Wer seit dreißig Jahren Bleiwüsten setzt, AbonnentInnen gewinnt und verliert und immer noch gut drauf ist, muss einen runden Geburtstag kräftig feiern. Deswegen gab es auf dem Jubiläumskongress der Graswurzelrevolution in Münster natürlich auch Konzerte mit Bands, die wie LeserInnen und MacherInnen der Zeitung sehr unterschiedlich waren. Leider konnte ich viele der zum Teil zeitgleich in der ESG, der Frauenstraße 24 und dem Versetzt stattgefundenden 45 (!) Veranstaltungen und Konzerte z.B. von Fromage Diatonique, Duo Contraviento, Brunelleschi Bong, Baxi und Klaus dem Geiger nicht besuchen.
Am ersten Kongresstag eröffnete die Kabarettgruppe Blarzer Schwock in der Frauenstraße 24 mit neuen Mitgliedern und ihrem neuen Programm „Die Muse hat mich gebissen“ die Kulturveranstaltungen des Wochenendes. Das „anarchistische Reisekabarett“ hat seine Schaffenspause ausführlich genutzt und eine furiose Schauspiel-, Sing- und Sarkasmusperformance auf die Bretter gestellt. Fröhliches Glucksen folgt kreischendem Lachen und bleibt bisweilen erschreckt über so viel Bosheit quer und bitter im Halse stecken.
Später am Abend spielte in der Baracke am Aasee Pit Budde, ehemaliger Songwriter, Gitarrist und Sänger der Folkrockband Cochise. Ende der siebziger und in den achtziger Jahren war Cochise neben Ton Steine Scherben die herausragende deutsche anarchistische Agit-Prop Band. Auf unzähligen Konzerten, Demonstrationen und in besetzten Häusern spielten sie Hits wie „Jetzt oder nie: Anarchie“ oder „Was gibt es Schöneres auf Erden, als Bundeswehrsoldat zu werden“. Neben diesen alten Klassikern, mit denen Budde bei den älteren Semestern im Publikum schon bei den ersten Akkorden seiner Gitarre begeistertes Aufheulen hervorrief, spielte er neue Stücke oder ließ die gefüllte Baracke Songs aus Afrika klatschen und singen.
Als zweite betraten an diesem Abend die Mitglieder der Folkrockband Fargow die kleine Bühne. Schnell, schwitzig, mitreißend und mit punkigen Einflüssen folkten sich die MünsteranerInnen durch ein langes Programm und brachten viele Menschen zum Tanzen.
Am Abend des zweiten Kongresstages mussten die Besucher der Baracke zwar auf Petrograd aus Luxemburg verzichten, bekamen aber trotzdem ein tolles Konzert geboten. Zuerst schmetterten sich Schone deine Erben aus Düsseldorf durch eigene Songs und unzählige Ton Steine Scherben-Hits. Anschließend spielte die libertäre Punkband Daddy Longleg aus Münster ihre gesammelten Werke rauf und runter. Wird nach den nächsten dreißig Jahren wieder der Geburtstag der Graswurzelrevolution gefeiert, gibt es vielleicht eine Band, die Daddy Longlegs Lieder als Coverversionen unter das nostalgische Volk bringt…