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Vom Fischerchor zum Fischerkorps

Soziale Bewegung gegen Krieg, Parteien und Herrschaft!

| Bernd Drücke

Während des Jugoslawienkriegs 1999 war ich erfreut und überrascht, meine Schwester auf einer Anti-Kriegs-Demo in Dortmund zu treffen. Sie erinnerte mich an eine Diskussion, die wir während des 2. Golfkriegs geführt hatten und betonte, dass ich leider recht behalten hätte. Damals sagte ich, dass es falsch sei auf Parteien zu hoffen; dass sich auch die Grünen, wenn sie erst auf der Regierungsbank säßen, zur Kriegspartei wandeln würden. Meine Schwester, eine Grünwählerin, war empört.

Anarchistische Thesen bewahrheiten sich allzu oft, auch wenn sie sich für Nicht-AnarchistInnen übertrieben anhören. Doch was nützt es, wenn wir Libertären mit vielen Befürchtungen recht behalten?

„parteien sind zum schlafen da und zum schrecklichen erwachen“

So beschrieb 1968 die libertäre Berliner Zeitung agit 883 einen Sachverhalt, an dessen Richtigkeit sich bis heute nichts geändert hat. Die Grünen haben 1998 u.a. mit der programmatischen Erklärung „deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik“ pazifistisch und antimilitaristisch denkende Menschen an die Wahlurnen geholt. Aber grüne Friedenspolitik ist Kriegspolitik. Das war 1999 so, als sie den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien (mit-) führten. Das ist jetzt so, wenn sie wie am 25.11.2001 mit rund 80% ihrer Parteitags-Delegierten eine militärische Beteiligung der Bundeswehr am Rachefeldzug des Todesstrafenkönigs George W. Bush zustimmen. Damit die grünen Parteisoldaten ihre Pöstchen behalten können, ist der zum Fischerkorps mutierte Fischerchor bereit über Leichen zu gehen. Und es werden nicht nur afghanische Leichen sein. Denn Bush hat erklärt es werde ein „langer Krieg gegen den Terror“. Das nächste Opfer zur Ankurbelung der Kriegswirtschaft wird voraussichtlich der Irak sein, vielleicht auch Somalia, der Sudan oder irgendein anderer „Schurkenstaat“. Hauptsache die Rüstungsindustrie und die Ölmultis, die George W. Bush schließlich an die Macht gebracht haben, verdienen sich eine goldene Nase und er kann als „Starker Mann“ innenpolitisch punkten. Bei diesem Krieg geht es nicht zuletzt um eine hegemoniale Neuaufteilung der ölreichen Region. In der ehemaligen Sowjetrepublik Usbekistan sind bereits US-Soldaten stationiert, in weiteren Ländern sollen demnächst US- und andere NATO-SoldatInnen stationiert werden. Und wenn die erst mal da sind, dann bleiben sie und sichern den Einfluss des Westens. Das zeigt das Beispiel des ölreichsten Landes der Welt: In Saudi-Arabien sind seit 1990 US-Truppen, die eigentlich nach dem Golfkrieg wieder abziehen sollten, stationiert.

Nicht nur aus Bündnistreue zum großen Bruder USA, sondern auch, weil Deutschland ein Stück vom Kuchen abhaben möchte, sind deutsche „Krisenreaktionskräfte“ diesmal mit dabei.

Aber zurück zu den Parteien. Warum regt sich kaum Widerstand gegen die Remilitarisierung und Kriegspolitik? Weil die Menschen den Parteien immer noch glauben? Weil sie 1998 ihr Kreuzchen gemacht haben und sich den erwählten Volksvertretern irgendwie verpflichtet fühlen? Weil sie die ständig wiederholten Fernsehbilder der Terroranschläge vom 11. September vor Augen haben, aber – dank perfekter Kriegsberichterstattung – die Opfer der neuen Kriege nicht zu Gesicht bekommen? Weil sie sich deshalb nicht betroffen fühlen, wenn Menschen massenhaft getötet werden? Aus Parteiräson? Aus Staatsräson? Aus Resignation? „Weil wir ja doch nix tun können“?

Oh doch, wir können und wir müssen etwas tun, wenn unsere Kinder nicht in einer lebensfeindlichen Welt aufwachsen sollen, in der Krieg, Terror und die „Auge um Auge“-Ideologie Alltag sind.

Auch der Vietnamkrieg war „ein langer Krieg“. Er ging für die US-Regierung vor allem an der „Heimatfront“ verloren. Einer anfangs kleinen außerparlamentarischen Friedensbewegung in den westlichen Ländern gelang es die Stimmung in der Bevölkerung zu beeinflussen hin zu einer Anti-Kriegs-Mehrheit. Dies steht nun wieder an. Und wir werden einen langen Atem brauchen um den Menschen klar zu machen, dass Krieg Terror ist; dass Krieg keine Lösung sondern die Saat für weiteren Terror ist; dass die unschuldigen Opfer der US-amerikanischen Streubomben in Afghanistan (und demnächst da oder dort) ebenso Menschen sind, wie die unschuldigen Opfer der Terrorangriffe am 11. September in Washington und New York.

Das Recht auf Leben muss für alle Menschen gelten. Dies muss von uns, einer sozialen Bewegung von unten, durch den „Druck der Strasse“ durchgesetzt werden. Lasst uns Sand streuen in den Motor der Kriegsmaschine.