Magnus Engenhorst: Kriege nach Rezept, Verlag Edition AV, Frankfurt 2002, ISBN 3-936049-06-8, 135 Seiten, 8,90 €
Der Militärschlag gegen Afghanistan dauert noch an. Doch Washington sattelt bereits die Pferde für den Angriff auf den Irak. Bushs Rede als Gast im Bundestag scheint die Front gegen den Terrorismus wieder geeint zu haben und in der Tat sind die kritischen Zungen aus Berlin weitgehend verstummt. Das bedeutet allerdings nicht, dass damit auch alle Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg geräumt sind. Die USA werden – so oder so – Bagdad angreifen. Die europäischen Regierungen haben höchstens die Wahl, Zugeständnisse herauszuholen oder eben nicht.
Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Verlust des gemeinsamen Feindes im Osten begannen die transatlantischen Bande langsam zu bröckeln. Der Aufbau einer eigenen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) zeugt davon. Der Europäische Rat erklärte im Dezember 2001 erstmals, dass die gemeinsamen EU-Truppen einsatzbereit seien. Vorerst nur für Peace-Keeping-Missionen. Konflikte zwischen dem alten und dem neuen Kontinent scheinen sich derzeit auf die wirtschaftliche Ebene zu beschränken. Magnus Engenhorst zeigt dagegen in seinem Buch „Kriege nach Rezept“ auf, inwiefern bereits heute Konflikte zwischen der EU und den USA ausgefochten werden. „Die unterschiedlichen Machtinteressen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU treten immer mehr zu Tage. Diese neue Qualität im Kampf um Macht kündigte sich bereits bei den Konflikten auf dem Balkan und im Kaukasus an.“ Washington hat im Windschatten der Ereignisse nach dem 11. September Militärstützpunkte in Zentralasien aufgeschlagen. Zähneknirschend musste Moskau mit ansehen, wie US-Militärberater in Georgien ankamen, um die dortige Armee im Kampf gegen den Terrorismus zu schulen. Dabei ist das Land ein NATO-Kandidat und wurde schon lange vor dem 11. September von den USA aufgerüstet. Im Gegensatz zu manchen Verlautbarungen habe Berlin durchaus harte Interessen im Kampf um die Energieressourcen um das Kaspische Meer. Strategischer Bündnispartner dabei sei nicht etwa die USA, sondern viel mehr Moskau. Die USA versuchten derzeit Afghanistan zu stabilisieren, um endlich die Pipeline-Route durch Afghanistan zum Indischen Ozean zu realisieren. Doch der Iran allen voran funke Washington da hinein.
Der Kosovo-Krieg habe unter anderem den Zweck gehabt, eine Pipeline-Route vom Kaspischen Meer zum europäischen Markt zu sichern. Mittel zum Zweck wären dabei die UCK-Rebellen gewesen. Nachdem der Bundesnachrichtendienst (BND) versucht habe, sich anstelle der CIA an deren Spitze zu setzen, sei es zum Bruch gekommen. Der Konflikt um Mazedonien diene ebenfalls lediglich strategischen Interessen. Unterstützt von den USA und indirekt von der EU hätten die UCK-Derivate die Aufgabe gehabt, das Land zu destabilisieren, um militärische Optionen offen zu halten. Im Kosovo an der Grenze zu Mazedonien befindet sich in der Tat die größte US-Militärbasis außerhalb der USA. Gestützt werden diese Thesen durch Aussagen des CDU-Verteidigungsexperten Willy Wimmer.
Entgegen dem Gerede von „humanitären Interventionen“ und dem „Kreuzzug gegen den Terrorismus“ ständen hinter dem Wildwest-Cowboy Bush knallharte ökonomische und strategische Interessen. Bereits heute zeichneten sich dabei die zukünftigen Konfliktlinien zwischen den USA und der EU ab. Wieder wurde Krieg bis an die Grenzen Zentralasiens getragen. Die Region um das Kaspische Meer scheint das „Schlachtfeld der Zukunft“ zu werden, wie Peter Scholl-Latour meint. Welche Interessen es gibt und wie die derzeitige Situation aussieht, analysiert Engenhorst mit Schwerpunkt auf den Kaukasus und Zentralasien. Damit hat der Autor des Kölner geheimdienstkritischen Fachmagazins „GEHEIM“ eine wichtige Studie vorgelegt. Wer an einem tiefergehenden Einstieg in die Hintergründe der Kriege des 21. Jahrhunderts interessiert ist, wird durch dieses Buch kenntnisreich und verständlich informiert.