frieden.“

Von einer rechten oder konservativen Regierung wäre keine andere Politik zu erwarten, ein Kohl, eine Merkel oder ein Stoiber wären selbstredend so kriegerisch wie Schröder jetzt, wenn sie an der Macht wären – aber, und das ist der Unterschied, ich bezweifle, daß sie so dreist und vor allem so klebrig heuchlerisch wären. Sie hätten vielleicht sogar das Protokoll eines Staatsbesuchs in Indien in diesen „harten Zeiten“ so angeordnet, daß sie einem Besuch des Rajghats diskret aus dem Wege gegangen wären. Oder bin ich da zu optimistisch? Als Libertärer verehre ich die Konservativen jedenfalls ob ihrer Ehrlichkeit, ob ihrer klaren Haltung als Gegner, der sich nicht mit den im Grunde zu bekämpfenden Traditionen gemein macht, der sie nicht auf Teufel komm raus integrieren will, wo es einfach nichts mehr zu integrieren gibt.

Dagegen verabscheue ich alle Sozialdemokraten auf der Welt gerade deshalb, weil sie so widerlich heucheln, weil sie wie weiland Noske noch von Sozialismus daherschwafeln, während sie das reaktionäre Militär auf ArbeiterInnen hetzen; weil sie einem gewaltlosen Revolutionär bewundernd kondolieren, während sie das reaktionäre Militär auf eine hungernde afghanische Bevölkerung hetzen. Es wird einem schlecht, wenn man/frau Schröder dieser Tage sieht. Schröder ist ein lebendiger Beweis dafür, daß Juso-Karrieren in Heuchelei, Imperialismus, Mord und Totschlag enden können. Wehret den Anfängen!