Als 1966 die Science Fiction-Serie „Star Trek“ im US-amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, war das ein humanistisches, fast revolutionäres Wagnis: Auf der Brücke des Raumschiff Enterprise gab es nicht nur einen Vulkanier, sondern – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges – einen Russen in leitender Funktion. Auswirkungen über den symbolpolitischen Rahmen hinaus hatte eine weitere Figur: Lieutnant Uhura, eine schwarze Frau, ihres Zeichens Kommunikationsoffizierin und Anlass für einige Südstaaten-Fernsehanstalten, mit dem Boykott der Serie zu drohen. Als die Darstellerin Uhuras (was auf Swahili „Freiheit“ bedeutet), Nichelle Nichols, nach der ersten Staffel aussteigen wollte, wurde sie von Martin Luther King zum Gespräch eingeladen und auf Grund ihrer identifikatorischen Bedeutung für die schwarze community zum Weitermachen überredet. Die VertreterInnen verschiedener Minderheiten unter der Leitung von Captain Kirk waren das fortschrittliche Modell für „Völkerverständigung“ und die Anerkennung der Differenz.
Nichts ermöglicht die Häme über die Verfehlungen essentialistischer Differenzpolitik so sehr wie das zweite Regierungsteam von George W. Bush. In keiner Regierung der USA waren je so viele VertreterInnen ethnischer Minderheiten.
Und kaum eine Regierung ist so dafür prädestiniert, die stringente Arbeit ihrer Vorgänger an der Einschränkung von Rechten für Minderheiten bruchlos fortzusetzen. Condoleezza Rice, ehemalige Kommunikationsoffizierin von Captain Bush und nun zur Außenministerin aufgestiegen, ist wegen ihrer Lügen im Zuge der Rechtfertigung des Irak-Krieges nicht gerade unumstritten. In Bushs neuer Freiheitsdoktrin, die u.a. auf das Recht der USA auf militärische „Präventivschläge“ setzt, spielt sie eine entscheidende Rolle. Von Verständigung also keine Spur. Auch der neue Justizminister Alberto Gonzalez ist als Latino Vertreter einer wichtigen Minderheit. Nicht zuletzt deshalb haben auch die Demokraten im Senat nicht gegen den Mann gestimmt, der die Genfer Konvention für „kurios“ und „veraltet“ hält. In sein Ressort fallen genau die Einschränkungen der BürgerInnenrechte, die – als „Patriot Act“ im Oktober 2001 nach den Anschlägen vom 11. September durchgesetzt – vor allem ethnische und soziale Minderheiten treffen.
Hämisch freuen können sich nun all jene rechten wie linken Universalisten, die schon immer meinten zu wissen, dass Quoten nichts bringen und dass jedes affirmative action-Programm rausgeschmissenes Geld ist. Denn die Vorstellung, unterdrückte Minderheiten müssten nur angemessen repräsentiert werden und automatisch besserten sich auch ihre Lebensumstände, ist ad absurdum geführt. Das Modell Star Trek ist passé. Deshalb bestätigt auch das neue Bush-Kabinett die Kritiken, die von Seiten postmoderner Theorie an die Vorstellung dieses Automatismus angelegt wurden. Judith Butler hatte darauf hingewiesen, dass der Bezug auf ein Kollektivsubjekt „Frauen“ selbst Ausschlüsse hervorbringt und obendrein weder für die Entwicklung noch für die Durchsetzung feministischer Forderungen notwendig ist. Aus ähnlichen Gründen hatte auch Stuart Hall dafür plädiert, „schwarze“ oder andere minoritäre Identitäten nicht als wesenhaft, sondern als veränderbare Positionierungen zu begreifen. Beiden ging es dabei aber – und damit unterscheiden sie sich grundsätzlich von den konservativen Besserwissern – nicht um eine Abschaffung, sondern um die Radikalisierung emanzipatorischer Politik. Auch mit Butler und Hall muss das Völkerverständigungsmodell der Enterprise verabschiedet werden. Und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es auf der Kommando-Ebene spielt.
Die Repräsentation ist eben nicht alles. Die Einbeziehung von Minderheiten-VertreterInnen kollidiert keineswegs mit den eingesessenen Herrschaftscliquen wie der Öl-Junta um Vizepräsident Cheney. Im Sinne einer Modernisierung der rassistischen Sicherheitspolitiken ist sie sogar äußerst effektiv, indem sie die Betroffenen durch ihre RepräsentantInnen symbolisch einbindet. Hoffnung in die Repräsentationspolitik setzen konnte nur, wer von Macht- und Herrschaftsverhältnissen nicht reden wollte. Die Anerkennung der Differenz ohne eine Perspektive sozialer und materieller Gleichheit erweist sich aus emanzipatorischer Sicht als äußerst kurzsichtig. Gerade im Kontext „unendlicher Weiten“ (Star Trek) formuliert. Die 1991er-CD der zu Unrecht vergessenen Hamburger Schule-Band „Cpt. Kirk &“ hatte den Namen, der den Uhura-Komplex vielleicht ganz gut in einem Wort zusammenfasst: „Reformhölle“.