NEW DELHI, Indien: Arundhati Roy, preisgekrönte indische Autorin (vgl. GWR 266), wurde am 8. März 2002 vom Supreme Court Indiens wegen Missachtung des Gerichts zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie behauptet hatte, es würde versuchen „kritische Stimmen zu unterdrücken“, die wegen seiner Zustimmung zu einem Wasserkraftprojekt laut geworden waren.
Im Hinblick auf die über 250 UnterstützerInnen vor dem Gerichtsgebäude mit Bannern, auf denen stand: „Freie Meinungsäußerung ist keine Missachtung“, wurde Roy zu einem Tag im Gefängnis und einer Geldstrafe von 42 US-Dollar verurteilt. Falls sie nicht bezahlt, wird sie nach der Entscheidung des Gerichts für 3 Monate inhaftiert. Als sie in das Gefängnis von Bihar, das größte Gefängnis Indiens, gebracht wurde, sagte sie, fest hinter ihrer Kritik des Gerichtshofes stehend – sie würde sich am Donnerstag entscheiden – ob sie die Geldstrafe bezahlen würde: „Ich bin darauf vorbereitet die Konsequenzen zu tragen. Die Nachricht ist klar: Wer den Gerichtshof kritisiert, tut dies auf seine eigene Gefahr hin.“
Roy gewann 1997 den bekannten Booker Prize für ihren Roman Der Gott der kleinen Dinge. Sie hat Artikel veröffentlicht, die Indiens Atomkraftprogramm kritisieren und ist prominente Kritikerin des Narmada Damms, des größten Wasserkraftprojekts des Staates. Im Oktober 2000 protestierte sie in einer Gruppe vor dem Supreme Court, der kurz zuvor dem Bau des Damms in Zentralindien zugestimmt hatte. Gegnerische Anwälte klagten sie deshalb wegen Missachtung des Gerichts an. Als das Gericht begann die Sache aufzunehmen, reichte sie eine eidesstattliche Erklärung ein, in der sie vorschlug, sie von der Pflicht zu befreien, vor den Ausschuß zu treten. Sie sagte, dass es „einen störenden Eindruck hervorruft, dass auf Seiten des Gerichts eine Neigung besteht Kritik zu unterdrücken und Dissenz einen Maulkorb aufzusetzen“.
Obwohl die Anklage wegen Missachtung des Gerichts im ursprünglichen Fall fallengelassen wurde, klagte sie der Gerichtshof dennoch wegen Missachtung aufgrund der Bemerkungen in der eidesstattlichen Erklärung an, die sie abgegeben hatte, und verurteilte sie am Mittwoch, dem 6. März. Ein Gericht, dass durch zwei Richter vertreten wurde, sagte, dass sie schuldig sei „es [das Gericht] zu skandalisieren und seine Würde durch ihre Bemerkungen herabzusetzen“. Es begründete weiterhin, dass Meinungsfreiheit niemanden dazu berechtige, dies zu tun. Roy musste mit sechs Monaten Gefängnis wegen Missachtung rechnen. Das Gericht sagte, dass die geringe Strafe von nur einem Tag „eine großzügige Auslegung des Gesetzes zeigt, die darauf beruht, dass man sich bewusst ist, dass die Angeklagte eine Frau ist“. Die Polizei inhaftierte am Mittwoch 200 vor dem Gerichtsgebäude Protestierende, mit dem Versprechen sie später wieder freizulassen. Viele von ihnen sind BewohnerInnen des Narmada Valleys, deren Häuser überflutet werden könnten, wenn der Damm gebaut werden sollte.GegnerInnen des Projekts sagen, dass es Kleinbauern berühren wird und dass zehntausende BewohnerInnen ihre Heimat verlieren werden. Roy spendete ihren Gewinn des Booker Prize (30.000 $) an die Kampagne gegen den Damm. Roys Anwalt, Prashant Bhushan sagte, dass sie die Verurteilung anfechten wird, weil sie „eine Behinderung der Freiheit des Bürgers in der Diskussion um Themen von enormer öffentlicher Bedeutung“ ist.