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Grèvolution!

Die etwas andere französische Gewerkschaftsbewegung und die Libertären

| William Wright

Markenzeichen der französischen Gewerkschaften ist trotz aller Einheitsparolen ihre chaotische Zersplitterung. Was auf den ersten Blick wie eine kontraproduktive Spaltungsgeschichte aussieht, über die sich die Kapitalisten nur freuen könnten, erweist sich auf den zweiten Blick als Grundlage der starken Tendenz zum Basisbezug, zum Streik und zur direkten Aktion.

Im Gegensatz zum hochbürokratisierten Gewerkschaftsapparat des DGB gibt es in Frankreich viele kleine Gewerkschaftsgruppen (Syndikate) sowie Strömungen innerhalb der großen Gewerkschaften, die in einzelnen Branchen stark sind und dort schnell einen Streik auslösen können. Zudem bleiben diese Gruppen sensibel gegenüber spontaneistischen Tendenzen unter den Beschäftigten und integrieren in der Regel die nicht gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen schnell ins Aktionsgeschehen. Oft gingen in der Geschichte der französischen Gewerkschaften wichtige Streikbewegungen sogar von den Nichtorganisierten aus. Es gab in fast jeder Gewerkschaft Phasen, in denen die Tendenz zur Revolution, zur Selbstorganisation der Betriebe oder zum Generalstreik als Mittel zur Umsetzung des Sozialismus stark ausgeprägt war (revolutionärer Syndikalismus).

So haben auch Libertäre innerhalb der französischen Gewerkschaftsbewegung eine wechselvolle Geschichte.

Die CGT

Die CGT (Confédération Générale du Travail) ist die traditionsreichste französische Gewerkschaft. Sie wurde 1895 in Limoges gegründet, als Zusammenschluss der seit 1886 bestehenden Gewerkschaftszusammenschlüsse (Föderationen) einerseits und der vom Anarchisten Fernand Pelloutier propagierten „Bourses du Travail“ (Arbeiterbörsen) andererseits. Letztere hatten eine konstruktive Funktion, waren eine Art selbstorganisiertes Arbeitsamt, unterstützten Streiks und betrieben Arbeiterbildung. In der legendären Charta von Amiens (1906) bekannte sich die CGT zur Autonomie und zur Unabhängigkeit von allen Parteien sowie zum revolutionären Syndikalismus.

Die CGT hatte im Jahre 1910 334000 Mitglieder. Spektakulär war der Generalstreik von 1907, als es ihr gelang, in ganz Paris den Strom abzuschalten. 1909 gründete Pierre Monatte die revolutionär-syndikalistische Zeitung La Vie ouvriére, andere wichtige Aktivisten waren Victor Griffuelhes, Emile Pouget und Alphonse Merrheim. Ab 1910 setzten sich allerdings unter Léon Jouhaux die bereits seit Jahren stärker gewordenen reformistischen Strömungen durch. Jouhaux schwor zwar 1914 am Grab des sozialdemokratisch-pazifistischen Politikers Jean Jaurès das „Krieg dem Kriege“, doch die CGT hatte ihren Frieden mit der Nation gemacht und dem Ersten Weltkrieg nichts entgegenzusetzen.

Monatte und Merrheim führten die revolutionär-syndikalistische Opposition zur sozialistisch-pazifistischen Konferenz von Zimmerwald 1915 und unterstützten anfangs den Oktoberumsturz Lenins 1917. Aufgrund des Entsetzens über die ca. 2,1 Mio. für die französische Bourgeoisie Gefallenen im Ersten Weltkrieg bekam die CGT wieder Zulauf, hatte 1920 1,6 Mio. Mitglieder und führte Massenstreiks für die Nationalisierung von Schlüsselindustrien durch. Doch der Reformist Jouhaux konnte die Mehrheit organisieren und schloss 1921 den Monatte-Flügel aus. AnarchistInnen und BolschewistInnen gründeten die CGT-U (Unitaire), die jedoch schnell von der 1920 gegründeten PCF (Kommunistische Partei Frankreichs) dominiert wurde. Die enttäuschten revolutionären SyndikalistInnen spalteten sich 1926 als CGT-SR (syndicaliste révolutionnaire) ab. Monatte und Alfred Rosmer blieben zunächst, wurden aber 1931 von der CGT-U ausgeschlossen und sammelten revolutionäre SyndikalistInnen zwischen undogmatischem Trotzkismus und Anarchismus um die Zeitung La Révolution prolétarienne.

Durch den Wechsel Stalins hin zur Volksfrontpolitik vereinigten sich CGT und CGT-U 1936, kurz vor dem Wahlsieg der Volksfront (1936-38). Bei den sich anschließenden Massenstreiks vom Juni 1936 konnten rund 2,4 Mio. Streikende Schlüsselbetriebe in der Großindustrie besetzen, erstmals bezahlten Urlaub und die 40-Stunden-Woche durchsetzen. Es war die größte und erfolgreichste Streikbewegung, die Frankreich bis heute kannte. Bereits 1938 gelang es jedoch dem neuen konservativen Präsidenten Daladier, die Errungenschaften per Gesetz wieder rückgängig zu machen. Ein versuchter Generalstreik gegen Daladier scheiterte.

Nach Bekanntwerden des Hitler-Stalin-Pakts am 23.8.1939 wurden viele KommunistInnen aus der CGT ausgeschlossen, es kam zur erneuten Spaltung. In der Illegalität der Résistance gegen Vichy und die Nazi-Besetzung im Zweiten Weltkrieg gab es jedoch 1943 eine neuerliche Wiedervereinigung der CGT und direkt nach der Befreiung 1944/45 wurden aufgrund des Einflusses der Résistance auf de Gaulle die sozialstaatlichen Errungenschaften von 1936 wiederhergestellt. 1945-47 war die KP an der Regierung beteiligt und unterstützte daher die im April 1947 spontan ausbrechenden Streiks im Kohlebergbau und bei Renault zunächst nicht. Erst nach dem Rückzug der KP aus der Regierung warf sich auch die inzwischen völlig stalinisierte CGT in die Bewegung und dominierte sie schnell. Es kam zu gewaltsamen Aktionen, die zudem vom beginnenden Ost-West-Gegensatz überlagert wurden: Minen werden überschwemmt, Züge entgleisten, es kam zu Schusswechseln mit Regierungstruppen. Die Streiks wurden niedergeschlagen.

Aufgrund ihrer Stalinisierung spalteten sich von der CGT 1947 die CGT-FO (Force ouvrière) sowie einige autonome Gewerkschaften ab (unter diesen die Lehrergewerkschaft FEN (Fédération de l’Education nationale) sowie einige unabhängige Gewerkschaften, die weder der CGT noch der FO beitreten wollten). AnarchistInnen und TrotzkistInnen entschieden sich aufgrund ihres Antistalinismus für die antikommunistische FO. Sie wussten nicht, dass die Gelder, die die FO von der US-amerikanischen Gewerkschaft AFL-CIO bekam, ursprünglich vom CIA stammten.

Auch im Mai 1968 wurde die inzwischen orthodox-kommunistische CGT vom studentischen Spontaneismus überrascht. Sie setzte gegen den Willen der Streikenden bei Renault ein befriedendes Abkommen durch und überließ der stark zu Positionen der Selbstverwaltung (Autogestion) tendierenden CFDT (Confédération française démocratique du Travail) die Unterstützung der Arbeiterkämpfe bei Lip (1973/74). Die zentrale Führung der CGT hat weder die sowjetische Invasion 1956 in Ungarn, noch die Invasion in Afghanistan (1979) noch die Unterdrückung der streikenden polnischen ArbeiterInnen (1981) verurteilt. In Frankreich hat sie sich von jeder Tendenz des revolutionären Syndikalismus abgegrenzt. Intern hat sie keine Strömungsbildung zugelassen. In den 80er und 90er Jahren gab es einen Mitgliederrückgang auf heute 650000. Die CGT weist heute im Energiesektor, bei Post und Telecom, im öffentlichen Dienst und vor allem bei den Eisenbahnern eine stärkere Organisierung auf als rivalisierende Gewerkschaften. Sie hat derzeit 31 Branchen-Föderationen. Weil der 1995 zurückgezogene „Plan Juppé“ den Beginn der Liberalisierung der Eisenbahnen sowie – damals schon – der Renten vorsah, konnte sich die CGT nach dem anfangs spontanen Ausbruch der Streiks gut in Szene setzen. Bernard Thibault war 1995 einer ihrer aktivsten Leute und wurde 1999 neuer Vorsitzender. Unter seinem Einfluss hat die CGT einen Kurs der vorsichtigen Distanz zur KPF sowie eine ebenso vorsichtige Annäherung zu den Bewegungen der Arbeitslosen und für eine andere Globalisierung eingeschlagen. Thibault ist heute allerdings ein Medienstar und die CGT läuft Gefahr, mit ihm an der Spitze die Bewegung zu dominieren.

Die CFDT und das Intermezzo der „Autogestion“, die FO und seine Trotzkisten

Die größte Konkurrenzorganisation zur CGT ist heute die CFDT. Sie hat aktuell 865000 Mitglieder und 1999 mit 22,9 % bei den Betriebsratswahlen die CGT (21,5 %) erstmals überholt. Sie gilt als verhandlungsorientierte, der PS (Parti socialiste) nahe stehende reformistische Gewerkschaft, die im DGB ihr Vorbild sieht, von Streiks nichts wissen will und den Sozialpakt mit den Kapitalisten propagiert. Doch das war nicht immer so.

Die CFDT wurde als CFTC (Confédération française du Travail-Chrétiens) 1919 offiziell gegründet, geht aber bis zur Sozialenzyklika von Papst Leo, dem 13., zurück (1891). Noch vor dem Ersten Weltkrieg konnten sich die sozialkatholischen Gewerkschaften in der Textilindustrie Nordfrankreichs etablieren, u.a. gründeten sie die erste Berufsorganisation für Frauen. Anfang der 20er Jahre hatte die CFTC 125000 Mitglieder und steigerte die Mitgliedschaft bis 1938 auf 400000. Ihre Position war nicht sozialistisch, doch sie verteidigte die Rechte der Arbeiter und war deshalb keine „gelbe“ Gewerkschaft der Unternehmer, sondern wurde von den „Gelben“ bekämpft. 1940 wurde sie von Vichy aufgelöst, ihre Aktiven beteiligten sich an der Résistance, was zu ihrer weiteren Radikalisierung beitrug.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen langen Prozess der Entkonfessionalisierung, der 1964 abgeschlossen war, als nur 10% der Mitglieder in der CFTC blieben und die anderen 90% die CFDT gründeten. Der Mai 68 radikalisierte die CFDT und führte sie in den folgenden Jahren zu ihrer Position der „Autogestion“ (Selbstverwaltung oder Selbstorganisation der Betriebe) und zur Unterstützung der Arbeiterkämpfe um Selbstveraltung bei Lip/Bésançon 1973/4. Unterstützt wurden auch die beginnende Frauen- und Migrantenbewegung sowie spontane Kämpfe in Branchen mit schwacher gewerkschaftlicher Organisierung, etwa der Verkäuferinnen des Modegiganten Nouvelles-Galeries in Thionville. In dieser Zeit engagierten sich viele Libertäre und Strömungen der Neuen Linken innerhalb der CFDT. Eine linkskatholische Zeitung mit langer Tradition, die den revolutionären Syndikalismus in der CFDT unterstützt hat, heißt Esprit und existiert noch heute.

Die „Autogestion“ blieb jedoch immer nur eine Strömung innerhalb der CFDT und verlor ihre Dominanz Ende der 70er Jahre mit dem Abflauen und der Krise der unabhängigen Nach-68er-Linken. So gab es in den 80er Jahren unter der Führung von Jacques Moreau eine Wende, die unter den Stichworten „Rezentrierung“ und dem Vorwand einer „Modernisierung“ die verbliebene revolutionär-syndikalistische, spontaneistische Tendenz an den Rand drängte oder sogar ausschloss. Ziel war nun die Annäherung an die PS, die Unterstützung Mitterands und Vorbild die bürokratische Massenorganisation des deutschen DGB. Damit gewann man zwar kontinuierlich Mitglieder, hielt sich jedoch aus wichtigen Streiks wie auch dem von 1995 heraus, ja verurteilte gar die Streiks als Kampfmittel von gestern. So hat auch beim jetzigen Widerstand gegen den „Plan Fillon“ die CFDT sehr schnell dem ersten Kompromiss zugestimmt. Trotzdem gibt es immer noch Widerstand innerhalb der CFDT gegen die „Rezentrierung“. Dieser Widerstand sieht sich als Basis der CFDT und nennt sich „Résistance“, „Tous ensemble!“ oder „Reconstruction CFDT“ und ist an den jetzigen Streiks beteiligt, oft mit regionalen Hochburgen wie etwa Nantes oder Marseille.

Die 1947 aus der Spaltung der CGT hervorgegangene FO (Force ouvrière) behielt zwar eine Rhetorik des Klassenkampfes bei, verlegte sich aber bald auf klassische Verhandlungspolitik über Lohnerhöhungen. In den 60er Jahren gab es in ihr eine bunte Mischung aus AnarchistInnen, TrotzkistInnen sowohl der Strömung von Alexandre Hébert („Hébertisten“) als auch von Pierre Boussel (genannt Lambert, „Lambertisten“), unabhängigen SozialistInnen und GaullistInnen, weil die FO im Gegensatz zur CGT die Strömungsbildung zuließ. Auf den Mai 68 hatte die FO aufgrund ihrer reformistischen Politik aber keinen Einfluss – sie war in der Zeit sogar bevorzugter Verhandlungspartner der Unternehmerverbände – und die Libertären verließen die FO. Das änderte sich erst wieder, als 1989 der lambertistische Trotzkist Marc Blondel Vorsitzender wurde und Gerüchte um eine Übernahme der FO durch TrotzkistInnen (und ihre Partei, die PT, Parti des travailleurs) die Runde machten. Immerhin führte das zu einer starken Beteiligung der FO an den Streiks von 1995. Heute ist die FO vor allem im öffentlichen Dienst vertreten, hat 400000 Mitglieder, zählt in der gegenwärtigen Streikbewegung zu den Aktivposten, betreibt aber eine widersprüchliche Politik zwischen revolutionärer Phraseologie und Verhandlungspolitik.

Frischer Wind: CNT, SUD und G-10-Solidaires

Die französische CNT (Confédération nationale du travail) wurde 1946 gegründet und vertritt das Programm des klassischen Anarchosyndikalismus: föderierte Produktions- und Konsumptionsräte sollen den kapitalistischen Markt ersetzen. Lange orientierte sich die französische CNT an der spanischen CNT, die seit 1939 in Frankreich im Exil war. Gleichzeitig blieb die französische CNT innerhalb der Gewerkschaftsbewegung extrem minoritär. Das änderte sich erst kurz vor und während den Dezemberstreiks von 1995, als Jugendliche die Reihen neu auffrischten. Bei jüngsten Kämpfen, etwa dem Streik der Putzkolonnen für die Pariser Métro oder dem der Angestellten des Mediengiganten Fnac im Frühjahr 2002, hatte die CNT sogar einigen Einfluss. Seit 2000 gelingen der CNT auch eindrucksvolle eigenständige Demonstrationen zum Pariser 1. Mai. Sie war einer der Pfeiler der europäischen Märsche der Arbeitslosen und beteiligte sich an den Besetzungen der Arbeitsämter in Arras, Lyon und Béthune 1997-99. Heute hat die CNT ca. 4000 Mitglieder, in drei Branchen gibt es Föderationen der jeweiligen Gewerkschaftsgruppen: bei Post/Telecom, im Erziehungswesen und im sozialen Gesundheitswesen.

Trotzdem musste die CNT den eigentlichen Zulauf zum revolutionären Syndikalismus während und nach 1995 anderen Gewerkschaften überlassen, weil sie sich immer wieder selbst im Weg stand: sie kann sich letztlich nicht entscheiden zwischen eigenständiger, strikt syndikalistischer Orientierung und dem Zugehen auf die Bewegung für eine andere Globalisierung; sie hat eine lange Tradition rigider Befürwortung revolutionärer Gewaltanwendung, die erst in jüngster Zeit in den Spalten ihrer Theoriezeitschrift Les Temps maudits mit einigen Artikeln gewaltfrei-anarchistischer Tendenz etwas aufgeweicht wurde; und sie hat sich in jüngster Zeit mehrfach gespalten, einmal 1993 und noch einmal im Dezember 1998, als die Präsentation von Kandidaten bei Betriebsratswahlen erlaubt wurde, nachdem eine Beteiligung bisher immer verweigert wurde und diese Verweigerung als Ausweis revolutionärer Politik galt.

So waren es die neuen Gewerkschaften der SUD (Solidaires, unitaires, démocratiques), die den Rahm der neuen Streikbewegungen in den 90er Jahren abschöpften. Bei SUD machen heute viele Libertäre mit und im Rahmen der Koordination „G-10-Solidaires“ zählen sie zu den treibenden Kräften der Radikalisierung bei den gegenwärtigen Streiks.

SUD geht auf eine Pariser Streikbewegung von 1988 bei der Post zurück, als sich die CFDT-Führung gegen Blockaden der Sortierzentren der Post aussprach. Aus dem Frust über die Distanzierung der Zentrale vom beginnenden Widerstand gegen die Privatisierung bei Post und Telecom konstituierte sich die Föderation SUD-PTT (Poste, Telecom, Télévision) 1989 eigenständig. Sie nahm die Betonung der direkten Aktion, des Widerstands gegen die bürokratisierten Gewerkschaften und damit die Tradition des revolutionären Syndikalismus wieder auf. Im Grunde gibt es überhaupt keine Dachorganisation bei SUD, die Zahl der bezahlten Mitarbeiter wurde drastisch reduziert. SUD bezieht sich auf eine Ende der 80er Jahre entstandene Tradition der „Koordinationen“, bei denen alle Entscheidungen jeden Tag neu von den betroffenen Vollversammlungen getroffen werden (Assemblées Générales). Das sind basisnahe Ad-hoc-Strukturen, die vor allem nicht gewerkschaftlich Organisierten die Möglichkeit geben, unmittelbar bei Streikaktionen mitzumachen. Auch bei den heutigen Streiks sind sie prägend: die Taktik des „Grève reconductible“ (wieder aufnehmbarer Streik) basiert darauf, dass jeden Tag eine Vollversammlung darüber entscheidet, ob am nächsten Tag bzw. wann wieder gestreikt wird.

Damit schwamm SUD schon während der Dezemberstreiks 1995 wie ein Fisch im Wasser. 1996 stieß das zweite Standbein von SUD, SUD-Rail (umfasst Angestellte der Eisenbahn), ebenfalls eine CFDT-Abspaltung gegen den dortigen Kurs der „Rezentrierung“, dazu. Ebenso nährte sich SUD von weiteren CFDT- und CGT-Abspaltungen, gleichzeitig kamen viele Jugendliche aus den Dezemberstreiks 1995 hinzu. Zwischen 1987 und 1995 erschien die Zeitschrift Collectif, die den Aufruf von Pierre Bourdieu zur Unterstützung der Streiks von 1995 lancierte. Die Zeitschrift hatte sich SUD schnell angenähert und brachte SUD ein intellektuelles Profil, von ihr ging die Kampagne für die Arbeitslosen AC! (Agir ensemble contre le chômage) aus. Seither hat sich SUD an allen Mobilisierungen der Bewegung für eine andere Globalisierung beteiligt.

Fast alle SUD-Syndikate haben sich heute dem Dachverband „G-10 Solidaires“ angeschlossen. Der Dachverband geht auf die autonomen Gewerkschaften zurück, die sich 1947 weder der CGT noch der FO anschließen wollten. Aus dieser Tradition verbanden sich 1981 10 Föderationen auf lockere Weise, orientierten sich zunächst aber am Wahlsieg der Linksparteien 1981. Sie waren dann zunehmend enttäuscht und machten eine inhaltliche Kehrtwendung, als 1992 die SUD-PTT beitrat. 1993 verließen die reformistischen Syndikate der Transportarbeiter und der Agrarindustrie sowie die Angestelltenföderation die G-10 und gründeten 1993 die reformorientierte Unsa (Union nationale des syndicats autonomes). Dafür radikalisierte sich die G-10, gab sich 1994 ein Statut und ein Sekretariat. Heute umfasst sie ca. 30 Föderationen, meist SUD, und ca. 70.000 Mitglieder. Die Autonomie der Einzelgewerkschaften wird respektiert und wenn überhaupt Entscheidungen im Dachverband getroffen werden, dann nur im Konsens mit allen Mitgliedern.

Anmerkungen

Alle Informationen zu diesem Artikel stammen aus: Xavier Crettiez / Isabelle Sommier: La France rebelle. Tous les Foyers, Mouvements et Acteurs de la Contestation, Paris 2002, Éditions Michalon, 570 S., vor allem die Kapitel zur Geschichte der Organisationen in der Gewerkschaftsbewegung. Zu den Organisationen der LehrerInnenbewegung siehe den nebenstehenden Artikel in dieser GWR.