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Der Krieg ist aus?

Syrien, Iran, Libyen, Nordkorea, ... Wer wird das nächste Kriegsziel?

| Bernd Drücke, 25.04.2003

In wenigen Wochen konnte die modernste und hochgerüstetste Armee der Welt den durch UN-Embargo, Baath-Regime und zwei Golfkriege ausgemergelten Irak "besiegen". So erfreulich es ist, dass die Hussein-Diktatur gestürzt ist, so ungewiss ist die Zukunft der Menschen im zukünftig von den USA dominierten Irak.

Nachdem am 15. Februar und in den Wochen danach Millionen Menschen weltweit gegen die Kriegspolitik der US-Regierung protestiert haben, kamen zu den Osteraktionen der Friedensbewegung nur noch einige tausend. Die Massenmedien in der BRD verkaufen den Krieg mittlerweile wieder als „vielleicht doch gerechtfertigt“. Bild verkündete schon am 10. April den „Sieg“ (siehe Seite 8). Am Tag zuvor hatten alle Fernsehsender den Sturz einer Saddamstatue in Bagdad gezeigt. Die Bilder der jubelnden Irakis sorgten für einen Stimmungsumschwung. Naheliegend ist, dass sich viele Menschen freuen, wenn der Despot Saddam Hussein verschwindet. Aber, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Bagdads die Bush-Krieger, die drei Wochen lang die Menschen im Irak bombardiert haben, bejubeln würden, wirkte überraschend und für Teile der Friedensbewegung lähmend. Wenn wir den u.a. beim basisdemokratischen Internetprojekt www.de.indymedia.org veröffentlichten Fotos und Beiträgen Glauben schenken, dann handelte es sich beim Sturz der o.g. Saddamstatue um eine Medieninszenierung:

„Bei www.whatreallyhappened.com findet man Belege dafür, dass

(a) Exil-Iraker, die am Wochenende von US-Truppen in den Irak eingeflogen und dort beschützt wurden, gestern mit am medienwirksamsten die US-Truppen um- und den Statuensturz bejubelten;

(b) aber durch eine Weitwinkelaufnahme klar wird, wie wenige ‚Zuschauer‘ beim Statuensturz nur anwesend waren und ‚jubelten‘! Fazit: Es war eine propagandistisch-mediale Inszenierung größten Ausmaßes!“

Dass und wie die Massenmedien manipulieren, macht ein Blick in Richtung USA deutlich. Laut einer Umfrage von CBS News und New York Times glauben 42 Prozent der US-BürgerInnen die Lüge, dass Saddam Hussein für die Terroranschläge vom 11. September 2001 direkt verantwortlich ist. 55 Prozent der US-Amerikaner sind laut einer Umfrage von ABC News davon überzeugt, dass Saddam Hussein Al Qaida unmittelbar unterstützt.

Wer sich an die Propagandalügen erinnert, die während des ebenfalls völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen Jugoslawien auf uns einprasselten (1), wird erkennen müssen, dass die hiesigen Medien nicht besser sind.

Seit uns die o.g. Bilder vom Sturz der Saddamstatue gezeigt wurden, schlägt die Stimmung um. Krieg erscheint vielen – wie schon während des Jugoslawienkriegs 1999 – als legitimes Mittel zur „Demokratisierung“. Akzeptiert wird, wenn zigtausend Irakis durch Bomben und vorrückende Invasionstruppen getötet, wenn „völkerrechtlich geächtete“ Streubomben und mit Uran abgereicherte Panzer bzw. Bunker brechende Waffen eingesetzt werden. Schließlich wurden u.a. aufgrund der enormen technischen und militärischen Überlegenheit in den ersten drei Kriegswochen „nur“ 116 Soldaten der „Koalition der Willigen“ getötet. (2)

Einige Mitglieder des US-Regimes bezeichnen ihren „Krieg gegen den Terror“ mittlerweile als „Vierten Weltkrieg“. Sie haben noch weitere „Schurkenstaaten“ auf der „noch nicht erledigt“-Liste. Ganz oben stehen Syrien, Iran, Libyen und Nordkorea. Die US-Regierung droht seit Ende März mit einem Krieg gegen Syrien. Kriegsminister Rumsfeld warf Syrien vor, Nachtsichtgeräte und anderes Militärgerät über die Grenze in den Irak zu schmuggeln und das Hussein-Regime zu unterstützen. Syrien werde für „diese feindlichen Akte zur Rechenschaft gezogen.“

Knut Mellenthin spekuliert in analyse und kritik: „Spätestens nach dem vorläufigen Abschluss des Irak-Krieges werden die USA wahrscheinlich die ‚Entwaffnung‘ des Irans auf die Tagesordnung setzen. Wahrscheinlich pro forma zunächst als Appell an die ‚internationale Gemeinschaft‘ – und dann sehr schnell wieder im Alleingang mit ein paar ‚Willigen‘. Der Hauptvorwurf ist, dass der Iran Mittelstreckenraketen besitzt und weiterentwickelt und dass er nur noch wenige Jahre vom Besitz von Atomwaffen entfernt sei (…).“ (3)

Was auch immer die Propagandamaschine uns eintrichtern will, die Menschheit wird nicht von abgehalfterten 3.Welt-Diktatoren bedroht. Wo sind eigentlich die angeblichen Massenvernichtungswaffen, die als Kriegslegitimation gegen den Irak dienen sollten?

Als George W. Bush Nordkorea, Irak und Iran als „Achse des Bösen“ bezeichnete, löste das weltweit Kopfschütteln aus. Was haben diese untereinander verfeindeten Länder gemeinsam, was sie zu „bösen Achsenmächten“ macht? „Die Antwort ist einfach und erklärt nicht nur dieses Rätsel, sondern auch die ansonsten ziemlich wirr und verwirrend wirkende Außenpolitik der USA: 1. Irak hat im Jahr 2000 den Preis seines Öls von Dollar auf Euro umgestellt. 2. Iran droht damit, dasselbe zu tun. 3. Nordkorea hat seinen gesamten Außenhandel auf Euro umgestellt.“ (4)

Eine Vereinfachung, aber auch ein Aspekt der bisher in den GWR-Analysen zu kurz gekommen ist. Es geht nicht nur um die militärische Hegemonie der US-Macht, es geht bei den jetzt kommenden Kriegen auch um die kapitalistische Konkurrenz der Wirtschaftsgroßmächte Europäische Union und USA.

Und hier greift auch die von der Friedensbewegung geübte Kritik am Völkerrechtsbruch der US-Regierung zu kurz. Die USA ist so mächtig, dass sie sich nicht mehr um Gesetze kümmern muss, die sie einst selbst mit geschaffen hatte. Wer rechnet damit, dass Clinton, Blair und Schröder für ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999, dass Putin für den Kolonialkrieg in Tschetschenien oder Bush für den Angriffskrieg gegen den Irak juristisch belangt werden? Sie sind Vertreter mächtiger Staaten und haben deshalb vom Internationalen Gerichtshof nichts zu befürchten, im Gegensatz zu abgehalfterten Staatschefs wie Milosevic und Co.

Auch angesichts der durch den schnellen „Sieg“ der USA wahrscheinlicher werdenden Kriege, können Hoffnungen nicht auf Regierungen oder auf den Internationalen Gerichtshof gesetzt werden. Nur eine starke außerparlamentarische Anti-Kriegsbewegung kann Militärbasen hier blockieren und die SoldatInnen aller Kriegsparteien zur Desertion auffordern. Sie kann den Herrschenden Sand in ihre Kriegsmaschinerie streuen. Für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft.

(1) Siehe dazu: Margarete Jäger, Siegfried Jäger (Hg.): Medien im Krieg. Der Anteil der Printmedien an der Erzeugung von Ohnmachts- und Zerrissenheitsgefühlen, Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung 2002; sowie Martin Firgau: "Rambouillet und andere Lügen", GWR 254, S. 1, 10f., www.graswurzel.net/ 254/ rambouillet.shtml

(2) Gerhard Pieper: Kriegsverlauf mit Überraschungen, in: ak 472, Hamburg, 17.4.2003, S. 4

(3) High Noon im Nahen Osten. Nach dem Irak wollen die USA Iran und Syrien angreifen, in: ak 472, Hamburg, 17.4.2003, S. 5

(4) Lutz Schulenburg: Untergang ringsum - gute Aussichten, in: Die Aktion Nr. 206, Edition Nautilus Hamburg, April 2003, S. 5