Im September 1980 gab es, auf der Welle der Blockaden gegen Baustellen von Atomkraftwerken in Deutschland auch einen Versuch, ein niederländisches Atomkraftwerk in Dodewaard (bei Nijmegen) mittels einen gewaltfreien Dauerblockade zum Stillstand zu bringen. Über 5000 Leute organisierten sich in Bezugsgruppen und trafen sich erst auf einem Tagescamping in der Nähe des Atomkraftwerkes. Am nächsten Tag ging es los. Weil die Polizei alle Strassen in der weiten Umgebung für Autos gesperrt hatte, mussten die TeilnehmerInnen der Blockade lange Fussmärsche zurücklegen, um von ihren Zelten bis zu den Blockaden zu kommen und auch um einige Stunden später zum nächstgelegenen Dorf zu kommen, um da etwas Essbares kaufen zu können. Einer der Gründe, dass die Blockade nach zwei Tagen abgebrochen wurde war, daß eine Infrastruktur fehlte, worauf die Blockaden sich stützen konnten. Jede Bezugsgruppe verbrachte ein grossen Teil der Zeit damit, jede für sich, Essen zu organisieren, Wärme, trockene Kleidung, usw. (es war ein sehr nasses Wochenende mit Nachttemperaturen um 5 Grad und Dauerregen).
In Mai ’81 gab es einen neuen Versuch in Almelo, und dann in September ’81 eine zweite Dauerblockade in Dodewaard. Diesmal gab es 15.000 TeilnehmerInnen, aber auch aus den Erfahrungen vom ersten Mal wurde gelernt. Eine Wiese wurde besetzt und ein grosses Zeltlager eingerichtet. Eine Bezugsgruppe mit dem Namen "Kollektief Rampenplan" aus Sittard, ganz im Süden der Niederlande, entschied sich, eine Küchenausrüstung zusammen zu leihen und täglich einige hundert Mahlzeiten bereit zu stellen. Aus einigen hundert Mahlzeiten wurden in der Praxis mehrere tausend, und obwohl die Bohnen nicht gar, und der Rest auch nicht sehr appettitlich war, wurde die Küche, trotz erneuter Kälte und heftigen Attacken der Polizei ein Stützpunkt der ganzen Aktion.
Seitdem kocht Rampenplan fast ohne Unterbrechung im In- und Ausland, für Blockaden, Aktionscamps, Konferenzen, Fahrradtouren, Fussmärsche, Demonstrationen, … für die Antiatombewegung, Friedensbewegung, Umweltbewegung…
Wofür steht euer Name?
Rampenplan ist niederländisch für Katastrophenschutzplan. Alle Namen der verschiedenen Teile von Rampenplan sind irgendwie ironisch gewählt; wir wollen damit zum Ausdruck bringen, daß wir, ohne es zu ernsthaft zu nehmen, nicht an die Massnahmen der Behörden für den Fall, daß ein Atomkraftwerk ausser Kontrolle gerät oder ein Chemiewerk explodiert glauben. Die beste Methode mit einer Katastrophe umzugehen, ist, sie im Vorherein zu verhindern, statt sie im Nachhinein wieder aufzuräumen.
Rampenplan ist sowohl ein Kollektiv, als auch eine Föderation. Es ist ein Kollektiv, weil Menschen und Aktivitäten einander gleichwertig sein sollen und alle Beschlüsse zusammen getroffen und getragen werden sollen. Es ist auch eine Föderation, weil die verschiedenen Teile von Rampenplan zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen.
Obwohl Rampenplan meistens als Name nur für die Küche benutzt wird, ist die Küche eigentlich nur ein Teil vom Kollektiv (wohl weitaus der grösste Teil). Weiter gibt es noch einen Verlag (Baal-produkties; was so etwas heisst wie "wir haben die Nase gestrichen voll"), ein Versandhaus (vor allem von importierten Büchern und Sachen wie schwarze oder schwarz-rote Sterne), eine Videoproduktionsgruppe (Organic Chaos Productions) und eine Beratungsgruppe in finanziell-organisatorischen Fragen (das Schwarze Loch). Es hat aber im Laufe der letzten 20 Jahre noch viel mehr Teile gegeben. Zwei Druckereien und ein Metallwerkstatt haben sich verselbständigt und geben jetzt etwa 10 Leuten Arbeit. Weiter hatten wir einen Buchladen, eine Bücherstandgruppe, eine Infogruppe zur Totalverweigerung, wir haben Anstecker und Fackeln produziert, und vieles mehr.
Alle Leute bei Rampenplan arbeiten freiwillig und unbezahlt. Wir wählen prinzipiell für eine Entkoppelung von Arbeit und Einkommen, eine radikale Untergrabung der Losung "wer nicht arbeitet soll auch nicht essen". Wir wollen an den Aktivitäten, für die wie arbeiten, kein Geld für uns persönlich verdienen. Viele Leute bei Rampenplan leben von Sozialhilfe, die wir als schlecht geregeltes Basiseinkommen betrachten. Andere haben Teilzeitjobs oder arbeiten nur in ihrer Freizeit bei Rampenplan. Wir wollen auf diese Weise dafür sorgen, dass das Geld in der linken Bewegung bleibt und dass neue, solidarische Strukturen aufgebaut werden können.
Die Küche kocht vegetarisch und mit Produkten aus kontrolliert biologischem Anbau. Wieso macht ihr das?
Während der Blockade in 1980 landeten viele TeilnehmerInnen am Ende in irgendeiner Imbissbude. Obwohl sie gegen Atomenergie protestieren wollten, ernährten sie sich von ungesundem Essen aus der (elektrischen) Friteuse. Wir meinen, dass das ein Widerspruch ist. Mensch kann sich nicht in einem Teil seines/ihres Lebens zur Wehr setzen, aber im nächsten Moment die Ausbeutung und Umweltverschmutzung unterstützen. Wir wollen uns gegen die gegenwärtige Produktionsweise und Konsumhaltung wehren, die zu Armut, Krankheit, Naturzerstörung und Tierquälerei führen. So wie z.B. McDonalds am Ende dieser Kette steht, so wollen wir am Ende der Kette von sozialer Gerechtigkeit, Natur- und Tierschutz und gesunder Lebensweise stehen. Wir wollen außerdem, dass auch während einer Aktion gegen Atomenergie, lokale linke Strukturen gestärkt werden.
Kocht ihr für jeden und jede?
Nein. Ob wir irgendwo kochen wollen, ist an erster Stelle davon abhängig, ob wir die Ziele der Aktion unterstützen wollen. Wir wollen für Gruppen kochen, die sich selbst in ihren Zielen und ihrer Arbeitsweise für eine mensch- und umweltfreundlichere Welt einsetzen. Das heisst zum Beispiel, dass wir nicht für nicht-politische Veranstaltungen wie Feten, aber auch nicht für politische Parteien oder esoterische Selbsterfahrungskurse kochen wollen.
Weiterhin sollte es praktisch Sinn machen, von Sittard aus anzureisen. Wir kochen nur bei mehrtägigen Veranstaltungen und nur wenn es nicht zu weit weg ist im Verhältnis zur Anzahl der ausgegebenen Mahlzeiten.
Wir versuchen eine offene Küche zu sein. Jede/r kann sehen, wie wir arbeiten, kann mal in die Küche schauen und Fragen stellen. Aber wir erwarten auch, dass die TeilnehmerInnen einer Aktion sich in der Küche beteiligen. Wir wollen kein Einweggeschirr benutzen, aber haben auch keine Spülmaschine und (meistens) keine Schnippelmaschine. Wir kommen fast immer ohne Elektrizität aus. Aber um den Abwasch von tausend Leuten zu erledigen, brauchen wir viele helfende Hände. Bei uns reicht es nicht, dass mensch nur Geld bezahlt, um ein Essen zu bekommen. Das Geld ist nicht am wichtigsten. Wir wollen, dass die TeilnehmerInnen sich mitverantwortlich fühlen für das Essen, genauso wie wir uns mitverantwortlich fühlen für das Gelingen der Aktion.
Du sagst: Geld ist nicht am wichtigsten. Aber ihr nehmt meistens wohl Geld für euer Essen?
Wir verlangen meistens 12,50 DM pro Person und Tag. Dieser Preis ist auf Dauer kostendeckend, das heisst, dass wir daraus die Kosten für das Essen zahlen können, aber auch die ganze Küchenausrüstung, die Bullis, Zelte, die Bürokosten. Ein kleiner Teil des Geldes wird verwendet, um damit die anderen Teilen von Rampenplan zu unterstützen oder über Zuschüsse an Dritte zu verschenken.
Bei grossen Aktionen, wie die Blockaden der Castortransporte, kochen wir etwas einfacher und fragen nur um eine Spende. Grundsätzlich darf das Geld aber kein Hindernis sein, um mitessen zu können. Wer kein Geld hat, zahlt halt weniger oder gar nichts. Essen ist ein Grundbedürfnis, was niemandem vorenthalten werden darf.
Während des dritten Castortransportes nach Gorleben haben wir zwei Tage und Nächte auf der Kreuzung in der Nähe des Verladekrans gekocht, und da ist es dann nur wichtig, dass Leute einfach etwas warmes zu Essen oder zu Trinken bekommen, egal ob sie zufällig Geld dabei haben oder nicht. Aber wir gehen dabei wohl ein grosses Risiko ein.
Die Volksküchen aus Gorleben und Ahaus, oder verschiedene Volksküchen aus Wagenburgen und besetzten Häusern leben fast nur von Spenden und kommen dadurch fast ohne Geld aus. Wir lehnen das nicht ab, aber wir wählen dafür, so viel wie möglich kontrolliert biologisch einzukaufen und damit auch diese Strukturen zu unterstützen. Wir wollen garantieren können, dass das Essen, das bei uns auf die Teller kommt unter allen Umstände vegetarisch und z.B. auch nicht gentechnisch verändert ist. Um dann trotzdem für mehrere tausend Leute ausreichend Essen garantieren zu können, müssen wir erst viel investieren und dann mal hoffen, dass es dann auch zurückkommt.
Es geht uns nicht darum, so viele Mahlzeiten wie möglich zu verkaufen oder ständig zu wachsen. Natürlich ist es motivierend zu sehen, wie nach mehreren Stunden Arbeit einige hunderte Leute herum sitzen und sich satt essen. Aber an erster Stelle steht die Frage, wie eine Aktion gut gelingen kann. Was unsere Arbeit betrifft, arbeiten wir dafür gerne mit allen anderen beteiligten Küchen zusammen. So haben wir auch bereits verschiedene Gruppen beim Aufbau einer eigenen regionalen Küche unterstützt. Bei grossen Aktionen, wie Castortransporten befürworten wir es, wenn die verschiedenen Küchen über eine effektive Verteilung über die verschieden Camps Absprachen machen, und dass sie sich zusammen um Sachspenden kümmern.
Wie siehst du die Zukunft von Rampenplan und der Bewegung?
Wir halten jetzt schon seit fast zwanzig Jahren durch und haben schon mehrere Wellen von Aktionen mitgemacht. Erst Antiatomaktionen, dann die Friedensbewegung, die Umweltbewegung. Dazwischen gab es manchmal Zeiten, in denen die linke Bewegung schwächer war. Auch im letzten Jahr haben wir ein Rückgang erfahren. Wir merken, dass eine ganze Reihe Konferenzen, die jährlich oder halbjährlich stattfinden, jedes Mal kleiner werden. Ich denke, dass zu oft ähnliche Konferenzen (z.B. BUKO, Jugendumweltkongress, BundesÖkoTreff der Studierenden, die Aktionen während dem Eurogipfel in Köln, verschiedene Kongressen auf Landesebene) organisiert werden, wo die gleichen Themen diskutiert werden, die gleichen Vorträge gehalten werden, die gleichen Aktionstrainings gemacht werden für das gleiche Publikum. Gerade in Deutschland wird meiner Meinung nach viel zu viel und viel zu lange herumdiskutiert, um irgendeine Erklärung heraus zu geben, die einen politischen Konsens wiederspiegeln soll, den es faktisch aber gar nicht gibt. Wir brauchen mal ein neues Konzept, neue Aktionen, neue Methoden, um die alte Themen anzupacken. Ich weiss aber auch kein Antwort, welche Methoden und Konzepten das dann sein sollen. Es könnte sein, dass die Methoden und Themen aus dem radikalsten Teil der Bewegung sich durchsetzen, so wie sie z.B in der Geld oder Leben Karawane praktiziert wurden.
Beim letzten Jugendumweltkongress gab es z.B. zum Teil heftige Diskussionen über das für oder wider von weggeworfenem Essen aus Supermarktcontainern versus biologischem Essen von Rampenplan. Wir sind davon überzeugt, dass Essen aus Supermarktcontainern keine nachhaltige Grundlage bieten kann, vor allem, weil wir dafür streiten, dass nicht so viel weggeworfen wird, oder dass es auf Dauer keine Supermärkte mehr gibt. Aber das Gegenargument, dass mensch jetzt besser die Abfälle konsumieren kann, als sie verfaulen zu lassen, kann ich auch verstehen. Und das könnte als Konsequenz haben, dass eine Küche wie Rampenplan nicht gebraucht wird. Es sei so. Dann machen wir was anderes.
Kontakt
Kollektief Rampenplan
Postfach 780
6130 AT Sittard
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Tel: 0031 46 4524801
Fax: 0031 46 4516460
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