Heike Walk und Nele Boehme (Hrsg.): Globaler Widerstand - Internationale Netzwerke auf der Suche nach Alternativen im globalen Kapitalismus, Münster 2002, Verlag Westfälisches Dampfboot, 221 Seiten
Heike Walk und Achim Brunnengräber: Die Globalisierungswächter - NGOs und ihre transnationalen Netze im Konfliktfeld Klima, Münster 2000, Verlag Westfälisches Dampfboot, 336 Seiten
Mit Seattle und Genua ist eine Post-„Neue soziale Bewegung“ in die massenmediale Betrachtung getreten. Besonders nach den gewalttätigen Ereignissen in Genua (vgl. dazu: GWR 261, September 2001) wurde ein Automatismus sichtbar: Die mediale Aufmerksamkeit die den „Globalisierungsgegnern“ geschenkt wird, ist abhängig von der Härte der Auseinandersetzung. Das vermittelte Bild wird keineswegs der widersprüchlichen Vielfältigkeit dieser Bewegung(en) gerecht. So macht es Sinn sich in der Betrachtung von der Folie der massenmedialen Simplizität zu verabschieden.
In Folge der öffentlichen Aufmerksamkeit ist eine recht umfangreiche und tiefergehende Publikationstätigkeit, insbesondere von Sammelbänden eingetreten. Einer von diesen ist „Globaler Widerstand“, herausgegeben von Heike Walk und Nele Boehme. Der in dem Buch dann doch umstrittene Untertitel lautet: „Internationale Netzwerke auf der Suche nach Alternativen im globalen Kapitalismus“. Für Elmar Altvater (FU Berlin; „Grenzen der Globalisierung“) bedeutet dies, dass eine Alternative außerhalb des Kapitalismus nicht zur Debatte steht. Alle Aktivitäten der Globalisierungskritiker und Globalisierungskritikerinnen laufen seiner Meinung nach auf ein „reformistisches Regelwerk“ hinaus. Sie wollen „den kapitalistischen Kern der Globalisierung nicht erst knacken … bevor die Forderungen aufgebracht und in Protestdemonstrationen in die Öffentlichkeit getragen werden“.
Diese Einschätzung wird von Dieter Rucht (Bewegungsforscher aus Berlin) nicht geteilt. Er sieht die Frage, ob es um einen Widerstand im oder gegen den Kapitalismus geht, nicht geklärt. Vielmehr bezweifelt er das durch kleine Kursänderungen im neoliberalen Globalisierungsprozess den Forderungen der Kritiker und Kritikerinnen an diesem Prozess entsprochen werden kann. Des weiteren versucht Rucht öffentlich erzeugte Mythen über die globalisierungskritische Bewegung zu entschlüsseln.
Entgegengesetzte Auffassungen funktionieren auch bei der globalisierungskritischen Bewegung nicht als Spaltungslinien. Besonders in ihrer Offenheit – die häufig bemängelt wird, da mit ihr eine vielschichtige Unbestimmtheit einhergeht – liegt ihre Stärke, ebenso in dem Interesse sich nicht nur mit globalen, neoliberalen Entwicklungen auseinander zu setzen, sondern auch mit sich selbst. Dies meint der Untertitel mit der „Suche nach Alternativen“. Dem kommt auch die Funktion eines Sammelbandes nach, da es nicht darum geht zu schreiben was die Globalisierungskritiker und Globalisierungskritikerinnen sind, sondern wohin sie aufbrechen möchten und an welche Bewegungen der Vergangenheit sie anknüpfen können. Dabei klingen auch einige kritische Aspekte und Fragestellungen in der Auseinandersetzung mit der Globalisierungskritik an.
Es wird keine geschlossene Theorie präsentiert, sondern auch gegensätzliche Einschätzungen vertreten. Trotzdem bestehen die Texte nicht aus einer Diskussion unter Eingeweihten. Die Publikation bleibt offen für Leser/innen, die sich nicht sehr intensiv mit dem globalen Protest auseinandergesetzt haben. Es ist ein gut gelungenem Brückenschlag zwischen wissenschaftlichen Maßstäben und der Orientierung an allgemeiner Verständlichkeit.
Damit einhergehend werden Berührungspunkte zwischen kritischer Wissenschaft und Aktiven der globalisierungskritischen Bewegung gefunden. Der – erst kürzlich verstorbene – französische Soziologe Pierre Bourdieu (siehe Nachruf in: GWR 267, März 2002) beschreibt wie diese Kooperation aussehen kann und vertritt vehement die Auffassung, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen angesichts der drastischen gesellschaftlichen Auswirkungen neoliberaler Globalisierung nicht nur das Recht haben, sondern auch in der Pflicht stehen, sich aus ihrem „Elfenbeinturm“ zu begeben. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Durchdringung der Forschungsseinrichtungen von der neoliberalen Logik, wird dieser Aspekt zunehmend relevant.
Rädchen oder Sand im Getriebe?
Die Bedeutung und Rolle kapitalismuskritischer Kräfte bleibt in „Globaler Widerstand“ offen. Stattdessen taucht von Walk ein – nicht näher erläuterter – Zivilgesellschaftsbegriff auf. Steht er nun affirmativ im Raum, oder meint er mehr als bürgerliche Partizipation? Und wie verhält sich dieser Begriff angesichts globaler und hiesiger ungleicher Ressourcenverteilung? Ein Teil der Antworten werden von Walk zusammen mit Achim Brunnengräber in „Die Globalisierungswächter“ gegeben. Dieses Buch ist vor den öffentlich beachteten weltweiten Protesten an der neoliberalen Globalisierung erschienen.
Hier wird, neben einer ausführlichen Darstellung der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in der Auseinandersetzung um die Klimapolitik, ein Überblick über den schwammig gewordenen Zivilgesellschaftsbegriff gegeben. Sie stellen fest, dass sie nicht a priori in eine bestimmte Richtung wirkt, sondern eher als Konfliktfeld zu betrachten ist, in dem konkrete Akteure wirken. Die NGOs mit ihren ambivalenten Funktionen zwischen Legitimationsbeschaffer und Opposition verdeutlichen dies. Walk und Brunnengräber sehen in den NGOs am Beispiel der Klimapolitik ein Demokratisierungspotenzial durch die Verstärkung einer „Weltöffentlichkeit“. Doch weder, so ihr Resümee, reichen die Partizipationsmöglichkeiten aus, noch kann eine ernsthafte Kontrolle der „vermachteten internationalen Politikprozesse“ beobachtet werden.
Bei der internationalen Aushandlung der Klimapolitik wird deutlich, wie die zunehmende Komplexität in der Auseinandersetzung Fachwissen auf Seite der Protestierenden voraussetzt. Dies schränkt Emanzipationsmöglichkeiten ein, da eine Bewegung dieser Funktion nur bedingt gerecht werden kann. Die angestrebte gesellschaftliche Veränderung kann auf dieser Ebene nicht erzwungen werden, da mit der Einbeziehung Weniger selektive Schließungsprozesse einhergehen. Und hier kommt die allzu häufig verachtete Masse, ihre Kultur und die Medien mit ihr zu kommunizieren gegenüber den ungenügend demokratisch legitimierten internationalen Entscheidungsgremien wieder ins Spiel.