Repression gegen die anti atom aktuell
Am 10. August 2005 durchsuchten mehr als 40 PolizistInnen die Redaktionsräume der anti atom aktuell (aaa) im wendländischen Tollendorf. Sie beschlagnahmten alle Computer, zahlreiche Unterlagen, CDs und Disketten dieser bundesweiten „Zeitung für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen“.
Die aaa ist seit ihrer Gründung 1989 ein wichtiges Sprachrohr der Anti-Atombewegung. Hier werden Aufrufe und Erklärungen unterschiedlicher Anti-Atom-Initiativen dokumentiert und unzensiert zur Diskussion gestellt.
Diese freie Kommunikation ist der Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge.
Im Durchsuchungsbefehl vom 8.8.05 heißt es:
„Der Beschuldigte steht im Verdacht, öffentlich und durch Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat aufgefordert zu haben, indem er auf der Internetseite zum Prekär Camp eine ‚Yomango-Aktion‘ am 10. August 2005 angekündigte. ‚Yomango‘ steht in der spanischen Umgangssprache für: ‚Ich stehle‘. Unter der Kategorie ‚Plakat und Aufruf‘ wird für die Teilnahme am Prekär Camp vom 5.-15. August geworben. Unter der Überschrift ‚Es gibt was zu tun‘ wird das vorläufige Veranstaltungsprogramm mitgeteilt, in dem für den 10. August 2005 eine ‚Yomango-Aktion‘ angekündigt wird. Domain-Inhaber der Webseite ist der Beschuldigte. Insoweit besteht der Tatverdacht, dass dieser die Aufforderung auf der Homepage öffentlich verbreitet.“
Den zum Vorwurf gemachten Aufruf zu einer strafbaren Handlung gibt es nicht.
„Die Polizei war weder zur Vereitelung noch zur Aufklärung von Straftaten unterwegs; dieses Rollkommando hat die Gelegenheit genutzt und sich als strafende Exekutive aufgeführt, in der Hoffnung, nebenbei noch dies oder das Gerichtsverwertbare zu finden“, beklagt Elisabeth K. diesen massiven Einbruch in die Privatsphäre. „Die Vertraulichkeit der Information, das Redaktionsgeheimnis, die Arbeit der Presse allgemein steht unter dem Schutz der Verfassung. Was Staatsanwaltschaft, Polizei und Gericht davon halten – vor allem, wenn es um Medien sozialer Bewegung geht – haben sie mit ihrer Aktion überaus deutlich gemacht.“
Kurz vor dem Angriff gegen die aaa hat es bereits eine Razzia gegen ein anderes Alternativmedienprojekt gegeben.
Repression gegen LabourNet
Das Internetportal LabourNet ist basisnah und gesellschaftskritisch, ein „Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job“. Am 5. Juli 2005 wurden in Bochum die Wohnungen von drei MitarbeiterInnen von LabourNet Germany von der Polizei durchsucht (vgl. GWR 301, S. 2). Als Begründung wurde der Verdacht auf Urkundenfälschung angegeben. Auch hier wurden alle Computer, Datenträger und ein Teil des Schriftverkehrs beschlagnahmt.
Der Hintergrund ist ein Flugblatt, das im Dezember 2004 in Köln, Hagen und Bochum verteilt wurde. Darin wurde behauptet, dass ab sofort auch private Haushalte 1-Euro-Jobber einstellen können und sich bei der zuständigen Arbeitsagentur melden sollen. Diese offensichtlich satirisch gemeinten Flugblätter waren mit dem Briefkopf der Arbeitsagentur versehen. Zu dieser Aktion bekannte sich ein „Kommando Paul Lafargue“. Paul Lafargue war der Schwiegersohn von Karl Marx und Autor von „Recht auf Faulheit“.
In dem Bekennerschreiben wurde zur weiteren Information auf LabourNet und auf die Kampagne Agenturschluss verwiesen. Das ist die Grundlage für die Hausdurchsuchungen.
Mittlerweile wurden die beschlagnahmten LabourNet-Rechner von der Polizei wieder herausgegeben, die Unterlagen aber weiterhin einbehalten.
Resümee
Die Razzien gegen LabourNet und aaa sollen Menschen einschüchtern, die sich gegen Sozialkahlschlag und Atomstaatspolitik wehren.
Wir solidarisieren uns mit aaa und LabourNet und protestieren gegen diese massiven Angriffe auf die Pressefreiheit. Alle beschlagnahmten Materialien müssen umgehend zurückgegeben, alle gemachten Kopien vernichtet und alle Verfahren sofort eingestellt werden! Schluss mit Repression und Einschüchterung!
Anmerkungen
LabourNet.de ruft dazu auf, Protestfaxe und -mails an das zuständige Amtsgericht und die zuständige Staatsanwaltschaft in Bochum zu schreiben. Das wurde auch schon eifrig gemacht und zeigt Wirkung. Deswegen bitten die Betroffenen bei LabourNet um Fortsetzung. Außerdem wird wegen der hohen Kosten zu Spenden aufgerufen. Bei LabourNet gingen zahlreiche Solidaritätsbekundungen ein.
Weitere Informationen zu den Repressionsmaßnahmen:
www.labournet.de
www.anti-atom-aktuell.de
www.prekaer-camp.org
Graswurzelrevolution
Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft
Breul 43
48143 Münster
Tel.: 0251/48290-57
Fax: 0251/48290-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
www.graswurzel.net