Wunsiedel – für viele mittlerweile Synonym für den hier alljährlich geplanten Rudolf-Hess-Gedenkmarsch. 2000 AntifaschistInnen kamen im letzten Jahr zu einem Antifaschistischen Aktionstag zusammen – den Nazis war der Aufmarsch wenige Tage zuvor verboten worden. Sie irrten an diesem Tag hauptsächlich auf verschiedenen Autobahnen umher, marschierten jeweils mit einigen hundert Leuten in verschiedenen Orten, wie z.B. Nürnberg, Peine oder Berlin. Einen zentralen Rudolf-Hess-Marsch wie in den Jahren zuvor mit bis zu 4800 Alt- und Neonazis hat es im letzten Jahr nicht gegeben.
Nun rückt der Sommer wieder näher und es stellt sich die Frage, was nun ist mit Hess und Wunsiedel und den Nazis. Eins ist klar: Rudolf Hess liegt noch immer in Wunsiedel begraben, die Nazis wollen ihm dort auch in diesem Jahr gedenken und wir werden alles tun, um diesen Plan zu vereiteln. Unklarheiten gibt es indes auf rechtlicher Ebene: Das Bundesverfassungsgericht bestätigte im letzten Jahr das Verbot, gab aber zu bedenken, dass dies auf recht wackeligen Füßen stünde. Ein Hauptsacheverfahren soll nun klären, ob der Rudolf-Hess-Marsch grundsätzlich stattfinden darf – angemeldet hat ihn der Nazianwalt Jürgen Rieger bereits im Jahr 2001 vorsorglich für die darauf folgenden zehn Jahre. Solange dieses Verfahren läuft herrscht Ungewissheit – und das vor allem auf Seiten der Nazis.
Wir, die Kampagne NS-Verherrlichung stoppen!, werden auch in diesem Jahr einen Antifaschistischen Aktionstag mit Kundgebung und Demonstration veranstalten, sollte es einen zentralen Rudolf-Hess-Gedenkmarsch geben.
Es gibt vor Ort sowohl einen NPD-Ableger als auch die so genannte Freie Kameradschaft Wunsiedel. Diese trifft sich seit dem vergangenen Jahr regelmäßig in der Kneipe "Lokalbahn" mitten in der Stadt. Dort finden regelmäßig Konzerte statt, Vorträge werden gehalten und einmal im Monat wird zur "Braunen Nacht" geladen. Die Kontinuität der Märsche scheint ihre braunen Früchte zu tragen. Die Hess-Gedenkmärsche besaßen in den Jahren 2001 bis 2004 Eventcharakter und stifteten international und spektrenübergreifend nationalsozialistische Identität.
Es ist die Person Rudolf Hess, an der das Gedenken der Nazis anknüpft. Rudolf Hess wurde in den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt und beging im Militärgefängnis Berlin-Spandau 1987 Selbstmord. Als Stellvertreter von Adolf Hitler und als angeblicher Friedensflieger, steht die Figur Rudolf Hess für die abstrusesten nationalsozialistischen Mythen und Träume vom "guten" Nationalsozialismus.
Frühling, Sommer, Herbst und Nazis
Nicht nur der Rudolf-Hess-Marsch ist ein festes Datum im Terminkalender der Alt- und Neonazis. Die Kampagne NS-Verherrlichung stoppen! richtet sich darüber hinaus gegen weitere jährlich wiederkehrende Anlässe, an denen Nazis versuchen Großaufmärsche zu etablieren oder nationalsozialistisches Gedenken zu zelebrieren.
In Dresden ziehen seit 1998 jedes Jahr im Februar Neonazis durch die Stadt. Anlass ist die Bombardierung durch die Alliierten. Hier wird ein Opfermythos gefeiert, mit dem die Deutschen als Opfer des Krieges dargestellt werden. Die Toten des Bombardements werden aufgerechnet gegen die Toten der nationalsozialistischen Vernichtung. Damit sollen die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert werden.
In Mittenwald lädt der Kreis der Gebirgsjäger alljährlich zum Pfingsttreffen ein. Am Ehrenmal der Gebirgsjäger wird der eigenen Toten aus dem Zweiten Weltkrieg gedacht. Dabei werden Verbrechen von Teilen der Gebirgsjäger im Nationalsozialismus verschwiegen und Verbindungen wie solche zur SS geleugnet. Besonders deutlich wird in Mittenwald, welche Kontinuitäten noch immer zwischen dem Nationalsozialismus und der heutigen Gesellschaft existieren.
In Halbe versuchen Neonazis seit Jahren im November zum Volkstrauertag ihrer angeblichen Helden zu gedenken. Auf dem größten Soldatenfriedhof in Deutschland sind etwa 22.000 Wehrmachtssoldaten und Angehörige der Waffen-SS begraben, die im Frühjahr 1945 bei einer der letzten Kesselschlachten des Zweiten Weltkrieges starben. Unter dem Motto "Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten" werden sie von den Nazis zu Helden stilisiert.
Diese Ereignisse stehen beispielhaft für die Verherrlichung des Nationalsozialismus, für die Verdrehung und Relativierung der deutschen Geschichte. Die Kampagne NS-Verherrlichung stoppen! hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur den Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Wunsiedel zu thematisieren, sondern die Verbindungen zwischen diesen Ereignissen aufzuzeigen. Neben inhaltlichen Parallelen, ist es die Gemeinsamkeit des Großereignisses, durch die eine nationalsozialistische Erlebniswelt mit einer besonderen Anziehungskraft geschaffen werden soll.
Dem stellen wir uns entgegen – egal ob im Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter!
Kontakt & Infos
19. August 2006 Antifascist Actionday mit Kundgebung und Demonstration
ab 9 Uhr, Platz vor dem Gymnasium, Wunsiedel
www.ns-verherrlichung-stoppen.tk
info@ns-verherrlichung-stoppen.tk
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