So lange wie Jonathan Ben-Artzi war noch kein israelischer Verweigerer inhaftiert. Inzwischen das siebte Mal im Militärgefängnis, wird er bei der nächsten Freilassung Ende Februar 196 Tage hinter Gittern verbracht haben.
Im August des letzten Jahres flog ich nach einem 18monatigen "Anderen Dienst im Ausland" zurück nach Deutschland. Eine Woche vor meinem Rückflug verabschiedete ich mich von einem guten Freund, der zur Armee eingezogen wurde, doch schon seit langem seine Verweigerung aufgrund pazifistischer Überzeugung erklärt hatte. Inzwischen bin ich etwa ein halbes Jahr wieder in Deutschland. Mein Freund Jonathan hat in dieser Zeit nur sechs Wochenenden Zuhause verbracht.
Nach sechs 14- bis 35-tägigen Haftstrafen bestand Mitte Januar mal wieder die Hoffnung, dass die Armee von ihm ablassen und ihn für unbrauchbar erklären würde, wie sie es bei Verweigerern in den letzten Jahren meist nach drei bis vier Haftstrafen tat. Doch nach etwas zögern entschied man sich für eine erneute Einberufung. Nachdem bisher Offiziere der Einberufungsbasis Jonathan verurteilt hatten, wurde er diesmal vor den zweithöchsten israelischen General gestellt. Diesem gegenüber erklärte er "Wenn Sie keinen Weg durch Ihre eigenen bürokratischen Prozeduren finden und mich von der Armee entlassen, müssen Sie mich hier wieder und wieder sehen – da ich mich in keinem Fall werde einziehen lassen." Außerdem wies er darauf hin, dass er von Amnesty International als Gefangener aus Gewissensgründen anerkannt sei und dass ultraorthodoxe Juden, die nicht einmal Gewalt ablehnen, unfairer Weise nicht zum Militär müssen.
Neben Jonathan sind Uri Ya’akobi, Dror Beumel und mehrere andere Jugendliche zum wiederholten Mal in Haft und bekommen die verhärtete Strategie gegenüber Verweigerern zu spüren. Die meisten von ihnen gehören einer Gruppe von Oberstufenschülern an, die vor eineinhalb Jahren gegründet wurde und erklärten aus politischen Gründen nicht zur Armee zu gehen. Dieser Gruppe gehören inzwischen mehr als 200 Jugendliche an, während in den Vorjahren nur einzelne Wehrpflichtige den Armeedienst offen verweigerten; die ersten machten letztes Jahr ihren Schulabschluß und wurden eingezogen. Alle von ihnen entschieden sich bewußt gegen den weitaus einfacheren Weg durch psychiatrische Gutachten ausgemustert zu werden. Damit ist Verweigerung der Wehrpflichtigen, neben der von Reservisten, wieder zu einem Politikum in Israel geworden. Die derzeit Inhaftierten werden nun offensichtlich als Abschreckung für die Zukunft härter bestraft.
Während meines Aufenthalts in Israel habe ich mich mit Jonathan immer wieder über seine Verweigerung unterhalten, dadurch habe ich mich intensiver mit meinem eigenen Pazifismus auseinandergesetzt als zur Zeit in der ich selber in Deutschland verweigert habe. Für Jonathan, dessen Tante mit dem israelischen Aussenminister Netanyahu verheiratet ist, war schon seit einigen Jahren klar: er würde die Rolle des Kriegers, auf die ihn die Gesellschaft seit langem vorbereitete nicht einnehmen. Er weigerte sich in der Schule an Veranstaltungen mit der Armee teilzunehmen und stellte kritische Fragen. Nach seinem Schulabschluß im Sommer 2000 begann er ein Mathe- und Physikstudium. Die Armee hatte ihn für ein Jahr zurückgestellt, in der Hoffnung er würde seine Meinung ändern. Als ihn dann eine Pseudo-"Gewissens-Komission" von Generälen und Offizieren ablehnte (wie bei fast allen männlichen Antragstellern vor ihm) ging er zweimal vor das Oberste Gericht. Dieses entschied jedoch sich nicht einmischen zu wollen. Gleichzeitig trug Jonathan sein Anliegen durch die Presse an die Öffentlichkeit. Für seine Hartnäckigkeit bestraft ihn die Armee jetzt mit der besonders langen Haft.
Im Gegensatz zu den jungen Männern haben israelische Frauen die Möglichkeit zu verweigern und einen freiwilligen Ersatzdienst zu leisten. Sie sind der Armee nicht so wichtig, haben nur eine zweijährige Wehrpflicht und werden vor allem in der Verwaltung eingesetzt. Leider stehen sie dadurch auch beim Thema Kriegsdienstverweigerung nur im Hintergrund, obwohl sie einen entscheidenden Teil der Solidaritätsbewegung darstellen, die z.B. Kundgebungen neben den Gefängnissen organisieren. Eine israelische Verweigererin bemängelte vor kurzem, das dies den Frauen, die auf den heimkehrenden Krieger warten, gleichkommt und die eigene Überzeugung nicht stark genug dargestellt würde. Die Weiterverbreitung des KDV-Gedankens unter Frauen habe durch den Fokus auf die Männer an Aufmerksamkeit verloren.
Kontakt
Wenn ihr Jonathan unterstützen wollt schickt Protestmails an die israelische Botschaft: berlin@israel.org
Und/oder Solidaritätsbekundungen an seine Eltern: mbartzi@yahoo.com
Außerdem gibt es im Internet unter http://www.petitiononline.com/091202/ eine Petition gegen die wiederholte Inhaftierung der israelischen Verweigerer.
Weitere Informationen findet ihr unter http://www.laehnemann.de/israel
Siehe auch bei ZNet Deutschland: Verweigerer aus Gewissensgründen vom israelischen Militär reingelegt