Alles nur heiße Luft? Stoiber, Koch und andere VertreterInnen von CDU/CSU/FDP lassen in den letzten Wochen jedenfalls keinen Zweifel daran, dass sie möglichst bald neue Atomkraftwerke bauen wollen.
Um ihren politischen Willen zu unterstreichen, wurde Anfang Juni 2004 der Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München offiziell in Betrieb genommen. Es war der erste Reaktorneubau in Deutschland seit Tschernobyl. Besonders brisant daran ist, dass der FRM II mit waffenfähigem, hochangereichertem Uran betrieben wird. Der hochradioaktive Atommüll soll ab 2005 nach Ahaus. Trotz aller Proteste feierte CSU-Chef Stoiber den Atomreaktor als Aufstieg in die „Champions League“ für Bayern. Wird die Atomkraft wieder gesellschaftsfähig?
In einer Umfrage aus derselben Woche lehnten 73 % aller BundesbürgerInnen den Neubau von AKWs ab, eine Mehrheit ist weiterhin für den Ausstieg. Statt aus dieser stabilen Ablehnung der Atomkraft Kapital zu schlagen, ermöglicht die rot-grüne Bundesregierung durch ihren „Atomkonsens“ das Überwintern der Atomindustrie. Sie bereitet damit den Wiedereinstiegsplänen der Opposition den Boden, weil man den Ausstieg aus der Atomenergie von der politischen Tagesordnung gekippt hat.
In dieser Situation ist die Anti-Atom-Bewegung gefragt. Dem Atom-Geschwafel von rechts und der Untätigkeit von Rot-Grün muss entschiedener Druck von der Straße entgegengesetzt werden. Das zielt weit über die Ablehnung einzelner Castor-Transporte hinaus und auch weit über die Ablehnung einzelner Standort-Zwischenlager. Die Gefährdung der Bevölkerung durch den Normalbetrieb aller Atomanlagen muss wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden.
Resignation überwinden
Zwischen Dresden und Ahaus zeigt sich seit einigen Monaten, dass es noch möglich ist, Menschen gegen Atomprojekte zu engagieren. Es zeigt sich auch, dass Widerstand wirkt. Sollten die Castor-Transporte von Rossendorf ursprünglich schon im Januar in Ahaus sein, so sind nun der Herbst oder sogar 2005 im Gespräch. Warum? Weil sich immer mehr Initiativen in den Widerstand einklinken und seit Monaten deutlich wird, dass es für weitere Atommüll-Transporte nach Ahaus keinen Konsens gibt – mit der Bevölkerung schon gar nicht.
Es ist also wichtig, den neu aufkeimenden Widerstand für breitere Proteste gegen die Atomenergie insgesamt zu nutzen.
Denn es ist klar, dass die Castor-Transporte nach Ahaus und Gorleben erst am Ende der Atomspirale stehen. Verhindert werden muss die Atommüll-Produktion, und das heißt im Klartext: sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Gefragt sind neue Ideen und Anstrengungen, um diese Forderung in der Öffentlichkeit wieder zu verankern und der Atomlobby von links bis rechts zu widersprechen. Mögliche Aktionsformen wären z.B. ein dezentraler Aktionstag mit Mahnwachen, Kundgebungen, Demos oder Camps vor allen Atomanlagen der Republik. Viel zu viele Menschen haben sich mit dem Weiterbetrieb der Atomanlagen schon abgefunden. Diese Resignation gilt es aufzubrechen.
Castor-Widerstand erfolgreich in die Sommerpause
Im jüngsten „Castor-Poker“ konnten die Anti-Atom-Initiativen einen weiteren Teilerfolg verbuchen. Schon wieder musste ein Transporttermin abgesagt werden. Nun klagt die NRW-Landesregierung gegen den Sofortvollzug der Transportgenehmigung, und Sachsen will nun doch fünf weitere Stoßdämpfer für die Castor-LKWs bestellen. Ohne zusätzliche Stoßdämpfer lassen sich die Transporte nicht reduzieren. Anvisiert werden nun 3 Straßentransporte à 6 Castoren. NRW will derzeit offiziell einen Schienentransport (zu den Hintergründen des Themas s. die letzten GWR-Ausgaben).
Damit geben sich die AktivistInnen im Münsterland und in Sachsen nicht zufrieden. Es geht darum, die Atomtransporte komplett zu verhindern. Deshalb haben die Initiativen Ende Mai einen bundesweiten Aufruf verabschiedet, mit dem sie zu Protesten und Widerstandsaktionen entlang der gesamten 600 km Autobahn-Transportstrecke aufrufen. Ausprobiert werden dabei auch neue Aktionsformen. So fand im Februar ein bundesweiter Autobahn-Aktionstag erfolgreich statt. Als noch ein Transporttermin im Juni auf dem Programm stand, meldeten AtomkraftgegnerInnen Demonstrationen an zwei Autobahn-Kreuzen in NRW an. Die öffentliche Wirkung war vielversprechend und die Polizei sichtlich verunsichert. Sollte es einen neuen Transporttermin geben, sollen auf möglichst vielen Autobahnen Demonstrationen angemeldet werden, um den Wahnsinn dieser Transporte deutlich zu machen.
Sollte es zum Tag X kommen, wird es zahlreiche Proteste geben.
Schon in Dresden sind Straßenblockaden angekündigt. Die Transportstrecke ist für die Polizei ein Alptraum. Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Polizei lieber am Wochenende die Castoren fahren möchte, um mögliche Autobahn-Staus im Berufsverkehr zu vermeiden.
Das begünstigt den Widerstand zusätzlich. In Ahaus wird es ein großes Camp geben. Mehr als 500 Leute haben bereits den Aufruf „Wir stellen uns quer“ unterschrieben. Gleichzeitig nutzen die Anti-Atom-Initiativen im Münsterland die hart erkämpfte Atempause, um den Widerstand gegen die 15 km nördlich von Ahaus gelegene Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau zu forcieren.
Zum einen soll die Erweiterungsgenehmigung diesen Sommer verhindert werden, zum anderen die zahlreichen Urantransporte durch Protestaktionen in die Öffentlichkeit gebracht werden. Gelingt den Initiativen die Verknüpfung von Castor und Uran, steht NRW eine heiße Atomdebatte im Wahlkampfjahr 2004/05 bevor, denn nach den Kommunalwahlen im September folgen die Landtagswahlen im nächsten Mai.
Die Anzeichen, dass sich im Münsterland eine neue breite Anti-Atom-Bewegung formiert, mehren sich jedenfalls. Diesen Schwung gilt es zu nutzen und zu verstärken. Unterstützung von außen ist dabei sehr willkommen, genauso wie in Dresden. Das Leitziel haben sich die Initiativen für die Sonntagsspaziergänge selbst gesetzt: „Atomtransporte stoppen – Atomausstieg jetzt.“
Anmerkungen
Interessierte können sich über die geplanten Aktionen auf folgenden Webseiten auf dem Laufenden halten:
www.nixfaehrtmehr.de
www.wigatom.de
www.castorstopp-dresden.de
www.bi-ahaus.de
www.graswurzel.net