Der fortgesetzte Mauerbau und der Armee-Einsatz in Rafah wecken Interesse an einer Konferenz, die "gewaltlose Kampagnen israelischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten" unterstützen will. Teilnehmer wie Amnon Raz-Krakotzkin und Moshe Zuckermann könnten vielleicht sogar den Überdruss besiegen, den viele schon beim bloßen Gedanken an deutsche Nahost-Debatten verspüren. Verstärkt seit Beginn der zweiten Intifada und im Kontext aufeinander folgender Antisemitismus-Skandale spricht es bei diesem Thema bekanntlich aus deutschen Bäuchen, und in der Linken und den (neuen) sozialen Bewegungen ist die Diskussion durch Verfallen in die binäre Reduktion auf 'Freund oder Feind' erstarrt (I.).
Die der Konferenz zu Grunde liegende „Kölner Erklärung“ unterscheidet sich zwar wohltuend vom alten Anttiimp-Antizionismus der deutschen Palästina-Solidarität, ist aber durch verdächtige Asymmetrien gekennzeichnet (II.). Mag man versucht sein, beim Lesen des Textes wohlwollend über sie hinweg zu sehen, zeigt ein Blick auf einen Teil der Konferenz-Veranstalter, Unterstützer und Podiumsteilnehmer, dass die Konferenz ernsthaft Gefahr läuft, die eine Position der binär-reduktionistischen Konstellation doch zu reproduzieren (III.). Die andere Position, die ihrem Gegenpart an Stupidität in nichts nachsteht, hat bereits Gegenaktivitäten angekündigt (IV.).
I.
Überdruss an deutschen Nahost-Debatten dürften viele verspüren. Nicht zuletzt diejenigen, die den eskalierenden Konflikt nicht simpel nach ‚gut‘ und ‚böse‘ sortieren. Die also nicht
- entweder als lebende Fossile des Antiimperialismus ‚den guten Palästinensern‘ als Opfer (und nur als Opfer) ‚das böse Israel‘ als staatsterroristische Besatzungsmacht und ‚die Zionisten‘ als Rassisten und somit als Täter gegenüberstellen,
- oder in einer neuen Variante des Philosemitismus als „Antideutsche“ ‚das gute Israel‘ im Überlebenskampf gegen ‚die terroristischen Palästinenser‘, verstanden als einheitliches völkisches (und somit antisemitisches) Kollektiv und fester Bestandteil des islamistischen Megaterrors, halluzinieren.
Mit dem, was in Israel und in den besetzten Gebieten geschieht, haben diese Bilder und (Wahn-)Vorstellungen wenig bis gar nichts zu tun. Impulse zur Entspannung der Lage und für Schritte aus der bisweilen ausweglos scheinenden Situation, soweit sie überhaupt aus Deutschland oder Europa kommen können, sind von dieser Debatte, in der zwei gleichermaßen realitätsferne, in der Hauptsache auf Wahrung der eigenen Identität bedachte Positionen ineinander verkrallt und aufeinander angewiesen sind, nicht zu erwarten. Solche Nahost-Debatten, die auf dem stupiden Betriebssystem der binären Reduktion laufen, sind günstigstenfalls nutzlos. Zumeist zeitigen sie fatale Effekte für die politische Kultur, ein Begriff der Politologie, der hier Gefahr läuft, als Euphemismus zu funktionieren: Sie sind Teil der Nährlösung, in der einerseits anti-antisemitisch artikulierter antiislamischer Rassismus, andererseits – bisweilen antirassistisch verpackter – Antisemitismus ‚von links‘ gedeihen (daher ist es sinnvoll, es sich gelegentlich zuzumuten, diese Debatten zu beobachten). „Es gibt keinen Grund, zwischen gutem Rassismus und schlechtem Antisemitismus zu unterscheiden“, schreibt Esther Benbassa, beide „bezeichnen dasselbe Elend“. (1)
Nicht zuletzt führt diese Art Nahost-Debatte dazu, dass innerhalb dessen, was „die Linke“ oder die „(neuen) sozialen Bewegungen“ genannt wird, eine hinreichend gründliche Diskussion des vielfältig, in Deutschland insbesondere historisch (vom Nazismus bis zu den Irrwegen des bewaffneten Kampfes mancher Ausläufer der „Neuen Linken“, nicht zu vergessen den staatlichen Antizionismus der DDR) überdeterminierten Themas kaum stattfindet. Stattdessen werden konfrontativ Glaubensbekenntnisse ausgetauscht. Jede Position verfügt dabei über ‚ihre Juden‘ bzw. ‚ihre Israelis‘, die – ob ihnen dies bewusst ist und ob sie dies wollen oder nicht – wie religiöse Autoritäten (selektiv) zitiert und präsentiert werden.
Auf dem Weg zum Glaubenskrieg ist man in den letzten Monaten einige Schritte voran gekommen. Wer sich dies antun wollte, konnte nach dem Fiasko der Antifa-Demonstration in Hamm am 17. Januar, der Hamburger Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch am 31. Januar und der „antideutschen“ Strafexpedition nach Hamburg am 24. April auf den diversen Geblubber-Seiten der Antiimps und der Antideutschen heroische Darstellungen und Interpretationen aus dem Glaubensstraßenkampf nachlesen. Wer da als erstes wem die Förmchen geklaut und wer als erster dem anderen aufs Maul gegeben hat, ist im Gewimmel der einander widersprechenden Erzählungen kaum zu rekonstruieren. Ob’s überhaupt der Mühe wert ist? Nun ist der nächste „Feldzug“ der „Antideutschen“ angekündigt, sein Ziel ist die Kölner Konferenz.
II.
Die Konferenz-Grundlage, die am 17. Januar 2004 verabschiedete „Kölner Erklärung: Den Mauerbau in Palästina unverzüglich stoppen!“, unterscheidet sich wohltuend von den gewohnten antiimperialistischen Kampftexten der deutschen Palästina-Solidarität. Doch das heißt ja auch nicht sehr viel.
So vermeidet die Erklärung, den Terror auf palästinensischer Seite beim Namen zu nennen und ihn zu verurteilen; stattdessen spricht man bloß von „Gegengewalt“. Auch drückt man sich um die ausdrückliche Forderung nach einem Ende dieses Terrors, während man bezüglich eines Endes der israelischen Besatzung Klartext redet: „Für einen solchen Frieden ist ein Ende der israelischen Besetzung und Besiedlung die unabdingbare Voraussetzung“, heißt es im Aufruf. Der palästinensische Terror ist wohl, wie man das von Orwell kennt, irgendwie ‚gleicher als gleich‘, wenn er kurz zuvor in der Rede von „verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten beider Seiten“ mit den Aktionen der Besatzungstruppen auf eine Ebene gestellt wird.
In resolutionärer Hochstimmung verkündet man mit allergrößter Gewissheit: „Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen“ (Hrvh. v. A.S.). Dass „faire Lösung des Flüchtlingsproblems“ ein arg interpretationsoffener Formelkompromiss ist, der auch für eine palästinensische Maximalforderung stehen kann, sei nur am Rande erwähnt. (2) Grob fahrlässig ist die wie eine Garantie präsentierte Behauptung, ein Ende der Besatzung und die nebulös bleibende „faire Lösung des Flüchtlingsproblems“ würden quasi automatisch „zu einem Ende der Gewalt führen“. Sollten sich die islamistischen palästinensischen Terrorgruppen, die Israel zerschlagen wollen, nicht an die weissagende Direktive aus Köln halten, würde man dafür nicht in Köln, sondern in Tel Aviv oder anderswo in Israel bluten.
Das Vertrackte nach Jahrzehnten der Besatzung und der davon begünstigten (nicht hingegen durch sie verursachten) zunehmenden militanten Islamisierung relevanter Teile der palästinensischen Gesellschaft ist doch, dass sich die so formierten Subjektivitäten und Assoziationen nicht mit einem Mal auflösen, sondern fortzudauern drohen, selbst wenn einige bedeutende Umstände ihrer Entstehung historisch erledigt wären. Ein Ende der Besatzung ist eben keine Garantie für ein Ende des Terrors; sie würde allerdings die Chance (nicht mehr, nicht weniger) eröffnen, den Zulauf zu den terroristischen Gruppen zu verringern und diesen Terror mittelfristig auszutrocknen, effektive, also vor allem unzweideutige Ächtung des Terrors und seine tatsächliche, d.h. unter den gegebenen zivilisatorischen Standards: rechtsstaatlich begrenzte, polizeiliche Bekämpfung vorausgesetzt. Dass die Aktivitäten der Palästinensischen Autonomiebehörde diesbezüglich bisher weit hinter dem Erforderlichen zurück bleiben, lässt sich nicht allein damit entschuldigen, dass die Besatzungstruppen erhebliche Teile ihrer Infrastruktur zerschlagen haben.
III.
Die eine oder der andere mag diese Lektüre der Kölner Erklärung vielleicht für haarspalterisch halten und einwenden, manches, dessen Fehlen in der Erklärung kritisiert wurde, so eine Verurteilung des Terrors, verstehe sich doch von selbst. Schaut man sich Veranstalter, Unterstützer und Konferenz-Teilnehmer genauer an (3), entdeckt man doch wieder lebende Fossile des dumpfen Antiimperialismus und Antizionismus in relevanter Zahl, so dass manch als selbstverständlich Geltendes alles andere als selbstverständlich ist.
Das gilt nicht nur für die als Unterstützer genannte „Redaktion der kommunistischen Internet-Zeitung“ kommunisten-online.de. Deren Anfang Mai 2004 verschickter Newsletter enthielt nicht nur den Aufruf zur Kölner Konferenz, sondern neben einer Verbeugung vor Stalin („prophetische Voraussage“) mehrere Links zu Texten, an denen sich das erbärmliche Niveau des Antiimp-Antizionismus einmal mehr studieren lässt: Das K-Grüppchen deckt das Spektrum von Dummheiten (an Möllemanns antisemitischem Wahlkampf-Flyer lasse sich nichts Verwerfliches erkennen) über faktenresistenten Hass auf Israel und den Zionismus bis zu antisemitischer Paranoia (eine kritische Studie des DISS zur Nahost-Berichterstattung deutscher Medien wird als durch Geld vom israelischen Geheimdienst Mossad finanzierte Arbeit von „Diversanten“ entlarvt) ab. (4)
Unter den Unterstützern und Veranstaltern der Konferenz finden sich mehrere Unterstützer der Kampagne „10 Euro für das irakische Volk im Widerstand“, die vom Campo antiimperialista und der Wiener AIK gestartet wurde. Da diese Kampagne bereits mehrfach Thema in dieser Zeitung war (GWR 285 u. 289), sei an dieser Stelle lediglich auf ein Interview der Wiener AIK mit Jabbar Al Kubaya verwiesen. Der Anführer der Irakischen Patriotischen Allianz, derjenigen irakischen Gruppe, der die Kampagne zugute kommen soll, deutet an, wen er gemeuchelt sehen will; verpackt in eine Prognose sieht der große Führer des Volkes im Widerstand schon das Blut ‚linker Verräter‘, nämlich der irakischen Kommunisten, fließen: „In einem gewissen Sinn sind sie [die irakischen Kommunisten] sogar schlimmer als die Besatzer. […] Später werden sie vom siegreichen Volk ausgemerzt werden. Niemand wird weinen, wenn ein Kollaborateur getötet wird, selbst wenn er sich selbst als kommunistisch bezeichnet.“ (5)
Unter den Veranstaltern findet sich der Verband Deutsche Freidenker, deren Vorsitzender in seiner Verbandsfunktion seine Unterstützung der Kampagne „10 Euro“ per Presseerklärung rechtfertigte. (6) Die deutsche Zentrale der Kampagne, Initiativ e.V. (Duisburg), zählt zu den Unterstützern der Konferenz.
Als Moderator des erstens Konferenz-Panels vorgesehenist Ludwig Watzal, der in der Zeitschrift Intifada des Campo antiimperialista publiziert (wird). (7)
Ein Konferenz-Moderator, Rüdiger Göbel, hat sich neben seiner Unterschrift auch publizistisch für diese Kampagne stark gemacht, als devoter Interviewer des Kampagnen-Initiators Langthaler und zuvor im kumpanenhaften Interview mit dem Kampagnen-Unterstützer Joachim Guilliard (vom Heidelberger Antikriegs-Forum, Unterstützer der Kölner Konferenz). (8) Diese Texte Göbels müssen im Kontext der Blattlinie der jungen Welt betrachtet werden (so wie Göbels Tätigkeit für das Blättchen im Konferenz-Programm als Qualifikation des Moderators benannt wird). Werner Pirker, Leitartikler der jungen Welt (und Unterstützer der Kampagne) hat in der jungen Welt Terror legitimiert. (9) In dem gemeinsam mit Langthaler verfassten Antiamerikaner-Katechismus liefert Pirker die Hintergrundargumentation für den „Solidaritäts“-Einsatz der AIK zugunsten der Hamas. (10) Göbel arbeitet dieser Blatt-Linie zu, wenn er sich journalistisch für die von der AIK lancierte Kampagne engagiert. Und das hat nicht nur prinzipiell mit der Gewaltfrage, sondern ganz spezifisch mit dem Konferenz-Thema zu tun. Der Anführer der durch die Kampagne geförderten Irakischen Patriotischen Allianz, Jabbar Al Kubaya, stellt den Zusammenhang her: „Die amerikanische Besatzung des Irak ist unleugbar mit der zionistischen Besatzung in Palästina verbunden. Das Projekt dieser Besatzungen muss von der arabischen Nation gemeinsam bekämpft werden.“ (11)
Durch die starke Präsenz von Unterstützern der Kampagne zugunsten dieser irakischen „Widerstands-„Kräfte bei der Kölner Konferenz verliert der in der Kölner Erklärung formulierte Anspruch, „Kräfte in Israel und Palästina, die für ein gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben beider Völker eintreten“, und „gewaltlose Kampagnen israelischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten“ zu „unterstützen“, massiv an Glaubwürdigkeit.
IV.
Gegen die Kölner Konferenz richten sich Aktivitäten antideutscher Gruppen. Sie „rufen dazu auf, das Recht auf Selbstverteidigung des Staates Israel gegen die TeilnehmerInnen und BesucherInnen der Konferenz ‚Stop the wall!‘ zu verteidigen und vor Ort die Solidarität mit dem Land praktisch werden zu lassen, das gegründet wurde, um all jenen, die von Antisemiten verfolgt werden, Schutz zu bieten.“ (12) Was darf man sich nach den vorangegangenen Schlägereien unter der Ankündigung, „Solidarität […] praktisch werden zu lassen“ und „das Recht auf Selbstverteidigung des Staates Israel gegen die TeilnehmerInnen und BesucherInnen der Konferenz […] zu verteidigen“ vorstellen, wenn der Guru dieser Sektierer zuvor ein Loblied auf den französischen BETAR anstimmte, da dieser „manchmal auch militant gegen antisemitische Manifestationen“ (bzw. was man dafür hält) vorgehe, und sogar der Ligue de Défense Juive (Jüdische Verteidigungsliga) gute Seiten abgewann, da sie „zu militanten Aktionen gegen arabische und linke Antizionisten und andere Antisemiten übergegangen“ sei? (13)
Mit präziser Kritik an der Konferenz halten sich die Antideutschen nicht lange auf. Ihre Texte vermitteln den Eindruck, dass es ihnen darum geht, andere Rechnungen zu begleichen. Ihr Hauptfeind heißt Moshe Zuckermann. Ihn hassen sie, und zwar nicht obwohl, sondern weil dieser Kritiker der israelischen Regierungspolitik zugleich ein in der Tradition der Kritischen Theorie stehender kompetenter und scharfer Kritiker deutscher Normalität (14) ist und das Ineinandergreifen hiesiger antisemitischer Ausfälle mit israelischer Regierungspropaganda benennt. (15) Damit zerstört Zuckermann die Geschäftsgrundlage der Bahamas und ihrer übers Land verstreuten Kinder- und Jugendgruppen, die gerne einen Monopolanspruch auf (die wahre und einzige) Kritische Theorie behaupten – daher ist Zuckermann in ihren Augen viel schlimmer als beispielsweise Uri Avnery und Moshe Zimmermann, die in deutschen Medien zum Thema Israel ähnlich präsent sind.
So heißt es am Schluss eines Rückblicks auf die antideutsche Strafexpedition nach Hamburg: „Die linke Kumpanei der vorgeblichen Antisemitismus-Kritiker mit den tatsächlichen Antisemiten gilt es auch weiterhin zu stören. Der nächste ‚Feldzug‘ (Kirsche) wird in Köln am 5. Juni 2004 durchgeführt, wenn, wie angekündigt, der Doyen des Postzionismus, Moshe Zuckermann, mit den Saddamiten von der jungen Welt und den Westentaschen-Goebbels des palästinensischen ‚Widerstandes‘ den Schulterschluß übt“. (16)
Wenn Zuckermann als Teil einer „linke[n] Kumpanei der vorgeblichen Antisemitismus-Kritiker mit den tatsächlichen Antisemiten“ namentlich denunziert ausgemacht wird, lässt das immerhin noch offen, ob die einzigen wahren Antisemitismus-Kritiker ihn zu den „tatsächlichen Antisemiten“ oder zu den „vorgeblichen Antisemitismus-Kritikern“ zählen. Diese Großzügigkeit hat freilich sogleich ein Ende, wenn Zuckermann zum Nazi-Kollaborateur erklärt wird, indem man ihn im „Schulterschluß“ „mit den Saddamiten von der jungen Welt und den Westentaschen-Goebbels [Hrvh. v. A.S.] des palästinensischen ‚Widerstandes'“ sieht. (17) Dass Zuckermann ganz nebenbei zum „Doyen des Postzionismus“ ernannt wird, beweist die komplette Ahnungslosigkeit des Bahamas-Autors. Zuckermann hat sich nie zum Postzionismus bekannt, sondern definiert sich als „Nichtzionist“ (18) und hat – wie auch der Kölner Konferenz-Teilnehmer Amnon Raz-Krakotzkin, der auch in seriöser Literatur gelegentlich vage dem Postzionismus zugerechnet wird – dieses Etikett kritisiert. (19) Doch von Sachkenntnis lässt sich antideutsche Gesinnungsstärke nicht trüben, und so wetteifert diese Strömung mit ihrem Antiimp-Gegenpart auf der nach oben offenen Inkompetenz-Skala.
Bei dieser Ausgangslage steht zu befürchten, dass sich in Köln die binär-reduktionistische Konstellation, in der eine informierte und verantwortliche Nahost-Debatte unmöglich ist, nur erneut – und womöglich eskalierend – reproduziert.
(1) Esther Benbassa: La République face à ses minorités. Les Juifs hier, les Musulmans aujourd'hui. Paris: Mille et une nuits 2004, S. 105. Benbassa schreibt dies angesichts der merkwürdigen 'Konkurrenz', in die in weiten Teilen des französischen mediopolitischen Diskurses die Kritik an "neuer Judäophobie" einerseits, "neuer Islamophobie" andererseits gebracht werden; vgl. Pierre André Taguieff: La nouvelle judéophobie. Paris: Mille et une nuits 2002 u. Vincent Geisser: La nouvelle Islamophobie. Paris: La Découverte 2003.
(2) Vgl. zu einem Vorschlag symbolischer Anerkennung des Rückkehrrechts der Palästinenser und der daraus resultierenden praktischen Konsequenzen im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel. Auskünfte eines marxistischen Juden an Thomas Ebermann, Hermann L. Gremliza und Volker Weiß. Hamburg: Konkret 2003, S. 104.
(3) Siehe www.freepalestine.de/040605konferenz/veranstalter.htm; letzter Datenabruf am 20. Mai. Zwei der als Veranstalter fungierenden Organisationen, die deutsche Sektion der IPPNW und das Komitee für Grundrechte und Demokratie, sind ab dem 10. Mai auf die im folgenden genannten Gruppen und Personen aufmerksam gemacht und mit ausführlichem Quellenmaterial versorgt worden. Man verschone uns also mit Gejammere darüber, dass diese Kritik nun öffentlich artikuliert wird.
(4) Siehe www.kommunisten-online.de. Spekulationen über die Finanzierung des DISS durch den Mossad gab es zuvor nur aus der Nazi-Szene. Vgl. das corpus delicti: Siegfried und Margrete Jäger (unter Mitarbeit von Gabriele Cleve, Ina Ruth, Frank Wichert u. Jan Zöller): Medienbild Israel. Zwischen Solidarität und Antisemitismus. Münster: LIT 2003.
(5) Wir werden überall das Feuer entfachen. Jabbar al Kubaysi über die zu bildende politische Widerstandsfront (29.4.2004, www.antiimperialista.com/ de/view.shtml ?category=2 &id=1078059715 &keyword=+).
(6) "Gegen die Aggressions- und Besatzungstruppen ist jeder, auch militärischer, Widerstand legitim und völkerrechtlich erlaubt. Hingegen ist es die bekannte Methode der Angriffskrieger, diesen Widerstand als Terror, und Partisanen als Terroristen zu verunglimpfen" (Klaus Hartmann: "Panorama": Gehirnwäsche im Dienste der Angriffskrieger. Pressemitteilung vom 11.12.2003). Wer davon redet, dass "jeder Widerstand [...] legitim" sei und die Bezeichnung "Terror" pauschal als eine die Besatzung begünstigende Verunglimpfung des "Widerstands" kennzeichnet, der legitimiert implizit auch die Selbstmordanschläge, und zwar ganz egal, wen sie treffen.
(7) Vgl. Ludwig Watzal: Steht den Palästinensern eine neue Vertreibung bevor? (www.antiimperialista.com/view.shtml ?category=31 &id=1042360761 &keyword=+). Watzal soll ein Panel moderieren, an dem u.a. Moshe Zuckermann teilnimmt. Ob die Organisatoren sich dabei etwas gedacht haben, gar Zuckermanns deftige Bemerkung gegen Watzal im Sinn hatten? Vgl. Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel (Anm. 2), S. 33.
(8) Vgl. Rüdiger Göbel: Trotz Hetze in ARD-Magazin: Weiter Spendenerfolg für Irak? jW sprach mit Willi Langthaler von der Antiimperialistischen Koordination (AIK) in Wien. In: junge Welt 20.12.2003 (www.jungewelt.de/2003/12-20/016.php) u. ders.: Irak-Kriegsgegner von Bild-TV vorgeführt: »Panorama« unter falscher Flagge? [Interview mit Joachim Guiliard]. In: junge Welt 13.12.2003 (www.jungewelt.de/2003/12-13/018.php).
(9) Vgl. Werner Pirker: Legitime Atttacke - Anschlag auf Vizechef des Pentagon knapp gescheitert. In: junge Welt 27.10.2003 (www.jungewelt.de/2003/10-27/003.php).
(10) Man vergleiche Wilhelm Langthaler/Werner Pirker: Ami go home. Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus. Wien: Promedia 2003, S. 97-98 u. 111-112 mit AIK: Solidarität mit Hamas! Sofortige Aufhebung der Schwarzen Liste der EU! (13.9.2003).
(11) Wir werden überall das Feuer entfachen (Anm. 5).
(12) Fence Out Terror! Für die Selbstverteidigung Israels - Gegen die antizionistische Konferenz in Köln! (http://infoladen.de/koeln/casablanca/fenceoutterror/aufruf.html).
(13) Justus Wertmüller: Französische Zustände. In: Bahamas H. 42 (2003), S. 28-34, hier S. 28. Nach viel Lob räumt Wertmüller immerhin die Bindung der Ligue de Défense Juive an Meir Kahane ein, dessen Organisation in Israel verboten ist: "Zwar handelt diese Gruppierung durchaus vernünftig für jüdischen Selbstschutz und gegen das Bündnis aller Antisemiten gegen Israel, indes, ihre allzu enge Bindung an die Ideologie Meir Kahanes - Stichwort: Transfer aller Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen nach Jordanien - [...] macht sie ideologisch in der Tat anrüchig" (ebd., S. 28).
(14) Vgl. Moshe Zuckermann: Gedenken und Kulturindustrie. Ein Essay zur neuen deutschen Normalität. Berlin u. Bodenheim: Philo 1999.
(15) Vgl. bspw. Moshe Zuckermann: Wie füreinander geschaffen. Die Möllemänner und die Sharons instrumentalisieren den israelisch-palästinensischen Konflikt. In: Michael Naumann (Hg.): "Es muß doch in diesem Lande wieder möglich sein..." Der neue Antisemitismus-Streit. München: Philo/Ullstein 2002, S. 122-125.
(16) Mitten in der Zone: Hamburg. Zu den Angriffen auf die israelsolidarische Demonstration am 24.04.2004 (www.redaktion-bahamas.org/aktuell/HH-Nachlese.htm).
(17) Nebenbei gefragt: Warum eigentlich "Saddamiten" und nicht, wie Bushisten, Mitterandisten oder ehedem Marxisten, Saddamisten? Richtig vermutet: Wie André Gide Verlaine antworten lässt: "Man sagt Sodomit, mein Herr", nachdem der Richter ihn gefragt hat, ob er "Sodomist" sei, sagt man heute Saddamit und bringt die Assoziationsfolge Saddamit(e) - Sodomit(e) nebst Sadismus in Gang, die das Geschwätz in diversen internationalen Chatrooms und Diskussionsforen beflügelt.
(18) Vgl. Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel (Anm. 2), S. 42f.
(19) Vgl. Jean-Christophe Attias/Esther Benbassa: Israël, la terre et le sacré [zuerst 1998]. Paris: Flammarion 2ème éd. revue 2001, S. 307-308 und Raz-Krakotzkins Statements in Neri Livneh: Post-Zionisms only rings once. In: Ha'aretz 2.9.2001.