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Geesthacht: Diddl-Maus bald mit Geigerzähler?

| Horst Blume

Die Kleinstadt Geesthacht vor den Toren Hamburgs ist sowohl Kindern als auch AtomkritikerInnen aus zwar unterschiedlichen, aber über Umwege doch zusammenhängenden Gründen sehr bekannt. Geesthacht ist die Heimat der Diddl-Maus.

Der Liebling der 7- bis 12-Jährigen hat riesige Füße und Ohren (Mutationen?), drei Haare, Latzhose und eine überwiegend rosige Weltsicht. Hier ist der Firmensitz des Unternehmens, das seit 1990 mit einer Unmasse an Diddl-Utensilien aller Art wie „naiven“ Sprüchen auf Postkarten in spezieller Diddl-Sprache einen aktuellen Jahresumsatz von etwa 150 Millionen Euro erzielt.

Im gleichen Ort befinden sich das Atomkraftwerk Krümmel und die Gesellschaft zur Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS), die hier einen nuklearen Forschungsreaktor betreibt. Seit 1990 sind in der Elbmarsch 16 Kinder an Leukämie erkrankt; vier von ihnen sind bereits verstorben. Es ist die weltweit größte Häufung von Blutkrebs an einem Ort. „Du bist der Volltreffer, der mitten in meinem Herzen gelandet ist!“, sagte die Diddl-Maus einmal. Bei der Suche nach der mäusemysteriösen Ursache stießen einige Nachforschende auf einen Zwischenfall am 12. September 1986, als im Atomkraftwerk Krümmel alarmierend hohe Radioaktivität gemessen wurde. Der Grenzwert wurde um das 500fache überschritten.

Da eine Panne im Atomkraftwerk ausnahmsweise einmal ausgeschlossen werden konnte, geriet die benachbarte GKSS in Verdacht, geheime kerntechnische Experimente zur Herstellung von Miniatombomben durchgeführt zu haben, bei denen es zu einem folgenschweren Unfall gekommen sei. Verschiedene in der Umgebung anwesende ZeugInnen haben die Explosion gesehen.

Seit 1992 wurden in der Umgebung von Geesthacht Kleinstkügelchen von etwa einem halben Millimeter Durchmesser gefunden. Sie enthalten Uran, Thorium und Plutonium. Diese Inhaltstoffe geben wichtige Hinweise auf den eingesetzten Brennstoff und den Forschungsgegenstand. Die zuständigen Landesregierungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein versuchten 15 Jahre lang, den Skandal zu vertuschen, und verwiesen auf Tschernobyl-Radioaktivität und „Flugasche“ von weltweiten überirdischen Atombombenversuchen. Das Leben von Kindern wiegt gegenüber den Interessen der Atom- und Rüstungsindustrie offensichtlich nur wenig.

Unabhängige Gutachter fanden heraus, dass die Kügelchen schon einmal in der Nähe der nuklearen Brennelementefabrik Hanau gefunden wurden, wo es ebenfalls im Jahre 1987 zu einer Explosion gekommen ist. Hier wurden die Kugelbrennelemente für den 1989 stillgelegten Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop hergestellt. Die Kügelchen sind Bestandteil seines nuklearen Brennstoffes gewesen. Mehrere Wissenschaftler vermuten, dass in Geesthacht an einer Weiterentwicklung von Hochtemperatur- und Hybridreaktoren in Verbindung mit Wasserstoffbomben geforscht wurde. Durch Laserbeschuss dieser Kügelchen wollte die GKSS – so die Vermutung – nukleare Miniexplosionen auslösen.

Die militärische Komponenten dieser Forschungen sind natürlich atemberaubend, unglaublich und supermausespannend. Das erklärt auch, warum die Behörden am liebsten die ganze Angelegenheit Abrakadiddledabra in der Versenkung verschwinden lassen wollen. Aber nach aufsehenerregenden Sendungen im ZDF und 3Sat in den letzten Wochen arbeitet Professor Blubberpeng in seinem Probiertüfteltestlaboratorium mit Hochdruck an der Aufklärung der Leukämietodesfälle.

Im Namen der Kinder ist die Stilllegung der Atomanlagen dringend geboten – und zwar flatterflott!

Anmerkungen

Weitere Infos unter "Aktuelles": www.thtr-a.de