transnationales

Ein Lebensstil der Gleichheit und Hoffnung

Sommercamp jüdischer und arabischer Israelis

| Jonas Lähnemann

Eine Treppe betonieren, einen Zaun ziehen, Wände neu streichen, Spielgeräte abschmirgeln und neu lackieren oder Bänke aus Baumstämmen zimmern - dies kann viel Spaß machen, wenn man dabei neue, interessante Personen kennen lernt und alte Freundinnen und Freunde wieder trifft; es kann an einem israelischen Sommertag aber auch sehr anstrengend sein. Für drei Tage fanden sich mehrere hundert arabische und jüdische Israelis zusammen, um gemeinsam an der Renovierung der Schule und dem Bau eines Spielplatzes für die Kinder eines arabischen Dorfes zu arbeiten.

Das Dorf Ein Hud mit etwa 210 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt in den malerischen Carmel-Bergen, die sich südlich von Haifa entlang der Mittelmeerküste erstrecken. Ein Hud wurde 1948 von Familien gegründet, die zuvor während des israelischen Unabhängigkeitskrieges aus einem gleichnamigen Dorf, nur wenige Kilometer entfernt, vertrieben worden waren. In das alte Dorf zog 1953 eine Gruppe israelischer Künstler, die seitdem die Häuser der geflohenen Palästinenser bewohnen. Das jüdische Künstlerdorf bekam den hebräischen Namen „Ein Hod“. Für mehr als 40 Jahre wurde Ein Hud durch die israelischen Behörden nicht als legitime Siedlung anerkannt, ein Problem mit dem noch heute viele arabische Dörfer (vor allem der Beduinen im Negev) konfrontiert sind. Dadurch fehlte in der Stadt sämtliche Infrastruktur und alle Gebäude waren aufgrund nicht erhältlicher Baugenehmigungen von polizeilicher Zerstörung bedroht. Es gab weder adäquate Stromversorgung, noch Telefonverbindungen oder eine gepflasterte Straßenanbindung. Der Zugang zu medizinischen Einrichtungen und Bildungsinstitutionen war schlecht. 1992 erhielt Ein Hud die lang ersehnte offizielle Anerkennung seiner Existenz – doch es hat sich seither kaum etwas verändert, obwohl die Bewohner versuchen die Behörden von notwendigen Verbesserungen zu überzeugen. Nicht einmal eine befestigte Straße führt in den Ort. Viele Privathäuser konnten erweitert werden, doch bei der öffentlichen Infrastruktur gab es in den letzten zehn Jahren wenig Fortschritt: eine klare Benachteiligung gegenüber jüdischen Dörfern in der Umgebung.

Um etwas gegen diese Ungleichheit in der israelischen Gesellschaft zu unternehmen und der Nachlässigkeit der Behörden entgegenzutreten trafen sich Unterstützer der Friedensgruppe Ta’ayush in Ein Hud. Unter ihnen waren auch Bewohner des naheliegenden „Ein Hod“ die sich kritisch der Vergangenheit ihrer Ortschaft stellen wollen. Für drei Tage wurde miteinander in einem Camp gelebt und gearbeitet; viele kamen zeitweise um zumindest einen Tag lang mitzuhelfen. Die Teilnehmer brachten sich in die Aufgaben des Zusammenlebens, wie Kochen und Kinderbetreuung, ein; Abends gab es ein wenig Kulturprogramm und immer wieder war Zeit für Unterhaltungen und um neue Leute kennen zu lernen. Tagsüber und bis in den frühen Abend wurde angepackt wo man konnte. Das Gebäude der kleinen Grundschule mit etwa 40 Schülern war in extrem schlechtem Zustand und so wurde dieses Haus und dessen Umgebung neu gestaltet. Außerdem wurde ein Spielplatz am Rande des Dorfes geschaffen. Zwischen den vielen Baustellenamateuren befanden sich auch einige Facharbeiter, die Anleitung gaben.

Bei den vielen Helferinnen und Helfern klappte die Koordination nicht immer, doch dies ist bei einem solchen Projekt nicht das wichtigste. Am Ende hatte man einen Großteil der Arbeiten an Schule und Spielplatz geschafft; den Rest erledigte eine kleinere Gruppe in den folgenden Tagen. Das Sommercamp war nicht nur eine Hilfsaktion, sondern es hat zugleich die Möglichkeit der Koexistenz vorgeführt. „Durch Zusammenarbeit, solidarisch Schulter an Schulter, haben wir gezeigt, daß wir einen anderen Lebensstil für diese Region haben – einen Weg der Gleichheit und Hoffnung!“ resümierte ein Organisator.

Das Camp in Ein Hud, war nicht das erste seiner Art: Ta’ayush hatte bereits zweimal ähnliche Aktivitäten in noch nicht anerkannten Dörfern organisiert. Die Aktionsgruppe wurde vor zwei Jahren, nachdem die Polizei zu Beginn der Intifada 13 arabische Israelis erschossen hatte, von jüdischen und arabischen Bürgerinnen und Bürgern gegründet. Zu einer Zeit in der viele der bestehenden Friedensgruppen in Schweigen verfielen, begann man sich sowohl für ein besseres Miteinander innerhalb Israels, als auch für ein Ende der Besatzung in Westbank und Gazastreifen einzusetzen.

Von der jüdisch-arabischen Kooperation in Kombination mit dem Ansatz gewaltfreier, direkter Aktionen vor Ort, einem einmaligen Konzept, fühlen sich besonders junge Israelis angesprochen.

Hinzu kommt eine Offene Struktur, bei der sich jeder einbringen kann; die Vorbereitungen für Aktivitäten laufen über kleine Gruppen Ehrenamtlicher. Die Unterstützung konkreter Projekte zeigt sich ebenfalls bei der Arbeit in den besetzen Gebieten. Hier ist Ta’ayush vor allem durch Solidaritätskonvois zum Überbringen von Nahrungsmitteln oder medizinischen Hilfsgütern, die aus israelischen Spenden finanziert sind, hervorgetreten. Zusätzlich haben die Aktionen immer auch einen politischen Kontext als Protest gegen Elemente der Besatzungspolitik, u.a. Ausgangssperren und Blockaden, und bieten in der eskalierten Situation der Region die seltene Möglichkeit für persönlichen Kontakt und Dialog. Bei Teilnehmerzahlen von meist 400 Personen ist ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Ta’ayush und palästinensischen Aktivisten nötig. Probleme bereiten jedoch vor allem Auseinandersetzungen mit Polizei, Armee und Siedlern, die immer wieder versuchen solche Vorhaben zu verhindern. Ta’ayush ist für einige Israelis ein Weg der verzweifelten politischen Lage im Nahen Osten entgegenzutreten.

Anmerkungen

Der Autor hat anstelle eines Zivildienstes 18 Monate in Jerusalem mit Behinderten und Shoah-Überlebenden gearbeitet.

Weitere Informationen zu Ta'ayush Aktivitäten bietet die Webseite: http://taayush.tripod.com