Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Zeitungen stecken in der Krise. Sinkende Anzeigenerlöse und die Konkurrenz im Internet lassen immer mehr Zeitungsverlage in die roten Zahlen rutschen.
Diese Entwicklung macht auch vor der graswurzelrevolution nicht halt: Insbesondere die zunehmende Zurückhaltung der Werbewirtschaft beim Kauf bezahlter Anzeigen macht dieser Zeitung mehr und mehr zu schaffen. Kein Wunder: Schließlich wurde in der Vergangenheit der Löwenanteil des Umsatzes bei der „graswurzel“ – wie treue Leser das Periodikum fast zärtlich nennen – durch Werbeeinnahmen gedeckt. Allein die regelmäßig geschalteten ganzseitigen Anzeigen der Medienkonzerne „direkte aktion“ und „analyse und kritik“ spülten noch im Jahr 2002 mehrere Millionen Euro in die Kassen des gewaltfrei-libertären Blattes. Doch das ist Geschichte.
Fakt ist: Die graswurzelrevolution steckt in akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Nachdem auch eine Landesbürgschaft durch den Freistaat Bayern (wir berichteten) nicht die erhoffte Konsolidierung brachte, sieht der HerausgeberInnenkreis als bisher alleiniger Gesellschafter jetzt jedoch Licht am Horizont: Die FDP-eigene Medienholding „LiberalePresseGesellschaft (LPG)“ wird aller Voraussicht nach Mitte des Jahres mit einer Mehrheitsbeteiligung bei dem traditionsreichen Bewegungsblatt einsteigen. „Wir hoffen damit die wirtschaftliche Zukunft der graswurzelrevolution dauerhaft auf ein solides Fundament stellen zu können“, so der HerausgeberInnenkreis in einer Stellungnahme.
Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Berichterstattung bestehen bei keinem der Beteiligten: „Wir akzeptieren die Präambel der graswurzel (für eine gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft, d. Red.) voll und ganz“, betont ein FDP-Sprecher in einer Pressemitteilung. „Wir Liberale waren immer gegen Gewalt – deshalb haben wir uns, wenn wir an der Regierung sind, auch immer für mehr Polizei eingesetzt, um Gewalt im Keim zu ersticken.“ Auch die Herrschaft des Staates habe die FDP stets kritisch gesehen: „Der Markt kann die Gesellschaft wesentlich besser steuern als der Staat. Wir brauchen mehr Freiheit und weniger Gängelung!“
Auch graswurzel-Chefredakteur Dr. Bernd Drücke sieht keine Probleme in der Übernahme: „Liberal und libertär haben ja schließlich nicht ohne Grund denselben Wortstamm“, doziert der promovierte Soziologe und Hobby-Ethymologe. Allerdings, so fügt Drücke hinzu, müsse auch unter dem neuen Hauptgesellschafter der rigorose Sparkurs weitergehen: „Ob auf Dauer für jeden hauptamtlichen graswurzel-Redakteur ein fünfstelliges Monatsgehalt samt Dienstwagen tragbar ist, wage ich zu bezweifeln.“ Und überhaupt: „Die Redaktion hat mit rund einer bezahlten Stelle einfach zu viele Mitarbeiter.“
Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Leserinnen und Leser der graswurzelrevolution werden von dem Eigentümerwechsel wohl nicht allzuviel mitbekommen. Die kritische und überparteiliche Berichterstattung wird wie gewohnt fortgeführt. Und schmunzelnd bringt Dr. Drücke die Problematik mit dem ihm eigenen Humor auf den Punkt:
„Wenn ich gefragt werde, was ich essen möchte – li(e)ber T(ee)r oder li(e)ber A(a)l – ist doch klar, was ich da wähle – oder?“