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Ökonomie – alles solidarisch?

| Felix

Wer? 1400 Menschen aus Deutschland und der ganzen Welt. Was? Der Kongress "Solidarische Ökonomie". Wann? Vom 24.-26. November 2006. Wo? An der Technischen Universität Berlin. Warum? Um Formen der Solidarischen Ökonomie zu diskutieren und bekannter zu machen. Wie? Durch Podiumsdiskussionen, in zahlreichen Foren und Workshops. Die "W-Fragen" wären geklärt. Wirklich?

Eine W-Frage wurde auf dem Kongress ausgiebig diskutiert: „Wie Wollen Wir Wirtschaften?“ Der Anspruch ist hoch, vielleicht hätte es zunächst gereicht, zu versuchen die Frage zu beantworten: „Wie Würden Wir Wirtschaften Wollen?“. Immerhin kommt man nicht aus dem Kongress raus, hat sich auf ein neues Wirtschaften geeinigt und setzt dies nun einfach in die Praxis um.

Der Kongress wurde von der Bewegungsakademie und der Technischen Universität Berlin veranstaltet, sowie von vielen verschiedenen Organisationen mitgetragen und unterstützt, u.a von der Graswurzelrevolution. Bis kurz vor dem Kongress sind die Anmeldezahlen noch stark angewachsen – bis auf 700. Dass letzten Endes rund 1400 Menschen dabei waren, wurde von den OrganisatorInnen als ein großer Erfolg gewertet.

Was aber ist „Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus“?

Gibt es einen Unterschied zu „Sozialer Ökonomie“ oder „Alternativer Ökonomie“?

So genau wusste das keineR. In Deutschland ist solidarische Ökonomie auch sehr unbekannt. Das Ausland ist da schon wesentlich weiter. So gibt es in Brasilien beispielsweise einen Staatssekretär für Solidarische Ökonomie, der auch auf dem Kongress anwesend war. Er betonte allerdings, dass es nicht darum gehe, dass der Staat solidarische Ökonomie betreibe oder vereinnahme. Der Staat müsse dafür sorgen, dass die politischen Rahmenbedingungen so sind, dass solidarische Ökonomie ermöglicht wird, es geht ums Unterstützen.

Elmar Altvater („Professor im Unruhestand“) behauptete, solidarische Ökonomie habe es schon immer gegeben. Entscheidend sei, dass die Eigentumsfrage gestellt würde. Viele Formen seien aber auch ein „Kind der Not“, beispielsweise Tauschringe. Auch setzte er sich auf einer Podiumsdiskussion mit einer Vertreterin der „Initiative Natürliche Wirtschaftsordnung“ (INWO) auseinander.

Hier zeigt sich schon, wie unterschiedlich der Begriff verstanden wird und welch ein „bunter Blumenstrauß“ sich (noch) hinter dem Begriff verbirgt. Alle, die sich derzeit nicht durch das neoliberale Wirtschaftssystem repräsentiert fühlen, können ihre persönlichen Ansichten vorstellen. Übersichtlich wird es dadurch nicht gerade: Da gibt es Tauschringe, die ihr Regio-Geld einführen wollen, was zwar nicht viel weiterbringt, aber auch nicht wirklich schadet, solange es auch noch allgemeines Geld gibt und man nicht in jedem Dorf erst mal Geld tauschen muss. Dann gibt es Leute von der INWO, die eine Gebühr auf Bargeld und Giroguthaben erheben wollen, die großen Kapitalsummen aber unangetastet lassen wollen (weil die ja investiert werden und Arbeitsplätze schaffen). Einige berufen sich lieber auf spirituelle Werte und/oder Rudolf Steiner und glauben, dass dann schon alles besser würde. Da muss man sich schon mal etwas deutlicher abgrenzen. Daneben gibt es die „etablierte“ solidarische Ökonomie wie Weltläden oder Genossenschaften. Kommunen oder Umsonstläden gehören aber auch dazu. Und ganz neu dabei, als „Innovation“ der letzten Jahr(zehnt)e: „Freies Wissen“ in der Wissensökonomie.

Auf der Projekte“messe“ (ist das besser als ein „Markt“ der Möglichkeiten?) fanden sich dann auch die verschiedensten Gruppierungen wieder. Die Graswurzelrevolution war auch mit einem Stand vertreten.

Es gab aber auch einige allgemeine Diskussionen um Wirtschaft und Kapitalismus. Zum Beispiel in dem Workshop von GWR-Autor Oliver Bierhof (Uni Münster) zu der „Bedeutung der Eigentumsfrage bei der Suche nach einer Solidarischen Ökonomie“. Für ihn bezeichnet Eigentum nicht in erster Linie ein (juristisches) Verhältnis zwischen einer Person und einem Objekt, sondern vielmehr ein (politisch-gesellschaftliches) Verhältnis zwischen zwei Personen. Was sich auf den ersten „Blick“ etwas komisch anhört, ergibt doch Sinn: Eigentumsverhältnisse sind entscheidend für gesellschaftliche Beziehungen, sie ordnen die Gesellschaft. Für Bierhof ist der Kapitalismus eine „Enteignungsökonomie“, unter Enteignungsprozessen versteht er die Mehrwertproduktion sowie die sogenannte „ursprüngliche Akkumulation“.

Interessant war bei dem Workshop auch ein Beitrag eines Teilnehmers, der erzählte, dass in dem Religions-Lehrplan für die Hauptschule in Bayern das Ziel verankert sei, den SchülerInnen beizubringen, dass Eigentum eine Gabe Gottes sei. Damit wäre die Eigentumsfrage dann ja geklärt.

In einem anderen Workshop wurde diskutiert, ob es aktuell möglich sei, die Lohnarbeit zu überwinden. Kann die Technik schon so viele Aufgaben übernehmen? Kann gesellschaftliche Anerkennung als Lohn fungieren? Vielleicht ist die Arbeitskraft in Wirklichkeit gar nicht so knapp? Aber vielleicht die natürlichen Ressourcen?

Oder ist unsere Sicht zu eurozentrisch? Gibt es solch einen Überfluss nicht nur in einem sehr geringen Teil der Weltbevölkerung?

Verschiedene Workshops zu Kämpfen in der Wissensökonomie wurden veranstaltet vom Netzwerk „Freies Wissen“, das aus der attac-AG Wissensallmende hervorgegangen ist. Darunter fallen so verschiede Themen wie Saatgut, Medikamente oder Software. Geistige Monopolrechte sorgen hierbei dafür, dass Menschen von den Vorteilen ausgeschlossen werden, obwohl ihre Teilhabe ohne große Probleme möglich wäre. Oliver Moldenhauer vom Netzwerk erklärte, die traditionelle Ökonomie sei von Knappheit geprägt, in der Wissensökonomie gebe es sie (so gut wie) nicht.

Auf der Abschlussdiskussion wurden einige Projekte aus den verschiedenen Bereichen vorgestellt. Es wird ein Buch zum Kongress geben mit Beiträgen der ReferentInnen. Die Internetseite www.solidarische-oekonomie.de soll zu einer Diskussionsplattform ausgebaut werden und die Arbeit an dem Thema soll auf jeden Fall fortgeführt werden.

Zu Beginn des Kongresses hatte Sven Giegold drei interessante Fragen formuliert: Warum haben sich viele Projekte nicht durchgesetzt – wenn solidarische Ökonomie so viel besser ist? Legitimiert solidarische Ökonomie den Neoliberalismus in dem sie dem Staat erlaubt, sich aus seiner Verantwortung zurückzuziehen?

Und: Geht durch solidarische Ökonomie Kraft verloren für politische Aktivitäten?

Natürlich wäre es falsch, zu glauben, am Ende des Kongresses hätten die Fragen geklärt sein können. Aber sie wurden leider kaum bis gar nicht bearbeitet, sie waren „einfach verpufft“.

Aber so bleibt zumindest eine weitere Aufgabe für die zukünftige Auseinandersetzung mit dem Thema.

Anmerkungen

GWR-Autor Felix ist 18 und studiert in Berlin