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Behind the Bush

| Joseph Steinbeiß

Hatfield, James H., Das Bush-Imperium. Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde, Vorwort von Jean Ziegler, Atlantik, Bremen/Montréal, 2002, 427 Seiten.

„Damit die Globalisierung funktioniert, dürfen die Vereinigten Staaten nicht zögern, als die unbesiegbare Weltsupermacht zu agieren, die sie sind. Die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert nicht ohne die sichtbare Faust, McDonalds kann nicht prosperieren ohne McDonnel-Douglas, den Fabrikanten der Kampfflieger F-15 […]. Diese Faust sind die Landstreitkräfte, die Marine, die Luftwaffe und das Marine-Corps der Vereinigten Staaten“, Thomas Friedman, ehemaliger Berater Madleine Albrights, in: New York Times Magazine, 28.03.1999.

Bei Lichte betrachtet sind die Vereinigten Staaten von Amerika für weite Teile der europäischen Linken eigentlich ein weißer Fleck auf der Landkarte; terra incognita, zu der die meisten trotzdem mancherlei zu sagen hätten. Seien es Hamburger, Rock’n Roll, Bluejeans, Luftbrücke, Pershings, „Wertegemeinschaft“, „Call-a-Pizza“ oder Jahrzehnte (wo nicht Jahrhunderte) blutiger Innen- und Außenpolitik: Amerika ist überall. Amerika ist nirgends.

Selten erschien es in den vergangenen Jahrzehnten einmal notwendig, einen genaueren Blick auf die soziale und politische Wirklichkeit der letzten noch verbliebenen Großmacht zu werfen. Oder gar hinzufahren. Der neuerdings mit antideutscher Witterung selbst in keimfreisten Winkeln erschnüffelte „Antiamerikanismus“ und die über die Schlagzeilen von BILD und Jungle World flatternden Stars and Stripes der „uneingeschränkten Solidarität“ nehmen sich wenig mit der plumpen und grobschlächtigen Karikatur, die gelegentlich in einer kritischeren Öffentlichkeit ein „Amerika-Bild“ vorstellen soll. Der Weg über den Atlantik ist weit.

Ungläubig rieb man sich die Augen, als während des haarsträubenden Debakels um die Präsidentschaftswahl herauskam, daß in einem US-amerikanischen Bundesstaat gesetzlich verankert sei, bei wiederholtem Stimmenpatt solle die Wahl durch eine Pokerpartie beider Kontrahenten entschieden werden – und daß sich niemand daran zu stören schien. Wären die Vereinigten Staaten irgendein kleines zentralasiatisches oder afrikanisches Land, sie hätten sich der Ethnologenflut kaum erwehren können. Kopfschüttelnd liest man, wie US-amerikanische Linke und Bush-GegnerInnen in ihren Verlautbarungen zum „Kampf gegen das Reich des Bösen“ aufrufen (diesmal freilich im eigenen Land mit Amtssitz Washington D.C.). Und es ist sicher kein Zufall, daß ein Film wie Michael Moores „Bowling for Columbine“ die Menschen scharenweise in die Kinos zieht. Man möchte wissen, wie es wirklich zugeht auf der anderen Seite des Teichs.

Und vor allem möchten vermutlich nicht wenige erfahren, wer dieser „texanische Dorftrottel“ ist, Parolen-Popanz der Friedensbewegung, kriegslüsterner Großhenker mit kumpelhaftem Lächeln und Fäusten in der Hosentasche, Retter der Menschheit vor Diktatoren und „Schurken“, der sympathische Mann, der Widerling, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika George W. Bush.

Eine Präsidentenvita

Wer sich in Zukunft ein fundiertes, kritisches Urteil über Präsident Bush, seinen Werdegang und seine Politik erlauben will, kommt um James H. Hatfields „Das Bush- Imperium. Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde“ nicht herum. Was mit diesem 427 Seiten starken Buch vorliegt, ist die erste und bislang einzige politische „Bush-Biographie“ in deutscher Sprache; eine kritische Präsidentenvita, ein echtes Standartwerk. Das garstige Vorwort des ansonsten sehr achtenswerten Genfer Wirtschaftswissenschaflers Jean Ziegler, der vielsagend von den „anonymen Mächten des globalen Finanzkapitals“ daherraunt, und das nicht minder trübselige Nachwort des US- amerikanischen Aktivisten und Verlegers David Cogswell, der George W. Bush ständig mit Adolf Hitler vergleichen muß, Mein Kampf zu einer Art Taschenratgeber für Bush in Sachen Populismus erklärt und etwa den Entscheid des Obersten Gerichtshofes, eine weitere Handauszählung der Stimmen im Präsidentschaftswahlkampf nicht zuzulassen, ein „Ermächtigungsgesetz“ schimpft, darf man getrost vergessen. Das Pikante an diesen beiden publizistischen Leibwächtern eines ansonsten hervorragenden Buches ist, daß sie eben jene Art des Politikmachens vorstellen, von der sich Hatfields Werk so wohltuend abhebt: eben nicht anonyme, unsichtbar-verschwörerische Kräfte sind am Werk. Hatfield hat es gar nicht nötig, seine Sprache unsachlich hochzurüsten. Mit Brecht zu sprechen haben „die Mächte […], die [uns] schinden“ bei ihm alle „Name, Anschrift und Gesicht“. Wirksamer Widerstand besteht nicht selten in der couragierten Kunst, Namen zu nennen.

Freilich begibt sich, wer Namen nennt, nicht selten in Gefahr.

Hatfield hat seine bewundernswerte, akribische, gelegentlich fast ängstlich genau dokumentierte Recherche (nicht nur) der ökonomischen Verflechtungen des Bush-Clans mit der US- Wirtschaft und ihren Handlangern teuer bezahlt. Nachdem sein Buch unter dem Titel „Fortunate Son“ im Oktober 1999 erstmals in den USA erschien, wurde er als Journalist kaltgestellt. In den finanziellen Ruin getrieben, nahm sich James H. Hatfield am 18. Juli 2001 das Leben.

„Das Bush-Imperium“ erzählt das Leben des George W. Bush jr.- von seiner Geburt bis zu seiner „Wahl“ zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Wer Informationen zur aktuellen Situation, vor allem nach den Anschlägen vom 11. September sucht, wird sich anderswo umtun müssen. Für eine genauere Kenntnis der Hintergründe aber, der sozio-ökonomischen Mechanismen, die dazu führten, daß ein politisch ahnungsloser, intellektuell bedenklich defizitärer Kandidat erfolgreich gegen konturiertere und erfahrenere Konkurrenten ins Feld geführt werden konnte, ist Hatfields Buch unbedingt empfehlenswert. Hatfield bietet drei plausible Erklärungen für den Erfolg George W. Bushs, deren Zusammenwirken schon manche politische Karriere – keineswegs nur in den USA! – ermöglicht und gestärkt hat: ein großer Name, völliger Mangel an politischer Statur und viel, viel Geld.

Probiers mal mit Gemütlichkeit

Denn eben das Gemütliche, das betont Unproblematische, das Politikferne im Auftreten Bushs war es, was seine Wählerinnen und Wähler für ihn einnahm und seine industriellen Unterstützer um ihre Investitionen nicht bange werden ließ. Seine Wahlversprechen waren Valiumversprechen, eine Versicherung, man müsse sich nicht sorgen, und ein gelegentlich kaum zu übertreffender Fundus an leeren, pompösen Phrasen: „Was ich der Bevölkerung von Texas biete“, tönte er etwa im texanischen Gouverneurswahlkampf, „ist eine auf die heutigen Verhältnisse zugeschnittene Revolution. Es handelt sich um eine Revolution der Hoffnung, der Veränderung und der Ideen“ (S.161). Wie genau man sich eine „Revolution […] der Veränderung“ vorzustellen habe, soll hier nicht interessieren. Interessant ist, daß solche Phrasen wirksam wurden. Mit seinem vielleicht etwas tumben, nach Einschätzung selbst seiner Gegner aber echten und natürlichen Charme machte Bush im Wahlkampf aus Politik ein idyllisches Kaffeekränzchen. Seine Wahlreden dauerten im Schnitt nicht mehr als zehn Minuten: „Bushs Wahlreden waren witzig, selbstironisch und angenehm kurz. Wenn er in den ländlichen Gebieten von Texas in Jeans und Cowboystiefeln auftrat, war sein texanischer Akzent breiter und volkstümlicher, als wenn er in Nadelstreifen vor geschniegelten Unternehmern mit dicken Brieftaschen […] sprach“ (S.297). Bush, geschult als Wahlkampfstratege in den Kampagnen seines Vaters, kannte die Regeln und Kniffe des politischen Geschäfts. Manchmal bis zum Aberwitz hielt er die Fiktion des „netten Jungen von Nebenan“ aufrecht: „Bushs wohlkalkulierter, bodenständiger Stil war immer sichtbar. Im Rangers- Büro [Bush war eine zeitlang Miteigner des bekannten texanischen Baseball- Teams der Texas Rangers, Anm. MB] trug er wiederholt ein paar Schuhe mit einem großen Loch, was seinen Kollegen Rusty Rose veranlaßte, ihm für 120 Dollar Gucci- Mokassins zum Geburtstag zu schenken, die Bush prompt […] gegen Bargeld umtauschte“ (S.124).

Auch sein Name sorgte dafür, daß man sich im Stimmvolk nicht gar zu sehr nach den politischen Vorstellungen des Gouverneurskandidaten und nachmaligen Staatschefs umhörte.

„Seit die Kolonisten der ersten ‚dreizehn Staaten‘ sich 1776 von Großbritannien und seinem Monarchen König George III lossagten, haben die Amerikaner trotz ihrer demokratischen Ansprüche periodisch versucht, politische Dynastien zu schaffen, die auf der familiären Herkunft beruhen. Immer wieder ging das US- amerikanische Wahlvolk davon aus, die aufeinander folgenden Generationen der Adams, Tafts, Roosevelts, Rockefellers und Kennedys hätten – nicht viel anders als die Thronfolger in einer Monarchie – ein Recht auf die Macht und seien genetisch dazu bestimmt, ihr Land zu führen“ (S.19).

Als George W. Bush am 8. März 1994 die Primaries für den Posten des texanischen Gouverneurs gewann – mit der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung in der Geschichte von Texas, 17,5% (!) – ergaben Umfragen angesehener Tageszeitungen, daß ein Gutteil der Wählerinnen und Wähler der Meinung war, für Bushs Vater gestimmt zu haben, und nicht für den Sohn. Bushs Geldgeber störte das wenig. Auf der anschließenden Wahlkampfparty im Gouverneurssitz (geschätzte Kosten: 1,5 Mio. Dollar) war bereits ein Gutteil jener Firmen anwesend, die schon mit Bushs Vater gute Geschäfte gemacht hatten. Man trank auf „bessere Zeiten“.

Ölmann ohne Öl

Charme und ein mächtiger Vater allein genügen auch in „Gods own country“ nicht für politische Karrieren. Man muß seinen Charme in Fernsehsendungen spielen lassen, seinen Namen von Titelseiten der Zeitungen herunterleuchten sehen. Dazu braucht es Geld. Gewissermaßen „hineingeboren“ in ein Geflecht aus Spendenkanälen, guten Beziehungen und Filz, das sein Vater schon während seiner Zeit als Chef der CIA geflochten hatte, fehlte es George W. Bush nie an Gönnern, die bereitwillig seine diversen Projekte unterstützten. „Es gibt eine Beziehung zwischen Geld und Macht. Die Firmen mit den großen Namen, die […] Bush unterstützt haben, gingen natürlich davon aus, daß sie eines Tages etwas für ihre Investition zurückbekommen würden“ (S.94). Die verwickelten und beunruhigend weitreichenden Verbindungen Bushs zu praktisch der gesamten namhaften Industrie seines Bundesstaates (und weit über diesen hinaus) sind das eigentlich Spektakuläre an Hatfields Buch. Noch bevor George W. Bush irgendwelche Anstalten machte, sich politisch zu betätigen, investierten Firmen wie Microsoft, Organisationen wie die 3,4 Millionen Mitglieder starke National Rifle Association (NRA) und Privatmänner wie der Milliardär Richard Rainwater oder Howard Simmons – gewiß zunächst mit Blick auf den Vater – beträchtliche Summen in die noch ungewisse Zukunft des jungen George. George W. Bush, so könnte man Hatfields zentrale (und vielfach belegte) These zusammenfassen, wurde in Amt und Würden gekauft.

Denn an Eigenkapital hatte Bush, der sich zunächst wie sein Vater im texanischen Ölgeschäft versuchte, so gut wie nichts vorzuweisen. Er war ein derart erfolgloser Ölmann, der bohrte und bohrte und doch nichts fand, daß seine 1977 gegründete Explorationsfirma Arbusto Energy (Arbusto, span. für ‚Busch‘) bald den Spitznamen „Ar- bust-o“ bekam, was in etwa soviel heißt wie: „Ah! Pleite! Oh!“. Daß Bush seine Gesellschaft überhaupt hatte gründen können, verdankte er nicht zuletzt James R. Bath, einem Flugzeugmakler und windigen Geschäftsmann mit guten Kontakten nach Saudi-Arabien. Beide hatten sich zuvor schon kennen gelernt: bei der Texas Air National Guard, einer in den siebziger Jahren besonders probaten Möglichkeit für Kinder reicher Texaner, den Schrecken des Vietnamkrieges zu entgehen. […] Wenn man sich die Liste [der Texas Air National Guard, Anm. JS] ansieht, wird man neben George W. Bush viele Söhne aus politisch prominenten texanischen Familien sehen, die rein zufällig irgendwie in die Garde kamen – egal wie lang die Wartelisten waren“, sagte ein ehemaliger Personaloffizier der 111. Abfangjägerstaffel, bei der Bush diente (S.65).

Bath investierte immerhin 50.000 Dollar in den glücklosen Präsidentensohn. Er mußte für diese Finanzspritze allerdings nicht sein Privatkonto schröpfen. Die Transaktion lief über die Bank of Credit and Commerce International, kurz BCCI; der bei scharfer Konkurrenz vermutlich Übelsten aller „Betrüger – und Verbrecherbanken“ (US-Justizministerium).

BCCI, Bachrein und Zweiter Golfkrieg

Als die BCCI 1991 wegen Betrügereien geschlossen wurde und man begann, die Akten der multinational agierenden Großbank durchzusehen, kam es zu einem der größten Bankenskandale der jüngeren US- amerikanischen Geschichte. Die BCCI hatte zu ihren Hochzeiten über 400 Filialen in insgesamt 78 Ländern unterhalten. Ihr Gesamtvermögen belief sich auf 20 Milliarden US-Dollar. Es stellte sich nun heraus, daß die BCCI an so ziemlich allen kriminellen Machenschaften beteiligt gewesen war, die man sich vorstellen konnte: Drogenhandel, Waffenkauf, Geldwäsche, Steuerbetrug… die Liste wurde länger und länger. James R. Bath stritt 1991 beharrlich jede Verbindung zur BCCI ab. Und auch Bush wollte von einer Verbindung seiner ehemaligen Bohrfirma zur „Outlaw Bank“ nie etwas gewußt haben. Dabei beschränkten sich die Verbindungen von Bath und Bush zur BCCI keineswegs nur auf die Finanzierung von Arbusto Energy. 1989 war Bush zweitgrößter Aktionär der texanischen Ölgesellschaft Harken Energy geworden – ohne auch nur ansatzweise genügend Geld zu besitzen, um sich dermaßen in die lukrative Gesellschaft einzukaufen. Seine Versuche mit Arbusto waren ein jammervolles Debakel geblieben. Das Kaufkapital war Bush großzügig und zinslos geliehen worden – von Harken Energy!

Der vom Pech verfolgte Ölsucher erhielt den Posten eines leitenden Managers mit einem Jahreseinkommen von 120.000 Dollar. Bushs ganze Aufgabe bei Harken bestand darin, nett zu sein, umherzugehen und seine Beziehungen spielen zu lassen. „Es liegt auf der Hand, warum sie George Bush behielten“, meinte der ehemalige Besitzer von Harken Energy, Paul Kubrick, „Schon die bloße Tatsache, daß er dabei war, verlieh ihnen Glaubwürdigkeit. Er ist schon allein dafür hundertzwanzigtausend Dollar wert“ (S.133). Daß sich diese Investition tatsächlich lohnen könnte, erfuhr Harken, als sich die Gesellschaft um den Zuschlag für die Bohrrechte vor der Küste des kleinen arabischen Fürstentums Bachrein bewarb, wo man große Ölvorkommen vermutete.

Den Kontakt zu den politisch Verantwortlichen machte kein anderer als James R. Bath.

Bath gute Kontakte zu reichen Saudis machten ihn zum perfekten Mann für die Aufgabe, seine arabischen Klienten, Harken Energy und die BCCI als Großfinanzier an einen Tisch zu bekommen. Bath hatte den Grundstock seines Vermögens keineswegs mit Flugzeugverkauf gelegt. Er war der Mittelsmann gewesen, um gewaltige Investitionen arabischer Großanleger in den USA mit seinem Namen zu „tarnen“ und vor Steuer und Gesetzen zu bewahren. Zu seinen höchst zufriedenen Kunden gehörten Scheich Kalid bin Mahfouz, seines Zeichens Vorsitzender der größten Bank der arabischen Halbinsel, und ein gewisser Scheich Salim M. bin Laden, Eigner von Bin Laden Brothers Construction, der größten Baufirma des Nahen Ostens. Beide waren Großanleger der BCCI, und Bath seit 1976 deren Geschäftsbevollmächtigter für Texas – zu einer Zeit also, als George W. Bushs Vater an der Spitze des US-amerikanischen Geheimdienstes stand. Ein Jahr später flossen die bereits erwähnten 50.000 Dollar von der BCCI über Bath auf Bushs Konto…

14 Jahre später sorgte nun wiederum Bath gemeinsam mit Michael Ameen dafür, daß Harken, obwohl die Gesellschaft für „Off-shore“-Bohrungen dieser Größenordnung keineswegs gerüstet war, vor kompetenteren Konkurrenten den Zuschlag für Bachrein bekam. Ameen war zu jener Zeit Berater im US- Außenministerium unter Präsident Bush Senior, und auch der US-Botschafter von Bachrein hatte sein Schärflein beizutragen: „der Botschafter [hat] seiner Meinung Ausdruck gegeben, nach der die Administration von Präsident Bush jedes Ölgeschäft, an dem der Sohn des Präsidenten beteiligt sei, mit Wohlgefallen betrachte“ (S.132-133).

Das eigentlich Pikante der ganzen Affaire aber sollte erst noch folgen. Die Bohrungen vor Bachrein hatten kaum begonnen – man hoffte auf gewaltige Gewinne – als George W. Bush mit einem Mal seine Harken-Aktien abstieß: mit sattem Gewinn, wie sich versteht. Kaum zwei Monate später marschierte die Irakische Armee in Kuwait ein, die Aufträge für Harken wurden storniert, es folgte der Zweite Golfkrieg. Die Security and Exchange Comission (SEC) strengte umgehend ein Verfahren gegen den Präsidentensohn an. Er stehe im Verdacht, aus politischen Insider-informationen persönlichen Nutzen gezogen zu haben. Das Verfahren wurde 1993 schließlich eingestellt, Harken verlor Millionen bei ergebnislosen Bohrungen im arabischen Meer, und George W. Bush war ein reicher Mann – ohne auch nur einen Tropfen Öl gefunden zu haben.

Der Kandidat des großen Geldes

Es ist nahezu unmöglich, die Flut von Fakten und Zusammenhängen, die Hatfields Buch zu bieten hat, auch nur ansatzweise vollständig zu referieren. Neben den wirtschaftlichen Verwicklungen geht Hatfield ebenso auf die haarsträubende Politik Bushs als Gouverneur von Texas ein, seine skrupellosen Machenschaften im Wahlkampf, den Filz mit seinem Bruder Jeb (dem Gouverneur von Florida) während des Stimmengeschachers um die Präsidentschaftswahl.

Hatfields Buch ist dabei keineswegs der Kritik enthoben. Fast widerwillig behandelt er die Tatsache, daß George W. Bush mehr Todesurteile vollstrecken ließ als ein gerüttelt Maß seiner Kollegen zusammengenommen; ganz so, als sei mit dieser Kritik in den Vereinigten Staaten weniger Staat zu machen als mit wiederholten Verweisen auf Bushs (überwundene) Alkoholabhängigkeit. Und gelegentlich unterläuft ihm, trotz aller Mühen und Genauigkeit, der alte Biographenfehler, gar zu tief in die Haut des Anderen hineinzuschlüpfen. Aus einer sachlichen und faktengestützten Vita wird dann gerne einmal ein tränentreibender Schundroman: „Allein im Bad des Hotels, starrte Junior in den Spiegel und sah einen Mann mit wirrem Haar, verkrustetem Erbrochenem am Kinn und blutunterlaufenen Augen, die sich mit Tränen füllten. Er fiel auf die Knie, brach in hemmungsloses Schluchzen aus und bat Gott, ihn zu retten, bevor er sich zu Tode trank. In diesem Augenblick schwor er sich, nie wieder einen Tropfen Alkohol zu sich zu nehmen“ (S.100). Von solchen (höchst seltenen) Ausflügen in das Reich der Boulevardzeitungspublizistik – „BILD sprach als Erste mit der Frikadelle!“ – abgesehen ist es eine ausgesprochene Stärke des Buches, daß es, in Ton und Stil manchmal bis zum Ersticken gemäßigt, sich auch von jeglichem reißerischen Enthüllungsjournalismus fernhält.

Fazit: „Das Bush-Imperium“ ist eine überaus erfreuliche, für die kommenden politischen Auseinandersetzungen vielleicht sogar vorbildliche Erscheinung auf dem Büchermarkt.