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Wir sind am Zug

Den Castor im November stoppen

| Jochen Stay

Gute Ausgangsbedingungen für die Mobilisierung gegen den Castor-Transport nach Gorleben: Schon frühzeitig ist der konkrete Transporttermin bekannt geworden: In der Woche vom 10. bis 14. November 2003 soll der Atommüll ins Wendland rollen. Die bundesweite Auftaktdemonstration wird also am Samstag, den 8. November um 13 Uhr am Marktplatz Dannenberg starten.

Dieser Termin hat auch den Vorteil, dass selbst diejenigen, die zum Europäischen Sozialforum (ESF) nach Paris fahren wollen, vorher einige Tage im Wendland aktiv sein können. Das ESF beginnt erst am 12. November. Also entweder zum Auftaktwochenende ins Wendland und dann nach Paris, oder bis zum Tag X im Wendland bleiben und dann zum Abschlusswochenende mit großer Demo noch zum ESF.

Dass die Reise zum Castor ins Wendland für viele wieder an Attraktivität gewonnen hat, ist vor allem der Besetzungsaktion Anfang September 840 Meter unter der Erde zu verdanken. 13 AktivistInnen harrten elf Stunden unter Tage aus, bis sie von der Polizei geräumt wurden.

Das Kuriose an dieser Aktion: In den Wochen davor gab es eine heftige Diskussion zwischen Polizei und Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Das BfS hatte die fest auf der Bergwerksmauer installierten Wasserwerfer abbauen lassen und die Polizei forderte deren Wiederinbetriebnahme, um das Bergwerksgelände vor Übergriffen von AtomkraftgegnerInnen zu schützen. Die 13 AktivistInnen hatten sich allerdings ganz offiziell als BesucherInnengruppe angemeldet und von den Bergwerks-Betreibern mit Sicherheitsschuhen, Overalls, Helmen, Grubenlampe und Sauerstoffgeräten (für den Notfall) ausgerüstet.

Trotzdem erklärte der niedersächsische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bernhard Witthaut sinngemäß, die Besetzung hätte verhindert werden können, wenn die Wasserwerfer an der Außenmauer des Bergwerks wieder installiert worden wären: „Wir haben vor solchen Aktionen gewarnt. Leider ist nichts geschehen.“

Die AktivistInnen wurden hinterher aus der Anti-Atom-Bewegung für das gute Timing ihrer Aktion gewürdigt, direkt nach der Sommerpause und als Einstieg zur heißen Phase der Castor-Mobilisierung. Dabei war der Termin vom Bergwerk vorgegeben worden.

Trotzdem hat es gepasst. Die Aktion hat gezeigt: Dem wendländischen Widerstand fällt trotz Überwachung, Kriminalisierung und Rekordeinsätzen der Polizei immer wieder etwas Neues ein, um den Atomikern ein Schnippchen zu schlagen.

Castor-Widerstand als Beitrag zur aktuellen Energiedebatte

Doch es gibt noch einen Faktor, der derzeit dazu beiträgt, dass Thema Castor unter politischen aktiven Menschen wieder auf die Agenda zu bringen: Derzeit gibt es in Politik und Medien eine intensive Debatte über die Energieversorgung der Zukunft. Der Kanzler trifft sich regelmäßig mit den Strombossen zu so genannten Energiegipfeln, um darüber zu beraten, wie die in den nächsten 20 Jahren aus Altersgründen abzuschaltenden Kraftwerke (hier geht es nicht in erster Linie um die AKWs) ersetzt werden können.

Gewaltige Investitionen stehen an, und die Entscheidungen darüber werden derzeit vorbereitet.

Teil dieser Debatte ist ein sehr offensives Vorgehen der Atomlobby. Vom Kanzler-Intimus und Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt über die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bis zum Boss des Atomstromkonzerns Vattenfall (Ex-HEW) Klaus Rauscher reicht die illustre Schar derjenigen, die sich in den letzten Wochen für eine Zukunft mit Atomkraft ausgesprochen haben.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es geht bei dieser Debatte nicht um die bereits bestehenden AKWs, denn deren Betrieb ist ja durch den Atomkonsens zwischen rot-grün und den Konzernen bereits abgedeckt. Thema sind Neubauten, die irgendwann alte Kohlekraftwerke und Schrottreaktoren ersetzen sollen.

So gesehen kann der Widerstand gegen den Castor zu einem bedeutenden Diskussionsbeitrag der Anti-Atom-Bewegung in dieser aktuellen Energiedebatte werden. Denn eines ist klar: Es geht zwar um Pläne für einen noch lang entfernten Zeitpunkt, aber die Entscheidungen fallen in den nächsten Jahren. Umso wichtiger ist es, bereits jetzt klar und öffentlich Position zu beziehen. Und was eignet sich dazu besser, als ein Castor-Transport, der der Öffentlichkeit noch einmal deutlich vor Augen führt, dass weder für den bisher erzeugten Atommüll, noch für den in den Alt-AKWs in den nächsten 20 Jahren zu produzierenden Atommüll und schon gar nicht für die strahlenden Hinterlassenschaften zusätzlicher Reaktoren eine verantwortbare Entsorgung existiert.

Was ist geplant?

Viele Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen bereiten sich derzeit auf den Protest und Widerstand gegen den Castor-Transport nach Gorleben vor. Ideen werden geboren und ihre Umsetzung in Angriff genommen. Vieles ist derzeit noch nicht völlig durchorganisiert, aber um einen Überblick zum derzeitigen Planungsstand zu geben, hier eine unvollständige Aufzählung bisheriger Castor-Widerstands-Pläne.

Aktuelle Infos unter www.castor.de oder www.x1000malquer.de

Xmaschen: Immer wenn im September und Oktober ein Castor-Transport aus norddeutschen AKWs zu den WAAs in Frankreich oder Großbritannien rollt, treffen sich viele Menschen zu einer Mahnwache (und vielleicht mehr) in Maschen. Der Zusammenhang zwischen den Transporten ins Ausland und den Transporten nach Gorleben soll hier noch einmal demonstrativ deutlich gemacht werden. Infos unter 0160-91861925.

Castorelle Landpartie: Eine Idee, die noch mit Leben gefüllt werden muss: In den Wochen vor dem Transport wird in Sälen, Scheunen und unter freiem Himmel entlang der Strecke mit Kunst und Kultur Stellung bezogen: Musik, Theater, Landschaftskunst, was auch immer. Wer Ideen dazu hat, melde sich bei der BI, Tel.: 05841-4684.

„Schönes Wochenende“ am 25.10.: Bundesweit auf den Strecken der Bahn fahren überall kleine Gruppen von AtomkraftgegerInnen und weisen in den Zügen auf den bevorstehenden Castor-Transport hin. Infos auf www.wirsindamzug.de

Schmuck: Es ist wieder an der Zeit, überall im Land sichtbar zu machen, was wir von Castor und Konsorten halten: mit großen und kleinen Xen, mit Plakaten, Transparenten und was Euch alles einfällt.

Eine große SchülerInnendemo wird es am Freitag, den 7. November im Wendland geben. Auch darüber hinaus planen die SchülerInnen Aktionen, auch mit bundesweiter Beteiligung.

Scheunen und Häuser sollen der Unterbringung auswärtiger DemonstrantInnen dienen. Ein größeres Camp ist bisher nicht vorgesehen, weil sich die private Unterbringung in den letzten Jahren bewährt hat. Unterkünfte wird es entlang der ganzen Strecke zwischen Lüneburg und Gorleben geben. Schwerpunkte dabei sind Lüneburg, Göhrde, Hitzacker, Dannenberg und die Dörfer an der Straßenstrecke.

Lüneburg wird wie im letzten Jahr ein Aktionsschwerpunkt sein. Mit einer Demonstration am Montag, 10.11. beginnt dort die heiße Phase des Widerstandes, danach wird es stetig und überall im Stadtgebiet und auch an den Hauptstrecken bis zum Tag X Aktionen geben. Infos auf www.ligatomanlagen.de

Region aktiv nennt sich wieder das Konzept im Bereich Göhrde/Metzingen. Dort arbeiten Gruppen von außerhalb mit dem widerständigen Potential in der Region zusammen.

Eine große festliche Blockade mit Ankettaktion unter dem Motto „Festgesetzt“ planen Leute aus dem Umfeld von X-tausendmal quer auf der Schiene zwischen Lüneburg und Dannenberg.

Diese Aktion ist für alle offen, damit es möglichst viele werden. Allerdings sollen alle, die mitmachen wollen, sich in den Tagen vor Tag X gemeinsam vorbereiten, denn so eine Aktion ist ja kein Pappenstiel. Die konkrete Vorbereitung beginnt direkt nach der Auftaktkundgebung. Quartiere für die Leute, die bei „Festgesetzt“ mitmachen wollen, wird es in Hitzacker geben. Nächstes offenes Planungstreffen: 2.-5. Oktober im Wendland. Mehr Infos auf www.x1000malquer.de

WiderSetzen plant eine große Blockadeaktion mit möglichst vielen Menschen aus Nah und Fern auf der Castor-Straßenstrecke. Diese Aktion ist u.a. etwas für diejenigen, die bisher bei den großen Blockadeaktionen von X-tausendmal quer dabei waren und die nicht bei „Festgesetzt“ mitmachen wollen. Infos auf www.widersetzen.de

Das sind noch längst nicht alle Pläne. So wird es wieder Anlaufpunkte und Infopunkte geben.

Wahrscheinlich findet auch wieder jeden Abend eine große Kundgebung im Wendland statt. Die Bäuerliche Notgemeinschaft denkt sich bestimmt auch noch was Schönes aus. Auch die Castor-Webcam wird es möglicherweise wieder geben. Und vieles entsteht spontan wie immer.

Wichtig zu wissen: Jede/r findet in den Tagen zwischen Auftaktdemo und Tag X eigene Möglichkeiten des Widerstandes. Von der angemeldeten Mahnwache über Gottesdienste, Kundgebungen, Eltern-Kind-Aktionen bis zu Aktionen auf der Castor-Strecke ist für alle was dabei.