Zweifellos ist feministische Mediennutzung mittlerweile äußerst bunt. Ob sie aber auch salonfähig ist, das verhandelte u.a. das Projekt "Feministische Strategien für Gegenöffentlichkeiten", das vom feministischen Magazin an.schläge in Wien organisiert wurde.
„Hello public“ stand bereits auf der Wand des Yppenplatz-Marktcafés An-Do in Wien, das die an.schläge zur Präsentation ihres Projekts beim Kunstfestival „SOHO in Ottakring“ gewählt hatten. Die Graffitikünstlerin Mandarina Brausewetter sprühte dazu den Satz „Die Straße ist mein Zuhause ohne Ehemann, mein Arbeitsplatz ohne Chef, mein bunter Salon…“ auf den Boden vor die beiden Eingänge. Er stammt vom feministischen Kollektiv Mujeres Creando, das seit 1992 seine feministischen Statements nicht nur mithilfe von Street Art verkündet. Neben ihren in den Straßen von La Paz verbreiteten Graffitis sind einige der insgesamt 15 Frauen auch Theoretikerinnen und Akteurinnen bei Straßenperformances. Darüber hinaus sind sie mit ihren Filmen und Fernsehsendungen bereits bis ins bolivianische Fernsehen gedrungen. Aufgrund dieses feministischen Medienmixes waren die Arbeiten der bolivianischen Aktivistinnen auch wunderbar geeignet, um im Rahmen des an.schläge-Projektes „Feministische Strategien für Gegenöffentlichkeiten“ präsentiert zu werden. Direkt auf dem Marktplatz – als öffentlichem Ort par excellence – sollten dabei verschiedene Mittel und Wege vorgestellt werden, wie feministische Forderungen und Inhalte medial Verbreitung finden können.
Street Art als eines dieser Mittel und grundsätzlich egalitäre Ausdrucksform war auch durch Brausewetters eigene Arbeiten repräsentiert. Die Außenfassade des An-Do übersäte sie mit fliegenden Schweinen samt einsamer, gegen diese Übermacht nur mit einem Schmetterlingsnetz bewaffneter Kämpferin. Im Innenraum war zudem eine Bilder-Bordüre ihrer nicht nur chauvinismuskritischen Motive zu sehen.
Mit dem Screening einiger „Acciones“ der Mujeres Creando waren nicht allein Beispiele für politische Aktionsformen im öffentlichen Raum gegeben, als Dokumentation dieser Aktionen stellten sie zugleich feministische Film- und Fernseharbeit aus. Diese war bei der Ausstellung zudem durch die Vorführung von an.schläge-tv-Sendungen vertreten sowie durch die Trickfilmdokumentation „Tetescha Us“ von Stefanie Wuschitz. Wuschitz gelingt die Kommunikation der Anliegen palästinensischer Mädchen durch die Kombination mehrerer Medien: Sie bearbeitet filmisch die Zeichnungen, die von den Mädchen während eines von ihr geleiteten Comicworkshops im Beddawi Camp gemacht wurden.
Und mit der Präsentation des an.schläge-Heftes wurde feministische Öffentlichkeitsarbeit im Printmedienbereich gewürdigt.
Hatte das Projekt die Doppelfunktion, die Möglichkeit der Erzeugung feministischer Gegenöffentlichkeiten einerseits auszustellen, dadurch diese Öffentlichkeit aber anderseits auch selbst zu schaffen, fragten zwei Diskussionsveranstaltungen zunächst nach den Bedingungen dieser Möglichkeit. Eine dieser Bedingungen scheint für sämtliche Medien zu sein, dass ihre feministische Aneignung immer auch die Veränderung der Medien, ihrer Konventionen und Traditionen selbst bedeuten muss. So wusste Elisabeth Fritz, Kuratorin der Ausstellung „Street Art. Die lesbare Stadt“, nicht nur von geschlechtsspezifischen Differenzen von Toilettengraffitis zu berichten, sondern auch von gelungenen feministischen Interventionen, die ihre neuen Bildpolitiken gerade gegen tradierte Codes im Stadtbild richteten. Der Bruch mit bestimmten medialen Traditionen muss dabei selbst vor scheinbar unverabschiedbaren Qualitätskriterien nicht haltmachen, wie Gabi Horak, langjährige Redakteurin der an.schläge, anmerkte. Feministische Zeitungsarbeit hat dem Objektivitätsschein von Male- und Mainstreammedien stets den Wert feministischer Parteilichkeit und Kritik entgegengesetzt.
Rubia Salgado von der Linzer Migrantinnen-Organisation MAIZ verglich in ihrem Vortrag diese verändernde Aneignung bestehender Medien und Strategien mit der Anthropophagie, der Menschenfresserei, die MigrantInnen beispielsweise mit dem Slogan „Austria we love you. Wir werden dich nie verlassen“ angewandt haben. Angeeignet entlarvt dieser Slogan rassistischen Patriotismus, ist zugleich aber auch mediale Selbstermächtigung.
Gegenöffentlichkeit schaffen bedeutet außer medialer Sichtbarmachung marginalisierter Positionen jedoch auch die Besetzung des konkreten öffentlichen Raums. Auch diese Arbeit leistet MAIZ seit einigen Jahren durch „karthographische Eingriffe“, eine emanzipatorische Stadtneuplanung, deren Entwürfe exponiert in einer Linzer Schaufenstergalerie und in anderen Städten zu sehen waren.
Die Malerin und Performancekünstlerin Cynthia Schwertsik präsentierte auf dem Podium ein ganz ähnliches Projekt. In „Last Name“ ergänzt sie das durch männliche Straßennamen und Denkmäler für Männer geprägte Stadtbild durch die fiktiven Biographien von Frauen, die gewöhnlich hinter ihre Boutiquen und Friseursalons zierenden Vornamen verborgen bleiben.
Verbindendes Resümee dieser unterschiedlichen Positionen ist wohl, dass der Feminismus für seine Zwecke sehr erfolgreich Medienmasse, wenn auch nicht die Massenmedien erobert hat. Aber das ist laut Helga Schwarzwald von Orange 94.0 auch nicht weiter bedauerlich. Denn, wie sie mit Rekurs auf Hannah Arendt bemerkte, käme es schließlich auch hier auf die spezifische Qualität von Öffentlichkeit und nicht auf Quantität an.
Anmerkungen
Die Veranstaltungsreihe fand im Rahmen des Festivals "SOHO in Ottakring" vom 20.05. bis 03.06.06 im Wiener Stadtteil Ottakring statt.
Die Zeitschrift:
www.anschlaege.at
Das Fernsehen:
okto.tv/anschlaege/