transnationales / antimilitarismus

Die fehlende Motivation

Israel. Der Kriegsdienstverweigerer Yonathan Ben-Artzi ist frei

| Jonas Lähnemann

Mit einem Fax kam die Nachricht. An den "Gefreiten Yonathan Ben-Artzi". Aufgrund "allgemeiner Untauglichkeit", die auf "einer fehlenden Motivation zu dienen" beruhe, werde er vom "Verteidigungsdienst" befreit. Unterschrieben von Brigadegeneral Avi Zamir.

Nach einer vierjährigen Auseinandersetzung und siebzehn Monaten Inhaftierung im Militärgefängnis und Arrest bekam Yoni im Februar diese Nachricht. Einerseits hat damit die israelische Armee von ihm abgelassen. Andererseits hat sie ihm die Anerkennung als Pazifist verweigert, für die er in den letzten vier Jahren gekämpft hat und siebzehn Monate im Militärgefängnis und Arrest verbracht hat. Die Armee hat ihn während der Haftzeit als „Gefreiten“ geführt, obwohl er sich der Einberufung verweigert hat.

Ende Dezember war Yoni von einem Militärgericht wegen Befehlsverweigerung verurteilt worden, doch gleichzeitig betonte der gleiche Richter ausdrücklich, dass er Yoni als Pazifisten ansieht (vgl. GWR 286). Deswegen empfahl er der militärischen Gewissenskommission eine erneute Bewertung des Falles. Diese ließ sich zwei Monate Zeit bis zu ihrer Entscheidung und urteilte dann, Yoni sei nicht bereit der Gesellschaft zu dienen (er hatte immer wieder betont zu einem Zivildienst unabhängig von der Armee bereit zu sein) und empfahl deswegen ihn wegen Untauglichkeit zu entlassen – wenige Tage später folgte das oben erwähnte Fax. Die eindeutige Aussage des Richters, der über Monate diverse Zeugen vernommen hatte, wurde in der einstündigen Sitzung offenbar ignoriert. Im Protokoll waren Yonis Aussagen nur in Teilen wiedergegeben.

Am 23. März (nach Redaktionsschluss dieser GWR) erwartet ihn nun noch die Festlegung des Strafmaßes vor dem Militärgericht. Dabei ist zu hoffen und nach der Urteilsbegründung zu erwarten, dass seine bisherige Haftzeit angerechnet und ausreichen wird.

Nun überlegt Yoni ob er ein weiteres Mal vor das Oberste Gericht Israels zieht (drei Beschwerden seinerseits wurden bereits abgewiesen) um nochmals den Status als Pazifisten einzufordern. Doch er sieht es bereits als Erfolg die Armee in die Enge gedrängt zu haben, zu einem Punkt wo sie nicht weiter wussten als absurde Begründungen für die Entlassung zu geben, denn motiviert ist Yoni definitiv – nur nicht zu dem was die Armee will. Außerdem hat er für sich viel gelernt und das letzte Vertrauen in die israelischen Institutionen verloren. In mehreren anderen Verweigerern hat er gute Freunde gefunden.

Fünf dieser Freunde, Hagai Matar, Noam Bahat, Adam Maor, Matan Kaminer und Shimri Tsameret, haben erst im Januar ein weiteres Jahr in Haft angetreten – nachdem sie bereits über ein Jahr inhaftiert waren (vgl. GWR 286). Sie weigern sich aus politischen Gründen in einer Besatzungsarmee zu dienen. Derselbe Militärrichter, der Yoni den Pazifismus anerkannte, hat ihre Motive in einem niederschmetternden Urteil abgelehnt. Sie wollten ein politisches Signal setzen und anderen ein Vorbild sein, wofür sie in ihre Schranken gewiesen werden müssten.

Inzwischen wurden sie aus dem Militärgefängnis in zwei zivile Haftanstalten verlegt, nachdem man ihnen vorgeworfen hatte, die Ordnung und Disziplin im Militärgefängnis zu stören. Dies wurde in einer Berufungsverhandlung entschieden, in der ihr eigener Einspruch gegen die Haftstrafe abgelehnt wurde. Die Verlegung wurde mit Zeugen begründet, zu deren Aussage jedoch sowohl die Fünf, als auch ihre Verteidiger und alle Besucher den Verhandlungssaal verlassen mussten.

Gleichzeitig gab es ein weiteres Novum in Israel. Inzwischen drei Frauen, Inbal Gilbart, Laura Milo und Veronica Kravtzov, haben eine oder mehrere Haftzeiten hinter sich und ihre Verweigerungen wurden bisher nicht akzeptiert. Hatten die Gewissenskommissionen bisher 97 Prozent der Frauen anerkannt während sie 97 Prozent der Männer ablehnten, so hat sich dies inzwischen offensichtlich geändert. Die Drei hatten explizit nicht als Pazifistinnen, sondern aus politischen Gründen verweigert.

Die neunzehnjährige Laura formulierte dies folgendermaßen: „Ich kann an den Ungerechtigkeiten, die unser Staat durch die IDF (Israelische Verteidigungsarmee) ausführt, nicht teilnehmen. Ich bin keine Pazifistin, meine Verweigerung ist durch die Besatzung ausgelöst … Ich bin mit einem Pioniergeist nach Yeruham (Stadt in der Laura einen einjährigen Sozialdienst geleistet hat) gegangen, mit dem Ziel ein neues Modell von ehrenamtlicher Arbeit zu schaffen. Ich habe an mir selbst und durch die von mir Betreuten die Hässlichkeit unserer Gesellschaft und die Ungerechtigkeiten, die die Politik unserer Regierung formen, gefühlt … Ich verweigere aus einem sehr persönlichen Grund, um mit ruhigem Gewissen weiter in diesem Land leben zu können.“

Statt endlich auch für Männer die Freiheit des Gewissens zuzulassen wird diese von der israelischen Armee jetzt auch für Frauen eingeschränkt. Gleichzeitig legt sie es damit auf eine Auseinandersetzung mit einer weiteren Gruppe von Verweigererinnen an, denn viel mehr Frauen nutzten bisher die Möglichkeit der Verweigerung über eine Gewissenskommission, als es Männer erfolglos versuchten.