antimilitarismus

Der Krieg in Afghanistan aus Sicht eines Kommunarden

| Uwe Kurzbein

Die Ereignisse entwickeln sich so rasant, daß es für mich schwierig ist, einigermaßen aktuell zu bleiben. Mit diesem Artikel bin ich vor knapp 3 Wochen angefangen. Jetzt ist er bereits in Teilen überholt, ja fast hinfällig geworden. Bis vor drei Wochen haben die sogenannten Gutmenschen, zu denen ich ja auch gehöre, noch vehement mit pazifistischer Sturheit gegen den Krieg gewettert. Heute gibt es davon nur noch wenige. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich die „Gutmenschen“ zum Unwort des Jahres küren. Es ist erschreckend, mit welcher Leichtigkeit , ja Lässigkeit sich die öffentliche Meinung, (von der habe ich auch nichts anderes erwartet), und die private Meinung in Sachen Krieg gleichgeschaltet haben.

Als der amerikanische Außenminister in Chicago vor etwa 14 Tagen eine Liste der „Schurkenstaaten“ bekannt gab, die als nächstes dran kämen, hat vor allem die deutsche Regierung sich bemüht zu betonen, daß die Terrorkoalition in dem Falle auseinanderbrechen würde, wenn die USA sich über ein anderes Land hermachen würden. Die USA scheren sich kaum darum. In den letzten Tagen kam bereits von den USA an den Irak die Aufforderung, die Kontrollen hinsichtlich der Bio-Waffenproduktion wieder aufnehmen zu können, mit der unverhohlenen Drohung des Krieges.

Als Bush anfangs in Wild West Manier vor die Welt sinngemäß mit den Worten trat: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, oder wir bereiten uns auf einen langen Feldzug gegen den Terror vor, die Welt ist nicht mehr so wie früher, das war ein Angriff auf die gesamte freiheitliche westliche Welt, da haben viele ob des rüden Tones abgewunken und gemeint, daß das amerikanische Volk das hören will, damit es geschlossen hinter seinem Führer stehen kann, aber im Grunde genommen würden die amerikanischen Aktionen verhalten und überdacht erfolgen. Als Indiz für diese Bedachtheit wurde mir erzählt, daß Bush immerhin fast 3 Wochen auf diplomatischem Boden gewirkt hätte bevor die Bombardements losgingen, um den Osama bin Laden zu erwischen. Wobei ich meine, daß er 3 Wochen gebraucht hat, um seinen Kriegskrempel nach Afghanistan zu transportieren.

Für mich verstärkt sich der Eindruck, daß Bush nach dem vermeintlichen Sieg über die Taliban erst recht seinen schon geäußerten Größenwahn herausbringt und dabei ist, die ganze Welt mit Krieg zu überziehen. Da werde ich als Pazifist kaum etwas zu lachen haben. Und als Anarchist schon gar nicht.

Dieser Gedanke macht mir regelrecht Angst.

Indes: ich sitze bequem in meiner Kommune und gehe brav jeden Montag zu unserer Montagsdemonstration in Schwerin. Das ist angesichts der sehr verhaltenen Reaktionen im linken Lager scheinbar schon viel. Es ist nach den Parteitagen der Sozialisten und der Grünen ja unmißverständlich klar geworden: In den beiden Parteien muß auch ein Platz für Kriegsgegnerinnen

vorhanden sein. Diesen Satz, von beiden Parteien formuliert, muß man sich im Munde genüßlich zergehen lassen: „Es muß ein Platz für Kriegsgegnerinnen vorhanden sein“ Diesen Satz in einer ehemals pazifistischen Partei und in einer Partei mit einer doch immerhin pazifistischen Tradition, zu hören, ist das Ungeheuerlichste, was ich in den letzten Wochen an Unverschämtheiten gehört habe.

Der Krieg ist gewonnen. Die Taliban zerschlagen. Bin Laden noch nicht erwischt. Die Menschen lachen wieder. Die Frauen können die Schleier wegwerfen. Das Land bekommt eine solide Übergangsregierung. Die wirtschaftliche Hilfe kann beginnen. UN-Truppen im Land sorgen für Ordnung. Die USA können bald mit dem Bau ihrer Pipelines anfangen.

Da wird mir doch gesagt, daß dieses der beste Beweis dafür sei, daß der Krieg Frieden und Freiheit bringen kann. Und Biermann, seines Zeichen Bänkelsänger setzt einen drauf: „ich könnte jetzt hier kein Interview geben, wenn die Amerikaner uns nicht 45 vom Faschismus befreit hätten.“ (Interview im NDR anläßlich seines 70. Geburtstages in den letzten Tagen) Wow! Das saß! Nicht nur er, nein viele haben dieses Argument bereits aus der Tasche gezogen. Und deswegen dürfen die USA-Hardliner immer wieder Kriege anzetteln und die Völker befreien. Ich muß gestehen, daß ich diese Seite der Medaille noch gar nicht betrachtet habe.

Ein anderes Argument, welches mir entgegengehalten wurde, lautete: Was machst Du denn, wenn die Terroristen zum Olgashof kämen!

Ich muß schon sagen, daß mir solche Argumente die Schuhe ausziehen.

Mittlerweile brauche ich viel Mut, um mich als Kriegsgegner zu outen.

Ich hatte die Montagsdemos, die im übrigen von uns und der Gemeinschaft Medewege initiiert wurden, in Schwerin schon erwähnt. Nach der nunmehr 14. Demo in Folge ist uns VeranstalterInnen auch klar geworden, daß der Protest, dagegen zu sein, so löblich das auch sein mag, letztlich nicht mehr greift.

Ich könnte auch sagen: Der Saft ist raus.

„Es gibt keine Alternative zum Krieg“. Weil das von den Kriegern so empfunden wird, finden sie massenweise Argumente, die das bestätigen.

Und auch ich muß gestehen, daß es mir schwer fällt, mich auf eine Seite zu stellen, denn das, was die Taliban an menschenverachtenden Praktiken angestellt haben, schreit zum Himmel. Deswegen kann die Frage Krieg oder Nichtkrieg nur hinsichtlich der Moral, der menschlichen Weisheit, oder schlicht nach den allgemeinen Menschenrechten betrachtet werden. Alles andere wäre ein Rückfall ins christliche Mittelalter.

Allerdings, daß es keine Alternative geben sollte, ist schier gelogen, fallen mir doch sofort mehrere ein. Alternativen gibt es immer. Deswegen ist es auch sinnvoller zu fragen, ob es eine Alternative gibt, um die politischen und wirtschaftlichen Ziele leichter zu erreichen. Und wenn ich über die wirtschaftlichen Gesichtspunkte nachdenke, die hinter den meisten, wenn nicht hinter allen Kriegen stehen, dann muß ich sagen, daß Krieg durchaus eine effektive Art ist, um sich die Taschen mit Dollars so voll zu stopfen, daß sie aus den Ohren wieder herauskommen. Sämtliche Rüstungsgeschäfte fallen in diese Rubrik.

Wenn wir aber Alternativen akzeptieren könnten, machen wir ein breites Tor auf für andere Lösungen. Die Frage nach Alternativen, oder auch die Frage, was können wir dazu, oder wodurch haben wir diese Situation mitgeschaffen und mitgetragen, ist eine typische Frage, die in Kommunen häufig anzutreffen ist. Angesichts der vielen Bemühungen, hierarchiefreie Strukturen zu entwickeln, könnten wir uns ja eigentlich getrost zurücklehnen. Nichts da!

Die Agitation der Tat steht uns in den Kommunen gut zu Gesicht und auf diesem Gebiet kennen wir uns auch gut aus. Ich kann mich an den Anfang meiner Kommunezeit vor 21 Jahren gut erinnern. Ich bin damals mit in die Kommune gezogen, um endlich das, was ich im Kopf als Utopie formuliert hatte, in der Praxis so weit wie möglich auch zu realisieren. Daraus hat sich die Erkenntnis entwickelt, daß alles nur Sinn macht, wenn irgendwelche Leute praktisch das machen, wovon sie träumen. Die Politik wird also bodenständig und direkt erlebbar. Deshalb steht uns die Frage gut zu Gesicht, was wir denn eigentlich dazugetan haben, zu dieser Lage, auch wenn es überdreht klingt, zu dieser Weltlage.

Und: es darf auch gefragt werden, ob das, was wir in den Kommunen leben, tatsächlich irgendeiner politischen Utopie nahe kommt oder ob wir uns allesamt in einer Form postalternativem bodenständigen Bürgertums eins kräftig in die Tasche lügen.