transnationales

AnarchistInnen gegen die Mauer

Blockaden gegen die Barriere und Repression in Israel

| Sebastian U. Kalicha

Ein Hauch von Besatzung war im Zentrum Tel Avivs zu spüren, als rund 20 AktivistInnen der Anarchists Against the Wall (AATW) Ende Dezember 2006 eine Straßenblockade der besonderen Art errichteten.

Die Blockadeaktion

Die AktivistInnen breiteten Stacheldrahtrollen, die sie zuvor direkt aus dem besetzten Westjordanland von der dort im Bau befindlichen Barriere entfernt und nach Tel Aviv mitgenommen hatten, quer über die Straße aus. Zudem befestigten sie die roten Warnschilder, die sie ebenfalls aus der Westbank mitbrachten und die dort überall entlang der Route der Barriere zu finden sind, an den Stacheldrahtrollen. Auf den Schildern ist in hebräischer, arabischer und englischer Sprache der Warnhinweis „Mortal Danger – Military Zone. Any person who passes or damages the fence endangers his life“ zu lesen.

Die Aktion fand an der Basel Street statt, eine, aufgrund ihrer zahlreichen Kaffeehäuser, sehr beliebte und stark frequentierte Straße in der Innenstadt Tel Avivs. Flugzettel, die unter den erstaunten PassantInnen verteilt wurden, erläuterten die Zustände im Westjordanland unter der Besatzung wie zum Beispiel den mit der Barriere einhergehenden Landraub oder die aufgrund von Checkpoints und der Barriere stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung. So wollten die AktivistInnen die EinwohnerInnen Tel Avivs wachrütteln. Ein Aktivist der AATW, Jonathan Pollak, erklärte zu der Blockadeaktion: „Die Absicht, die hinter dieser Aktion an der Basel Street stand, war, den BewohnerInnen von Tel Aviv zu veranschaulichen und sie daran zu erinnern, was sich nur wenige Kilometer von hier in puncto Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Landraub in unserem Namen und mit unserer Verantwortung täglich abspielt.“ (1)

Auszüge aus dem Flugzettel der AATW

„Nur 22,7 Kilometer entfernt von der Basel Street in Tel Aviv leben 3,5 Millionen Menschen unter einer Militärherrschaft, welche grundlegendste Menschenrechte wie medizinische Versorgung oder Bewegungsfreiheit verletzt. BewohnerInnen des Westjordanlandes oder des Gazastreifens können nicht einfach einkaufen, in die Schule oder ins Krankenhaus gehen – oftmals gibt es Ausgangsperren oder (…) Checkpoints werden geschlossen. 86 % der Checkpoints im Westjordanland sind nicht so gelegen, um es von Israel abzutrennen, sie trennen die Dörfer und Städte im Westjordanland untereinander ab. (…) Überall in der Westbank werden neue ‚jewish-only-roads‘ gebaut. Den PalästinenserInnen, auf deren Ländereien solche Straßen errichtet werden, ist es verboten, diese zu benutzen.

Hinter der Grünen Linie befindet sich das größte Gefängnis Israels – das palästinensische Ghetto. Deshalb haben wir nur ein kleines Stück dieser palästinensischen Realität hierher auf diese Straße nach Tel Aviv gebracht, damit es nicht mehr möglich ist zu sagen ‚Wir wussten und sahen doch nichts‘. So sieht die Mauer (…) im Westjordanland aus, diese Auswirkungen hat sie auf das tägliche Leben der Menschen dort. Stoppt sie, damit die PalästinenserInnen kein Leben ohne die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, fristen müssen, genau so wie ihr heute hier blockiert wurdet.“

Repression

Als die alarmierten Polizeikräfte vor Ort eintrafen, hatten die AktivistInnen jedoch den Schauplatz, an dem sich mittlerweile ein beträchtlicher Stau gebildet hatte, bereits wieder verlassen, um einer Konfrontation bzw. Verhaftung entgehen zu können. Der finanzielle Aufwand, mit dem die Anarchists Against the Wall aufgrund diverser Gerichtsverfahren, Rechtsanwaltskosten etc. konfrontiert sind, hat bereits eine exorbitante Höhe erreicht. Seit April 2003, dem Datum, an dem sich eine Gruppe von AnarchistInnen bei einem Friedenscamp in Mas’ha (Westbank) unter dem Namen Anarchists Against the Wall zusammenschloss, musste ein unglaublicher Betrag von über 60.000 US-Dollar aufgewendet werden, um die Rechtskosten, mit denen die AktivistInnen konfrontiert waren und auch weiterhin sind, zu decken.

Die AATW finanzieren sich ausschließlich aus Spendengeldern. In dem repressiven Vorgehen ist eine Taktik von Seiten der israelischen Exekutive und Justiz erkennbar, um die tendenziell geringen finanziellen Mittel linker/libertärer Gruppierungen und Individuen mittels permanenter rechtlicher Schritte gegen diese zu erschöpfen und sie so handlungsunfähig zu machen.

Yossi, ein israelischer Anarchist, meint diesbezüglich:

„Die Repression gegen uns wird immer härter. Wir werden vom Staat vor Gericht gezerrt, sogar wenn er das Verfahren verliert – er hat bis jetzt noch kein einziges Verfahren gewonnen -, aber es ist für den Staat von großer Wichtigkeit, uns ständig vor Gericht zu zerren, um unsere Energie und unsere finanziellen Mittel zu erschöpfen.“ (2)

Diese Strategie kann, muss aber nicht von Erfolg gekrönt sein.

Die Tatsache, dass die Anarchists Against the Wall immer noch nicht ihre gewaltfrei-anarchistischen Aktivitäten in Israel/Palästina eingestellt haben und sich stattdessen voller Elan seit nun bald vier Jahren lautstark bemerkbar machen, spricht eine ganz andere Sprache.

(1) www.infoshop.org/inews/article.php?story=20061228103320609

(2) Lackoff, Aaron: Anarchismus in Israel, in: Gruppe CoRa Wien (Hg.): Texte und Interviews zu Anarchismus, KDV und gewaltfreiem Widerstand in Israel/Palästina, S. 16