transnationales / antimilitarismus

Regierung bleibt Regierung …

... und Regierung das heißt Krieg?

| Bernd Drücke (GWR-Red.), 23.09.2002

"Der Bundestag solle beschließen: Der Deutsche Bundestag lehnt einen Krieg gegen den Irak und jegliche deutsche Beteiligung daran ab." Von CDU/FDP/SPD und GRÜNEN abgelehnter PDS-Antrag vom 20.08.2002

Die Bundestagswahl ist gelaufen. Die rot-grüne Regierung bleibt an der Macht, Flüchtlinge werden abgeschoben, der Überwachungsapparat wird ausgebaut, der Castor rollt im November (siehe Seite 19) und der Krieg gegen den Irak beginnt – so wird in der aktuellen Ausgabe des US-Nachrichtenmagazins TIME spekuliert – voraussichtlich im Februar 2003. Jetzt wird sich zeigen, ob Schröder seinen im Wahlkampf vollzogenen Schwenk von der „uneingeschränkten Solidarität“ hin zur Absage an einen Krieg gegen den Irak durchhalten wird.

Klar ist: Die Regierung George W. Bush bereitet die nächsten Kriege vor. Ganz oben auf der Liste ihrer Kriegsziele steht – noch vor dem Iran – der Irak, der zwar Mitte September 2002 seine Bereitschaft erklärt hat bedingungslos UN-Inspektoren ins Land zu lassen, aber dennoch in den nächsten Monaten mit weiteren Bombenangriffen und einer Invasion US-amerikanischer und britischer Militärs rechnen muss.

Gleichzeitig geht der Krieg in Afghanistan weiter, ohne dass das in den Medien beachtet wird.

Nicht zu übersehen ist, dass es bei diesen Kriegen nicht um Menschenrechte oder Waffeninspektionen geht.

Kein US-Gouverneur hat mehr Todesurteile unterschrieben als George W. Bush. Dass seine Regierung trotz der in den USA praktizierten Todesstrafe und der nicht unüblichen Misshandlung von Gefangenen (nicht nur der Taliban in Guantanamo) als Hüter der Menschenrechte auftritt, ist ein Treppenwitz der Geschichte.

Bei der Planung des 3. Golfkriegs spielt auch die US-Innenpolitik eine Rolle, Bushs Wunsch als „strong man“ zu erscheinen und den Krieg seines Vaters zu vollenden. Kriege dienen auch als Rechtfertigung für die Erhöhung des US-Militärhaushalts 2002 um 48 auf 379 Milliarden US-Dollar. Wie 1991 beim zweiten Golfkrieg, geht es um Öl und Hegemonie, die Ausweitung der US-Einflusssphäre auf den Irak, in dem neben Saudi-Arabien die größten Ölvorkommen der Welt vermutet werden. Die US-Öl-Multis, die zusammen mit der Rüstungsindustrie Bushs Wahlkampf finanziert hatten, wollen die Kontrolle über das irakische Öl.

Nicht nur wahltaktische, sondern auch machtpolitische Gründe haben dazu geführt, dass die deutsche Regierung im Wahlkampf einen 3. Golfkrieg als „Abenteuer“ abgelehnt hat. Die ökonomische Großmacht Deutschland ist für die „Schurkenstaaten“ Irak und Iran und ihre Nachbarn einer der wichtigsten Handelspartner (vgl. Konkret 9/02). Der deutsche Zugriff auf die Ölquellen des Mittleren Ostens ist real. Wie kaum ein anderes Land hat Deutschland von der Entwicklung seit dem 2. Golfkrieg 1991 profitiert. Der von Schröder verkündete nationalistische „deutsche Weg“ ist keine Wende hin zum Pazifismus oder Antimilitarismus. Wenn es ums Geschäft geht, dann spielt es keine Rolle, dass z.B. der NATO-Partner Türkei ein Folterstaat ist und der Irak Kriegsdienstverweigerer und KritikerInnen des Diktators Saddam Hussein hinrichten lässt. Wenn es um Machtfragen geht, haben Völker- und Menschenrechte für die deutsche Regierung keine Bedeutung. Das beweisen auch die von Rot-Grün mitgeführten völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen Jugoslawien 1999 und Afghanistan 2001/2002. Rund 10.000 Soldaten, der laut Grundgesetz ausschließlich zur Verteidigung dienenden Bundeswehr sind weltweit im „Krieg gegen den Terror“ dabei, wie Außenminister Fischer vor der Wahl stolz betonte. Die aufstrebende „Mittelmacht Deutschland“ (Fischer) will ihre herausragende Position im Mittleren Osten nicht verlieren. Ein Welthegemon USA ist nicht in ihrem Interesse.

Trotzdem ist die deutsche Regierung an den Vorbereitungen des Irak-Krieges beteiligt (vgl. GWR 271, S. 1) und es ist nicht damit zu rechnen, dass sie innerhalb der NATO ein Veto gegen den Krieg einlegen oder den USA die Nutzung der militärischen Infrastruktur untersagen wird. Ob die Bundeswehrsoldaten und ABC-Spürpanzer im Kriegsfall aus Kuwait abgezogen werden, wie von Kriegsminister Struck angekündigt, ist fraglich.

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Gegen die geplanten Kriege muss „von unten“, durch eine außerparlamentarische, antimilitaristische Bewegung Druck gemacht werden. Ein Weg sind Demos und direkte gewaltfreie Aktionen, z.B. am Fliegerhorst Büchel und am Stuttgarter EUCOM. Streuen wir Sand, nicht – wie es alle Regierungen tun – in die Augen der Menschen, sondern in den Motor der Kriegsmaschinerie.

Anmerkungen

138 Menschen wurden in Texas hingerichtet, seit der Befürworter der Todesstrafe George W. Bush im Januar 1995 Gouverneur dieses US-Bundesstaates wurde (Stand: August 2000). Seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA 1977 wurden 225 Menschen in Texas und 654 in den USA insgesamt hingerichtet. Stand 27.07.2000 (Quelle: Amnesty International UA-139/2000-4; siehe auch "Bush in Bedrängnis: Dutzende von fragwürdigen Todesurteilen" bei SPIEGEL ONLINE)

Nach Informationen des US-Nachrichtenmagazins TIME entspricht die Erhöhung des US-Rüstungshaushalts um 48 Milliarden auf 279 Milliarden US-Dollar 2002 in etwa dem gesamten Rüstungsausgaben 2002 der zweitgrößten Militärmacht Russland (50 Milliarden US-Dollar). Die sieben militärisch mächtigsten Staaten nach den USA haben zusammen einen Militäretat, der in etwa dem der USA entspricht.

Wie sehr die Bundesrepublik von der Entwicklung seit dem 2. Golfkrieg 1991 profitiert hat, kann nachgelesen werden in Konkret 9/02, Hamburg, September 2002.

Die Zitate von Joschka Fischer stammen aus den tagesthemen. Wo genau Deutschland die 10.000 Soldaten im Auslandseinsatz hat, kann auch einer im September 2002 im Spiegel veröffentlichten Grafik entnommen werden.