Seit Erscheinen von Alfred Schoberts „Linke Bellizisten“-Artikel in der graswurzelrevolution Nr. 266 (Februar, S. 1,10 f.), der ausführlich die seit dem 11. September in der Wochenzeitung Jungle World betriebene Kriegstreiberei analysierte, warten wir vergeblich auf eine sachliche Auseinandersetzung der Jungle-World-Redaktion mit der Kritik ihres Ex-Autors.
Am 27. Februar 2002 schreibt Markus Bickel recht harmlos – und ohne auf Schoberts Kritik inhaltlich einzugehen:
„Überzeugender argumentierende Autoren verbreiten ihre Vorwürfe inzwischen lieber gleich in der antimilitaristischen Anarchopresse, obwohl sie selbst jahrelang nicht zimperlich waren, wenn es um das Dissen des verstecktesten Antisemitismus ging. Allerdings hat Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Diss) im diskursiv entscheidenden Punkt Recht. ‘Die Ankündigung, die Diskussion werde fortgesetzt, wirkte eher als Drohung denn als Versprechen’, kritisiert er die politische Kommunikationskultur nicht zuletzt dieser Zeitung. (graswurzelrevolution, 2/02)
Gerade deshalb muss die Diskussion auf andere Weise fortgesetzt werden, und darum ist dieser Text auch nicht als Plädoyer gegen politisch notwendige Trennungen misszuverstehen. Im Gegenteil.“ (Jungle World 10/02).
Mit Dreck Richtung Arundhati Roy und nebenbei auch Richtung graswurzelrevolution wirft Stefan Ripplinger. In seiner Schmähkritik an der indischen Antimilitaristin Roy phantasiert er eine „unheimliche Koalition“ aus Globalisierungsgegnern, Graswurzel-Anarchisten, PDS-Kabarettisten, Stoiber-Anhängern bis zu Neuen Rechten. Im Original:
„An diesem Tag veröffentlichte die FAZ (…) ihr (Arundhati Roys) antiamerikanisches Pamphlet ‚The Algebra of Infinite Justice‘ (…). Auf einmal lasen sie auch Leute, die andernfalls nicht nur die Lektüre von DeLillos, sondern auch von Roys Büchern auf den St. Nimmerleinstag verschoben hätten. In Deutschland entstand wie so oft eine jener unheimlichen Koalitionen, die von Globalisierungsgegnern und Graswurzel-Anarchisten über PDS-Kabarettisten und Stoiber-Anhänger bis zu Neuen Rechten reichen und einen daran zweifeln lassen, es lohnte, Unterschiede zu machen.“ (Jungle World 13/02, 20. März 2002)
Die Jungle World war bis zum 11. September 2001 für viele libertäre AntimilitaristInnen, mich eingeschlossen, ein Hoffnungsträger.
Das ist wahrscheinlich endgültig vorbei.
Der frische Wind, den dieses professionell layoutete Blatt einmal verbreitete hat sich gedreht. Jetzt dominiert der Leichengestank des (anti-)deutschen Militarismus.
Im Oktober 2001 beteiligte ich mich an der Berliner Großdemo gegen den Krieg. Die Jungle World berichtete anschließend, dort hätten „Nazis und andere Kriegsgegner“ demonstriert. Tatsächlich tauchten unter den ca. 40.000 linken DemonstrantInnen zwei Nazis auf, die versuchten ein NPD-Transparent auszubreiten, dass dann sofort von Antifas unter lauten „Nazis raus!“-Rufen entfernt wurde.
Während einer Veranstaltung zum „Krieg gegen den Terror“ im Dezember 2001 wurde ich als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion von einigen Bahamas- und Jungle World-LeserInnen aus dem Publikum gefragt, ob ich – da ich so vehement gegen die US-Kriegspolitik agitiere – ein Antiamerikaner sei. Nein, ich bin kein Antiamerikaner. Abgesehen davon, dass nicht nur die BewohnerInnen der USA, sondern Millionen Menschen Süd- und Nordamerikas Amerikaner sind; ich setze Hoffnungen auch auf Amerikaner. Nicht auf die Regierung, sondern auf die Menschen, die sich engagieren können. Den Menschen auch in den USA und Europa ist es schon einmal gelungen einen Krieg, den in Vietnam, durch außerparlamentarischen Druck, durch eine Bewegung von unten zu sabotieren.
Wir brauchen heute Bewegungszeitungen, die sich gegen Krieg und Militarismus stellen. Wir brauchen keine bellizistische Jungle World.