Die Situation ist ungewöhnlich kurios: Ursprünglich hatte die Landesregierung in Düsseldorf bereits grünes Licht für die Castor-Transporte gegeben. Dann nahm der Protest in Ahaus und in Dresden immer stärker zu.
Allein im März 2004 demonstrierten rund 700 Menschen und 75 LandwirtInnen mit Traktoren auf dem traditionellen Sonntagsspaziergang gegen die Castoren. Langsam dämmerte der Landesregierung, was da auf sie zurollt, und sie vollzog eine Kehrtwende. Doch ohne weiteren Widerstand auf der Straße wird der Castor nicht verhindert werden – die Chancen dafür stehen nicht schlecht.
Bis jetzt hat die Landesregierung wenig professionell gehandelt. Bundesumweltminister Jürgen Trittin verkündete im März z.B. einen einwöchigen Stopp im Genehmigungsverfahren. Statt nun massenhaft inhaltliche Argumente gegen die Transporte vorzubringen, versteifte sich die Landesregierung auf die Kostenfrage und forderte Transporte auf der Schiene. Zugleich gab das Innenministerium zu verstehen, dass man „natürlich“ auch Straßentransporte angemessen schützen könne und werde.
Trittin nahm das als eindeutiges Ja zum Transport und schickte prompt die Genehmigung raus. Seitdem ist der grüne Umweltminister aus der Schusslinie raus.
Die Landesregierung zeigte sich völlig überrascht. Sie beauftragte nun die Kanzlei Redeker mit einem Gutachten, wie man gegen die Castor-Genehmigung klagen könne.
Doch auch da gibt es einen Haken: Für die Kanzlei arbeitet in Berlin ein gewisser Gerald Hennenhöfer. Er war bis 1998 ausgerechnet Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, Abt. Reaktorsicherheit! Für die Kanzlei betreibt er die Rechtsvertretung von Siemens und versucht, die Klage der Bürgerinitiative Garching gegen den neuen Forschungsreaktor FRM 2 abzuwehren. Und nun soll diese Kanzlei die Castor-Genehmigung für die Dresden-Ahaus-Transporte zu Fall bringen.
Aber die Landesregierung geht vor Gericht. Wir werden den Ausgang gespannt beobachten. Einerseits kann schon in zwei Wochen Schluss mit lustig sein, falls das Verwaltungsgericht Braunschweig die Klage abschmettert, andererseits kann sich eine echte Verzögerung ergeben. Und genau das scheint das Kalkül der Landesregierung zu sein. Denn mit den eigentlichen Sicherheitsfragen beschäftigt sie sich nicht.
Hier nur eine kleine Zusammenstellung der Sicherheitsprobleme bei Transport, Behälter und Atomlager: Der Behälter MTR 2 selbst wurde ursprünglich nur für 15 Jahre genehmigt, nun aber schnell auf 40 Jahre nachgenehmigt. Auch das Atomlager Ahaus (Beton-/Wellblech-Leichtbau) wurde im selben Atemzug als sicher gegen Flugzeugabstürze definiert, was bisher wirklich niemand behauptet hat. Motto: Wir machen uns die Genehmigungs-Welt, wie sie uns gefällt…
Für den Straßentransport über 600 km Autobahn gibt es nur ein Paar Stoßdämpfer, d.h. es wird 18 (!) Einzeltransporte geben. Die Transportfirma NCS (Nuclear Cargo Service) behauptet nun, Schienentransporte kämen nicht in Frage, weil es dabei zu große „Erschütterungen“ gäbe, die jenseits der erlaubten Grenzwerte lägen. Also darf der „Baby-Castor“ MTR 2 (Zitat Welt am Sonntag) nicht viel wackeln, schnelles Bremsen ist auch nicht und schaukeln schon gar nicht. Frage: Seit wann sind auf der Autobahn abruptes Bremsen und Anfahren auszuschließen? Wie weiträumig muss die Autobahn eigentlich abgesperrt sein, um ein „ruhiges“ Fahrtempo zu ermöglichen?
Angesichts der Probleme mit den Stoßdämpfern rufen die Anti-Atom-Initiativen im Münsterland dazu auf, sowohl die Hin- wie auch die Rückfahrt des LKWs zu behindern. Es lohne sich in jedem Fall, am Tag X auch kurzfristig noch nach Ahaus zu kommen, da auch Blockaden des leeren LKWs den nächsten Transport verzögern würden. Bei 18 notwendigen Transporten (insgesamt über 21.000 km Transportweg!) kann so schnell der komplette Fahrplan außer Rand und Band geraten. Das Gleiche gilt auch für Dresden, wo auch die Rückkehr des zurückkehrenden LKW behindert werden kann.
Schon ab dem 27. Mai könnte der erste Transport aus Dresden rollen, denn die sächsische Landesregierung will unbedingt „in die Pötte kommen“ (Zitat).
Vielleicht wird es auch erstmal einen reinen „Probe“-Castor geben, um den Widerstand zu testen. Gerüchte, dass die Transporte erst im August rollen sollen, konnten bis jetzt nicht bestätigt werden.
Ungeachtet aller Terminspekulationen rufen die Initiativen in Dresden und Ahaus zu verstärkten Protesten auf. Es besteht die realistische Chance, diese Transporte zu stoppen, bevor sie auf die Straße gehen. Das wäre ein großer Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung. Sowohl in Dresden wie in Ahaus zeigt sich, dass tatsächlich noch Menschen für Anti-Atom-Proteste zu gewinnen sind. 600 km Transportstrecke bieten reichlich Gelegenheit, gegen die Transporte vorzugehen. Kreativität ist gefragt.
Für die weiteren Proteste stehen zwei Termine im Vordergrund: Vom 29.4.-2.5. findet in Ahaus ein großes Widerstandscamp statt. Das Camp ist ein ideales Forum zum Kennen lernen, Aktionen planen und für spontane Aktivitäten. Am 16. Mai finden in Dresden und Ahaus große Sonntagsspaziergänge statt. Die Anti-Atom-Gruppen wollen mit großer Mobilisierung noch einmal das ganze Spektrum des Widerstandes ansprechen und durch große TeilnehmerInnenzahlen den zu erwartenden Widerstand verdeutlichen. Forderung bleibt ein sofortiger und endgültiger Einlagerungsstopp für das Zwischenlager Ahaus. Das hätte auch für Gorleben immense Auswirkungen.
Wichtig ist zudem, dass sich der Widerstand nicht nur auf diese Castor-Transporte beschränkt. Neue Ansätze gibt es dazu schon (s. Gronau-Artikel in dieser GWR). Eines ist den Anti-Atom-Initiativen klar: „Wir können uns nicht auf Klagen oder Landespolitiker verlassen, wir müssen handeln und das jetzt.“
Weitere Infos
www.wigatom.de
www.bi-ahaus.de
www.nixfaehrtmehr.de
www.graswurzel.net
NEU: Castor-Broschüre. Die WIGA (Widerstand gegen Atomanlagen) hat eine aktuelle Broschüre zu den geplanten Castor-Transporten von Dresden nach Ahaus zusammengestellt. Hintergründe, Erklärungen und eine Dokumentation der bisherigen Proteste geben ein umfassendes Bild von den Ereignissen im Münsterland und in Ahaus. Die Broschüre erscheint aufgrund der großen Nachfrage bereits in 2. aktualisierter und erweiterter Auflage (jetzt 48 S.).
Sie kostet 3 Euro (plus 1,50 Euro Porto) und ist gegen Vorkasse in Briefmarken oder per Überweisung zu beziehen. WiederverkäuferInnen zahlen ab 5 Stück je 2,50 Euro (plus 3 Euro Porto) und ab 10 Stück je 2 Euro (plus 4 Euro Porto). Bestellungen an:
WIGA
c/o Umweltzentrum
Scharnhorststr. 57
48151 Münster