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Der 50. Geburtstag in der Todeszelle

| Annette Schiffmann

"Niemand auf der Welt hat solche Gerichtsverhandlungen wie die Amerikaner. Wir haben sie zu einer Kunstform erhoben. Sie sind ein ebenso grundlegender Bestandteil unserer Kultur wie Jazz oder Rock' n' Roll."

So zitierte die New York Times vom 14. Dezember 2003 den Rechtsprofessor Paul Butler von der George Washington Universität.

Ja, das mag wohl sein. Wir kennen sie, die Court-Thriller von John-Grisham, Tom Cruise und Demie Moore in „Eine Frage der Ehre“. In Hollywoood-Produktionen siegt nach haarsträubender Suspense unweigerlich die Gerechtigkeit. Und sie sind gut gemacht, diese Filme – eine echte Kunstform. Im echten Leben ist es mit der Kunst so eine Sache. Da gibt es Richter wie Judge Rehnquist, der die Hinrichtung von Leonel Herrera mit der Begründung bestätigte: „Die erwiesene Unschuld eines Verurteilten ist kein hinreichender Grund, ihn nicht hinzurichten, wenn er ein rechtmäßiges Verfahren gehabt hat.“ (Herrera vs. Collins, US 360, 1994).

Das Herrera-Urteil ist Mumia Abu-Jamal von Bundesrichter Yohn um die Ohren gehauen worden, um damit die Ablehnung zu untermauern, den Auftragskiller Arnold Beverly anzuhören, der den Mord gestanden hat, für den Mumia sitzt.

Im echten Leben gibt es Menschen wie Kevin Cooper in Kalifornien, der seit 20 Jahren in der Todeszelle um die Beweise für seine Unschuld kämpft und Ende Februar trotz vorliegender DNS-Analyse hingerichtet werden sollte. Die Analyse bewies zweifelsfrei, dass er nicht der Täter gewesen sein konnte, und dennoch ist seine Hinrichtung nur dank eines internationalen Aufschreis in letzter Sekunde ausgesetzt worden. Kevin Cooper ist wie Mumia nur einer von Hunderten, die seit über 20 Jahren im Todestrakt ihr Leben fristen müssen, und einer von den vielen, die seither ihre Unschuld beweisen wollen und nicht dürfen.

Im echten Leben gibt es Richter wie Albert Sabo, der während einer Prozesspause im Gerichtsflur zu einem anderen Richter über den Beschuldigten sagte: „Ich werde ihnen (der Staatsanwaltschaft) helfen, den Nigger zu grillen.“ Die Gerichtsstenografin Terry Maurer-Carter hat diesen Ausspruch bezeugt, und Mumias neuer Anwalt Robert Bryan hat am 8. März 2004 beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten seine Eingabe gemacht, die verlangt, die Zeugin zu hören. Eine Eingabe, die vergangenen Oktober in Pennsylvania abgelehnt wurde.

Seit 23 Jahren sitzt Mumia im Gefängnis, seit beinah ebenso langer Zeit im Todestrakt

Am 24. April hat er Geburtstag – er wird 50 Jahre alt. Da gibt’s nicht viel zu feiern. Oder vielleicht doch. Es sitzt dort einer, der noch immer lachen kann. Es sitzt dort einer, der schreiben kann und gehört wird von vielen, der sich einsetzt und Einfluss hat bei vielen. Der bewirkt hat, dass Leute seit über 20 Jahren mit seinem Beispiel gegen die Todesstrafe kämpfen. Der vielen wichtig ist. So wird es viele Geburtstagsfeiern geben.

An diesem Tag erscheint in den USA Mumias neues Buch We Want Freedom: A Life in the Black Panther Party, aus dem andere Ex-Black-Panther wie Reggie Shell, Kathleen Cleever oder Angela Davis in verschiedenen Städten lesen werden. In Philadelphia werden nach zwei Jahren der kleinen Demonstrationen weniger Unentwegter endlich wieder Tausende erwartet. In San Francisco ruft das Mobilisation Comitee to Free Mumia zu Demo und Veranstaltungen auf und erwartet ebenfalls mehrere tausend Leute.

Hier in Deutschland wird eine Anzeige der „Freunde der Gerechtigkeit“ erscheinen, zu denen aus Heidelberg inzwischen etliche UniversitätsdozentInnen und der Leiter des Deutsch-Amerikanischen Instituts gehören, außerdem Mumias Literatur-Agentin Frances Goldin, der Leiter des San-Francisco-Mobe Jeff Mackler und Noam Chomsky. Öffentliche Aktionen in Heidelberg und Berlin, eine Grußpostkartenaktion und Veranstaltungsreihen durch den ganzen Frühling bis hin zum großen Solidaritäts-Open-Air-Festival im Wendland folgen.

Wir sind nicht überwältigend viele in diesen Monaten, aber wir sind da.

Jeff Mackler besucht sowohl Mumia als auch Kevin Cooper seit vielen Jahren und schrieb uns über die grauenhaften Stunden vor Coopers Hinrichtungstermin im Februar: „Kevin rief mich nachts im Büro an, um sich von mir zu verabschieden. Ich lehnte diese Bitte ab und sagte ihm, so einfach würde er mir nicht davonkommen, denn schließlich hätte er mir versprochen, dass wir uns von Angesicht zu Angesicht auf dem Baseballfeld treffen würden, wo ich zeigen wollte, was ein alter Mann wie ich noch kann. Wir lachten beide, obwohl wir beide wussten, dass er nur noch 24 Stunden zu leben hätte.“

Kevin Cooper lebt noch, aber er ist noch immer im Todestrakt. Er muss dort raus. Er ist unschuldig. Wir fordern seine Freiheit. Wir fordern Mumias Freiheit.

Und wünschen ihm seine nächsten Geburtstage auf dem Baseballfeld.

Oder wo immer er sie lieber verbringen würde.

Kontakt

Freiheit für Mumia Abu-Jamal Heidelberg
anna.schiff@t-online.de

Aktion Geburtstagskarten für Mumia
www.freedom-now.de
www.mumia.de

Thoughtsandmusic-Project for Mumia in Heidelberg
25. April 2004, Romanischer Keller Heidelberg
anna.schiff@t-online.de

Open-Air für Mumia
12. Juni 2004
Schwarzer Hahn, Wendland
www.schwarzer-hahn.de