In einer Petition hatte das "Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.", welches seit mehreren Jahren die Demonstrationen und Repressionen während der Castor-Transporte beobachtet, die wiederholten Eingriffe in die Grundrechte der BürgerInnen durch die Polizei angeprangert und gefordert, dass diese Rechte in Zukunft gewahrt werden sollten.
Das „Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.“ hatte in einer Petition an den niedersächsischen Landtag vom September 2003 (1) das wiederholte Außer-Kraft-Setzen der Grundrechte, wie z.B. des Versammlungsrechtes, während der Castor-Transporte beklagt. Seit 1995 waren BeobachterInnen des Komitees bei jedem Castor-Transport dabei, um die damit verbundenen Proteste zu beobachten, sowohl das Verhalten der Demonstrantinnen und Demonstranten, als auch den Einsatz der Polizei.
In der Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport (2) zu genannter Petition heißt es: „Einsatzlinie der Polizei war es, die ungehinderte Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu ermöglichen, Gefahren abzuwehren, Straftaten zu verhindern und die Wahl der Mittel strikt nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bestimmen.“ Nun möchte man am liebsten fragen, worin denn eine Verhältnismäßigkeit besteht, wenn ganze Dörfer und ihre BewohnerInnen von vornherein kriminalisiert und durch unsinnige Verordnungen der Staatsgewalt drangsaliert werden, wenn alljährlich Demonstrationsverbote mit pauschalen „Belegen“ für angeblich zu erwartende Gewalttätigkeiten verhängt werden. In der Stellungnahme wird weiterhin argumentiert: „… weil es keine praktikablen Kriterien gab, anhand derer etwa zwischen einem normalen Nachbarbesuch oder einer als Nachbarbesuch deklarierten Teilnahme an einer verbotenen Versammlung hätte unterschieden werden können“. Aha, und deshalb darf dann ein ganzer Landstrich gleich als „Verbotskorridor“ deklariert und die Bevölkerung von vorneherein mit Hausarrest belegt werden, weil die Einsatzkräfte nicht in der Lage sind, Unterscheidungen zwischen den angeblichen Randalierern und Gewalttätern und den friedlichen Demonstranten zu treffen.
Das ist ungefähr so, als ob man alle Studierenden festnehmen würde, einfach weil Polizei nicht in der Lage ist, eindeutig zwischen TerroristInnen und normalen StudentInnen zu unterscheiden. Man könnte gleich alle Autos beschlagnahmen, weil jeder der Besitzer ein potenzieller Raser sein kann. Das wären für den Staat ganz ungeahnte Möglichkeiten, die er im Wendland und anderen, von Atommüll und Castor-Transporten belasteten Gegenden vielfältig testet.
Im November 2003 wurden im Wendland ganze Dörfer in Gewahrsam genommen. TeilnehmerInnen am Kulturmarathon, welcher übrigens weit außerhalb jeglicher Verbotskorridore statt fand, wurden eingekesselt und die ganze Nacht lang im Ort festgehalten. AnwohnerInnen zweier Dörfer entlang der Transportstrecke durften eine Nacht lang nicht in ihre Häuser und, falls sie schon drin waren, diese auch nicht verlassen. Hier rechtfertigt also die Unfähigkeit der Staatsgewalt die Einschränkung demokratischer Grundrechte wie das der Versammlungsfreiheit. Der Schutz der Transporte, also der Eigentumsschutz der Betreiberfirma, wird höher bewertet als das Recht eines jeden Bürgers auf die freie Versammlung.
In der Pressemitteilung (3) des Grundrechtekomitees heißt es: „In unserer Petition beklagten wir vor allem den Einsatz von Hunden und Pferden gegen Demonstrierende, wie er im November 2001 in menschenunwürdigem Maß stattgefunden hat. Uns liegen Informationen vor, dass ca. 50 Personen durch Hundebisse verletzt wurden.
Auch dieser Vorwurf wird pauschal abgetan. Entgegen aller Vernunft wird die Behauptung aufgestellt, die Hunde seien von den Demonstrierenden mit Tritten und Schlägen angegriffen worden. Ansonsten sei dies ein zugelassenes Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Der Einsatz sei strikt im ‚Rahmen der gesetzlichen Vorschriften durch besonders ausgebildete Polizeivollzugsbeamte‘ erfolgt. Die Verletzungen haben jedenfalls die Menschen und nicht die Hunde davongetragen.“ Eine interessante Argumentation, da würde man am liebsten die Bilder sehen, wie Castor-GegnerInnen Hunde und Pferde angreifen, um den Transport zu stoppen. Das wahrlich entbehrt jeder Logik. Wenn der Staat schon seine Dienst-Tiere in Gefahr sieht, dann kann wirklich etwas nicht stimmen. Und was hier nicht stimmt, das ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Ein weiteres Beispiel aus der Presseerklärung des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V.: „Im November 2001 gerieten zwei unserer DemonstrationsbeobachterInnen weit außerhalb der Verbotszone mit ca. 80 Personen von morgens 7.20 Uhr bis in die Abendstunden (18.30 Uhr) in Gewahrsam. In der Antwort des Innenministers ist im Zusammenhang mit dieser Situation die Rede von ‚zwei Personen zusammen mit weiteren Personen‘, bei denen eben ‚Erkenntnisse‘ vorlagen, dass es ‚Absprachen‘ gegeben hätte, zu den Gleisen zu gehen, sie ‚zu besetzen und zu beschädigen‘. Das mindeste, was ein einigermaßen auch nur parlamentarisch verantwortliches Ministerium tun müsste, wäre, jedenfalls hinterher, diese ‚Erkenntnisse‘ aufzudecken und sie im Verhältnis zur polizeilichen Maßnahme abzuwägen.“
Aber was das Ministerium, wie auch die Ministerien der anderen Bundesländer, vor allem tut, ist die gründliche Suche nach weiteren Möglichkeiten, nach und nach die Grundrechte weiter einzuschränken, um zukünftige Transporte einfacher durchführen zu können.
„Die in der Petition erhobenen Vorwürfe, das Versammlungsrecht würde radikal ausgehöhlt und missachtet, unverhältnismäßige polizeiliche Gewalt und willkürliches Handeln gegen Bürgerinnen und Bürgern seien ein alltägliches Mittel, entbehren jeder Grundlage. Es handelt sich zugleich um sprachliche Entgleisungen, die einem Komitee für Grundrechte und Demokratie, das sich die objektive Beobachtung zum Ziel gesetzt hat, nicht angemessen sind. Diese Vorwürfe werden entschieden zurückgewiesen.“ (4) Man müsste also für die kommenden Transporte den ganzen Landtag einladen, damit dieser sich selbst ein Bild davon machen kann, wie die Grundrechte beschnitten werden und der Willkür von Polizeibeamten ausgesetzt sind. Vielleicht würden sie dann erkennen, wessen Argumentation hier jeglicher Grundlage entbehrt. Es scheint, als hätten sie den Bezug zur Realität verloren.
(1) Komitee für Grundechte und Demokratie e.V.: Petition an den niedersächsischen Landtag. Köln, 1. September 2003
(2) Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport: Stellungnahme zu der Eingabe 00541/02/15 Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
(3) Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.: Pressemitteilung. Köln, 10. Februar 2004
(4) vgl.: Fußnote 2