In der Zeit vom 16. bis 17. Januar 2004 war in Kapstadt (Südafrika) im Rahmen eines zivilgesellschaftlichen Dialogs eine große Konferenz über Planungen und Entwicklungen im nukleartechnischen Bereich vorgesehen, an denen sich die südafrikanische Regierung beteiligen wollte.
Die südafrikanischen Umweltschützer und die Heinrich-Böll-Stiftung in Südafrika hatten viel Arbeit in die Vorbereitung investiert und setzten Hoffnungen in diese Konferenz. Vier Tage vor Beginn hat die südafrikanische Regierung diese Veranstaltung plötzlich abgesagt. Hunderte von extra für diese Veranstaltung ausgebildeten Township-Aktivistinnen und Aktivisten und mehrere bereits eingeflogene europäische Fachleute haben sich umsonst auf den Weg gemacht. Die Enttäuschung bei den Umweltschützern ist groß.
Als Grund für diese Absage wird vermutet, dass der Atomkonzern Framatome (und damit auch Siemens) in das südafrikanische Atomgeschäft einsteigen will und hier den Kugelhaufenreaktor bauen will. Kurz vor den südafrikanischen Wahlen im April will die Regierung verhindern, dass allzu kritische Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt werden und den möglichen Investor irritieren könnte.
Die Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) – Gesellschaft sucht händeringend nach neuen Investoren, um die bereits abgesprungenen Konzerne Exlelon (USA) und British Nuclear Field Limited (BNFL) zu ersetzen. Südafrikanische Umweltaktivisten haben jetzt aufgedeckt, dass der Energiekonzern Areva Group die neuen HTRs nach Koeberg liefern soll. Diese im Jahre 2001 gegründete französische Holding namens Areva umfasst neben Framatome ANP und Cogema die Framatome-Tochter FCI und den Halbleiterhersteller ST Microelectronics. Zusammen erwirtschaften sie drei Viertel ihres Umsatzes von jährlich zehn Milliarden Euro mit Kerntechnik, wobei sie alle Bereiche vom Uranbergbau über den Reaktorbau bis zur Wiederaufarbeitung von Brennstoffen abdeckt. Areva beschäftigt über 45.000 Personen und befindet sich zu 84 Prozent in Staatsbesitz. Siemens kooperiert seit 1989 mit Framatome und Cogema. In den letzten Jahren haben Siemens und Framatome ihre Atomsparten zusammengelegt. Entsprechend des Geschäftsvolumens halten die Franzosen 66 % und die Deutschen 34 % der Anteile des Gemeinschaftsunternehmens.
Weltweit rückt die Atomwirtschaft enger zusammen und bemüht sich auf internationaler Ebene um neue Aufträge.
So ist es kein Zufall, dass im letzten Jahr ein Sprecher von Areva mit hochrangigen Vertretern des südafrikanischen Energieversorgungsunternehmen ESKOM und der südafrikanischen Industrie- und Handelskammer zusammengekommen ist, um ihnen ein Angebot für den Bau eines Atomkraftwerkes zu unterbreiten. Bei dem letzten Staatsbesuch von Staatspräsident Mbeki bei Chirac in Paris im Oktober letzten Jahres folgten weitere Diskussionen. Mit Anne Lauvergeon sitzt eine hohe Vertreterin von Areva in einem wichtigen Industrieberatungsgremium für den südafrikanischen Staatspräsidenten Mbeki. Offensichtlich um die Kooperationsgespräche mit der Atomindustrie nicht zu gefährden, ist die Atomkonferenz abgesagt worden, obwohl Teile des Parlaments weiterhin für eine Durchführung dieser Konferenz plädierten. Offiziell wurde diese Konferenz nur auf die Zeit nach den Wahlen im April verschoben, um das Ergebnis der neuen Wahl bei der Zusammensetzung der Konferenz mit zu berücksichtigen.
Aber die neue Regierung wird in Südafrika mit Sicherheit die alte sein.
Die „Verschiebung“ der atomkritischen Konferenz wird überschattet von öffentlichen Diskussionen um die Glaubwürdigkeit der Atomindustrie. Den Betreibern des bereits bestehenden Atomkraftwerkes in Koeberg wird die Fälschung von medizinischen Berichten über Leukämiefälle vorgeworfen. Das AKW wurde unter anderem von Framatome gebaut. Kritik kommt auch an den 12 Milliarden Rand auf, die der geplante PBMR dem südafrikanischen Steuerzahler kosten wird. Südafrikanische Umweltschützer planen nun Proteste vor den französischen Botschaften in Kapstadt und Pretoria.