Die malerischen Karmel-Berge erheben sich südlich von Haifa nur wenige Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Doch nicht der schöne Ausblick veranlasst regelmäßig Friedensaktivisten, bei Atlit die steilen Hänge dieser Berge hinauf zu steigen, sondern die Möglichkeit, in das Gefängnis Sechs zu blicken und den dort inhaftierten Kriegsdienstverweigerern zu zuwinken.
So auch in den Mittagsstunden des 10. Januar, als sich hier mehrere hundert Israelis versammelten, um ihre Solidarität mit fünf Kriegsdienstverweigerern zu bekunden, die einem ungewöhnlich harten Vorgehen des Militärs ausgesetzt sind.
Noam Bahat, Matan Kaminer, Adam Maor, Hagai Matar und Shimri Tsameret – inzwischen bekannt als „Die Fünf“ – haben am 7. Januar eine zwölfmonatige Haftstrafe antreten müssen. Nach einer Verurteilung am 16. Dezember hatte ein Militärgericht am 4. Januar dieses Strafmaß festgelegt.
Adam Maor sagte dazu: „Die Armee hat Angst vor unseren Idealen. Ideale von Frieden und Freiheit sind eine Bedrohung für Generäle“.
Doch ihre Geschichte fing früher an. Bereits im Herbst 2002 wurden sie nacheinander eingezogen und verweigerten die Aufnahme in die Armee. Sie gehörten zu den Initiatoren eines Briefes von inzwischen über 300 Oberstufenschülern, die ihre Verweigerung bereits im Vorfeld ankündigten. Teil einer Armee zu sein, die nicht der Verteidigung des Staates Israel, sondern der Unterdrückung eines anderen Volkes dient, konnten alle Fünf mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Um dieses Anliegen auch in die Öffentlichkeit zu tragen, nahmen sie auch eine Bestrafung in Kauf, statt auf einfachere Weise dem Wehrdienst zu entkommen. Die Armee hatte sich in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen mit mehreren mehrwöchigen Haftstrafen begnügt und die Verweigerer nach 80 bis 100 Hafttagen für „unbrauchbar“ erklärt und entlassen. Da sich jedoch im Laufe der Intifada eine Zunahme der Dienstverweigerung abzeichnete, entschied sich die Armee für ein härteres Vorgehen. Offensichtlich sollten Nachahmer abgeschreckt und der Wille der Verweigerer gebrochen werden. Als die Armee Hagai Matar am 26. Februar 2003 vor einem Militärgericht wegen Befehlsverweigerung anklagte, hatte er bereits 126 Tage in Haft verbracht. Die vier anderen Verweigerer wurden während des folgenden Monats angeklagt und die fünf Verfahren zusammengelegt. Aus dem Gefängnis kamen sie nun in „Arrest“ auf einer Militärbasis, womit sich ihre Situation zumindest etwas verbesserte.
Eröffnet wurde das Gerichtsverfahren am 16. April mit den Eingangsstatements von Anklage und Verteidigung. Dov Chenin, Anwalt der Fünf, bezweifelte die Zuständigkeit eines Militärgerichts, da seine Mandanten sich doch geweigert hatten, Soldaten zu werden. Auch betonte er die Verpflichtungen aus Internationalen Konventionen.
In einem kleinen Gerichtssaal in Yaffo drängten sich in den folgenden Monaten immer wieder die Familien und Freunde auf die begrenzten Sitzplätze, um die Verhandlungen zu verfolgen.
Von den drei Richtern war nur der Vorsitzende studierter Jurist, die anderen beiden waren Offiziere, die sich während der Verhandlungen auch nur selten einschalteten. Bis zum Urteil im Dezember gab es sieben weitere Sitzungen. Diese bestanden vor allem aus den Aussagen der Verweigerer und aus der Befragung durch den Staatsanwalt Kostelitz, gefolgt von den Plädoyers. In ihren Aussagen übten die Fünf scharfe Kritik an der Besatzungspolitik der israelischen Regierung, erklärten auch, was sie unter „Gewissen“ verstünden und wie sie zu ihrer Verweigerung gekommen waren.
Bei der Urteilsverkündung wurde in langen Ausführungen herausgearbeitet, dass die Einstellung der Fünf nicht akzeptabel wäre. Sie hätten zwar „eine moralische und ideologische Abneigung, in einer Armee zu dienen, die ihrer Meinung nach unmoralisch handele“. Dominierende Motivation sei jedoch der Wille, eine politische Aussage zu machen und die öffentliche Meinung sowie die Politik zu beeinflussen.
Während Kostelitz daraufhin eine hohe Strafe forderte, um die Fünf doch noch zum Einlenken zu bewegen, zählte Chenin einige andere Urteile auf: Soldaten und Offiziere, die für den Tod oder die Misshandlung von palästinensischen Zivilisten verantwortlich waren, wurden in der Vergangenheit mit Haftstrafen unter 3 Monaten belegt.
„Aus der Analyse der Aussagen der Angeklagten sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass ihre Handlungen vornehmlich durch den Wunsch motiviert waren, den Widerstand gegen die Regierungspolitik in den Gebieten zu verstärken und andere dazu zu bringen in ihre Fußstapfen zu treten“. Schon mit diesen ersten Worten stellte das Gericht nochmals klar, dass es die Verweigerung der Fünf nicht als Gewissensentscheidung, sondern als rein politischen Akt sieht. Die Armee dürfe für so etwas nicht missbraucht werden. Sie hätten versucht, die Legitimität der Handlungen des Staates zu unterwandern. Eine harte Strafe sei zur Abschreckung von Nachahmern nötig. Ihr Glaube, einen gerechten Zweck zu verfolgen, sei mit ihrer Jugend und Unerfahrenheit zu begründen, was als mildernd bewertet wurde.
Als Kompromiss zwischen den Positionen der Richter habe man sich auf die Haftstrafen von zwölf Monaten, zusätzlich zur bisherigen Haftzeit, geeinigt.
Haggai Matar kommentierte dies: „Auch wenn uns gesagt worden wäre, dass wir nach Hause gehen könnten, wäre ich nicht wirklich froh darüber. Wir haben dies alles nicht für unser persönliches Wohlergehen begonnen, sondern um die Besatzung zu bekämpfen, die die israelische wie palästinensische Gesellschaft zerstört. Wir werden dafür bestraft, es ausgesprochen zu haben: Wir verweigern nicht nur die Teilnahme am Übel, wir wollen es beenden. Im Urteil wird gesagt, dass wir die Legitimität der Handlungen der Regierung und der Armee untergraben. Das ist vollkommen richtig, und das ist es, was wir weiterhin tun wollen.“
Parallel zum Gerichtsprozess gegen die Fünf lief vor dem selben Richter ein Verfahren gegen Yonathan Ben-Artzi, dessen Pazifismus von der Armee nicht anerkannt wurde. Mitte November wurde zwar auch er wegen Befehlsverweigerung verurteilt. Der Richter stellte jedoch klar, dass er Yoni als Pazifisten anerkenne (vgl. GWR 285). Er empfahl der militärischen Gewissenskommission, die theoretisch eine Freistellung vom Militärdienst veranlassen könnte, eine erneute Bewertung des Falls. Nach langem Zögern entschied die Armee Anfang Januar, diesen Vorschlag anzunehmen. So konnte Yoni am 8. Januar, in direkter Folge auf den Haftbeginn der Fünf, nach genau 14 Haftmonaten als vorläufig freier Mann mit der Hoffnung auf baldige Klärung seines Status nach Hause gehen. Die Festlegung seines Strafmaßes soll nach der Entscheidung der Gewissenskommission stattfinden.
Immerhin hat die Armee definitiv erklärt, sie werde „wahre“ Pazifisten vom Wehrdienst befreien. Mit der klaren Aussage des Richters in Yonis Fall ist zu hoffen, dass die Gewissenskommission in Zukunft zumindest für Pazifisten nicht nur eine Alibi-Veranstaltung der Armee ist.
Verstärkung erhielt die Verweigerungsbewegung im Dezember, als 13 Soldaten einer Eliteeinheit erklärten, sie wären fortan nicht mehr bereit, sich an Einsätzen in den Besetzten Gebieten zu beteiligen. Wie schon eine ähnliche Erklärung von Piloten der israelischen Luftwaffe traf dies auf ein starkes Medieninteresse und zog scharfe Kritik aus Teilen der Politik und Gesellschaft nach sich.
Damit ist die selektive Verweigerung jedoch kein linkes Phänomen mehr, sondern ein Stückchen näher in die Mitte der Gesellschaft gerückt.