Der folgende Beitrag ist entnommen aus: Grsak, Marijana, Ulrike Reimann und Kathrin Franke (Hrsg.) 2007: Frauen und Frauenorganisationen im Widerstand in Kroatien, Bosnien und Serbien. Lich (Verlag Edition AV, ISBN13: 978-3-936049-57-2, Preis: 17,- Euro, www.edition-av.de). S. 251 - 274. Die Kürzungen wurden für die Homepage der GWR vom Autor vorgenommen.
1. Einleitung
[…] Intention des Artikels ist zunächst die Darstellung dessen, wie deutschsprachige Medien Frauen in einem konkreten Kriegsfall – dem Kosovokonflikt – beschreiben. […]
Die von mir verwandte Methode orientiert sich an der „Kritischen Diskursanalyse“ des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Auch der vorliegende Text ist von einer Publikation des DISS inspiriert, „Medien im Krieg“, einer breit angelegten Studie zur Berichterstattung über den Kosovo-Konflikt in den deutschen Medien. Allerdings ist meine Analyse eher kursorisch […].
Neben den „bürgerlichen“ und in Deutschland allgemein bekannten Zeitungen, die auch das DISS in erwähnter Studie analysiert hat, habe ich vier Zeitungen bzw. Zeitschriften aus dem „alternativen“ Spektrum hinzugezogen: Die „Junge Welt“, die „Jungle World“ und die „Graswurzelrevolution“ (GWR), sowie die „Emma“.
Der Einbezug dieser vier Zeitungen liegt darin begründet, dass diese einen engagierten Bezug zum Thema haben und es für das zu Behandelnde relevant ist, auch die Berichterstattung aus jenen Positionen zu analysieren, die sich engagiert mit dem Kosovo-Konflikt und den Geschlechterrollen auseinandergesetzt haben. Selbstverständlich gibt es wesentlich mehr Publikationen mit einem engagierten Standpunkt, die sich mit diesem Komplex beschäftigt haben, die hier genannten haben jedoch die Vorteile, dass sie vier recht unterschiedliche Positionen einnehmen (1) und regelmäßig erscheinen. Zudem sind Tages-, Wochen- und Monatszeitung und mit der „Emma“ eine zweimonatlich erscheinende Zeitschrift präsent, denn auch das intendiert eine verschiedene Berichterstattung. (2)
[…] Interessant wird es […] für Lesegruppen im In- und Ausland, wenn hier durchgängige Strukturen entdeckt werden können. Wenn etwa – und davon gehe ich aus – die Zeitungen keineswegs eine vermeintliche „Wahrheit“ berichten, sondern grundsätzlich ihre Interpretation, die unter gewissen Voraussetzungen stattfindet, präsentieren.
Diese „Tiefenstruktur“ ist m.E. gegeben durch ein bestimmtes Geschlechter- und Rollenbild. Elshtain und Mordt (s. u.) haben dieses für die Politik der Internationalen Beziehungen analysiert und die Vermutung liegt nahe, dass sich ihre Ergebnisse auch auf die (Print)Medien beziehen lassen […].
Wenn im Folgenden, ausgehend von Elshtains und Mordts Beschreibung des Geschlechterensembles, die Vorgehensweise einzelner Medien beschrieben wird, so will ich jenen damit nicht vorwerfen, „kriegstreiberisch“ oder „patriarchal“ zu sein. In der Vergangenheit wurde dieserart von Untersuchungen häufig unterstellt, sie würden die Medien aus einem moralischen Impetus heraus kritisieren und zudem eine einseitige Medienschelte üben. Die untersuchten Diskursfragmente repräsentieren einen in ihnen wiederzufindenden Gesellschaftszustand, der allerdings von einer ethischen Warte aus durchaus zu kritisieren ist.
2. Das Ensemble der Geschlechterverhältnisse in den Internationalen Beziehungen
In ihrem Aufsatz „Das Geschlechterarrangement der klassischen Sicherheitspolitik“ (in: Harders/Roß 2002) führt Gabriele Mordt, sich auf Jean Bethke Elshtain (u.a. Elshtain 1997) beziehend, ein übersichtliches Ensemble von vier Geschlechterrollen ein, die, so die These, das Geschlechterarrangement in den Internationalen Beziehungen manifestieren.
Dieses „Tableau“ besteht auf ‚männlicher‘ Seite aus dem (erfolgreichen) Politiker und dem Soldaten, auf der ‚weiblichen‘ aus der Kriegermutter und der schönen Seele.
Voraussetzung einer jeden (pro)feministischen wissenschaftlichen Kritik der internationalen Sicherheitspolitik ist die Akzeptanz der These, dass in dieser der „politische Mensch“ nach wie vor als „politischer Mann“ verstanden wird, „Politik“, begriffen als die ‚hohen Staatsgeschäfte‘ und damit auch als „Männersache“. Damit assoziiert werden nicht nur Stärke, Konsequenz und Rationalität, sondern auch Mut und Unabhängigkeit, und dies sowohl als ‚männliche‘ Eigenschaften, als auch als jene Erfordernisse, die in der (internationalen) Politik als relevant erscheinen. Entsprechend sind sie es, die, trotz vorgeblicher Geschlechtsneutralität, Handlungen und Entscheidungen in den Internationalen Beziehungen kennzeichnen. Mordt betont, dass die dichotomen Geschlechterbilder der Internationalen Beziehungen sich nicht primär in Rationalität/Emotionalität ausdrücken, sondern vielmehr in Aktivität/Passivität, was, so Mordt, angesichts der realen internationalen Situation kaum noch Konflikte und Strukturen erklären kann, diesen Anspruch aber nach wie vor erhebt.
Der Typus des Politikers stellt sich als nüchtern und rational dar, diese Ratio steht im Zweifelsfall sowohl über Moral, als auch über gesetzlichen Begrenzungen. Er wirkt distanziert sowohl von seiner Klientel (etwa den WählerInnen), als auch von anderen „Staatsmännern“ (die seiner Ratio entgegenwirken könnten). (3) Dadurch gewinnt er an Autorität, die ihn in dem „Machtkampf“ (Morgenthau 1973) erfolgreich handeln lässt.
Dennoch ist diese Figur ausgestattet mit einer individuellen Persönlichkeitsstruktur (so kann etwa aus der „Nüchternheit“ eine negativ besetzte „Skrupellosigkeit“ werden) und spezifischen Handlungskompetenzen, die an sein jeweiliges Amt gebunden sind.
Der ergänzende Typus des Soldaten dagegen ist durch und durch emotional: Er ist bereit, bedingungslos sein Leben zu riskieren, er liebt sein „Vaterland“, die Nation und die Familie, er wird assoziiert mit Hingabe, Verbundenheit und Kameradschaft. Seine Aufgabe ist die Wahl der „effizientesten“ Mittel zur Erreichung der durch den Politiker vorgegebenen Ziele, d.h., die Vorgabe ist, den größtmöglichen Schaden für den Gegner bei geringst möglichem Verlust auf eigener Seite zu erzielen. Der so durch Hierarchien geformte Soldat kann später zum rationalen Politiker werden.
Die Typen Politiker und Soldat arbeiten Hand in Hand, sie symbolisieren Kampfbereitschaft und Kampfkraft, die eine Effizienz der Sicherheitspolitik gewährleisten sollen. Der Politiker repräsentiert dabei den „leidenschaftslosen“ und „kalkulierenden“ Aspekt dieser Politik, der Soldat den „emotionalen“. Erst beide Aspekte zusammen verhelfen der Sicherheitspolitik im traditionellen Sinne zu ihrer „Effizienz“.
Zusammengefasst ist also der männliche Typus, ob als Politiker oder Soldat, für die Sicherheit zuständig, die staatlich organisiert wird. Ausgerichtet ist diese Politik der Sicherheit auf den weiblichen Typus, auf die Kriegermutter sowie die schöne Seele.
„Weiblichkeit“ ist entsprechend diametral der „Männlichkeit“ gegenübergestellt, sie steht für Privatsphäre, Subjektivität und Abhängigkeit, allgemeiner für Schwäche, Wankelmut und Emotionalität. Als solche ist sie von der männlichen und politischen Staatlichkeit weitgehend abgekoppelt: Auf dem Tableau der Internationalen Beziehungen ist die Frau keine Staatsbürgerin im vollwertigen Sinne. Primäres Bedürfnis der ‚weiblichen‘ Typen ist Schutz. Die männliche Politik – einschließlich des Krieges – ist auf diesen Schutz ausgerichtet.
Insbesondere die schöne Seele ist der Inbegriff dieses Typus: Sie steht für Schwäche, Zartheit, Weltfremdheit, Utopismus, gleichzeitig jedoch auch – positiv konnotiert – für Tugendhaftigkeit, Gewaltfreiheit und Aufopferungsbereitschaft. Ihrem ‚weiblichen‘ Wesen sind Krieg und Gewalt absolut fremd, sie entsprechen nicht ihrem „Naturell“. Dennoch ist der Typus nicht abgekoppelt von der Sphäre des Krieges, seine Aufgabe ist die Linderung des Leids. So finden wir die schöne Seele wieder in der Geliebten des Soldaten oder in der Sanitäterin.
Die Kriegermutter ist der entsprechende Gegenentwurf zur schönen Seele. Sie ist die zivile Patriotin, die ihre Söhne vaterlandstreu zu guten Soldaten erzieht. Ebenso wie erstere ist sie bedingungslos opferbereit und unterstützt „ihre Männer“ bis zum Letzten. Sie sorgt für die Aufrechterhaltung von Opferbereitschaft und Patriotismus. Gewalt und Krieg sind für sie vertretbar, wenn das nationale Gemeinwesen und die bürgerliche Freiheit bedroht sind.
Im Sinne Foucaults sind die vier vorgestellten Idealtypen Politiker, Soldat, Kriegermutter und schöne Seele ‚Aussagen‘ (Foucault 1987) (4) über Männer und Frauen, die Macht- und Herrschaftsmechanismen möglich machen. Als solche sind sie nicht „Erfindung“ einer herrschsüchtigen männlichen Kaste, sondern wirken gesamtgesellschaftlich. Besonders deutlich wird dies bei der schönen Seele: Das Bild der pazifistischen und gewaltfreien schönen Seele wurde von der differenztheoretischen Schule innerhalb des Feminismus durchaus bereitwillig aufgenommen und positiv besetzt, sie stellt schließlich ethische Prinzipien dar, die auf ein besseres „Naturell“ der Frau hinweisen würden. Aber auch der Typus der Kriegermutter wird in feministischen Debatten durchaus wieder aufgenommen, etwa in der Diskussion um die Öffnung eines Wehrdienstes für Frauen, allgemeiner aber auch in bürgerlichen Gleichberechtigungsvorstellungen. (5)
Die durch die vier Typen dargestellten Aussagen sind dabei keineswegs starr, sondern einem steten Wandel unterworfen. Der Wandel der Kriegsformen, aber auch die Debatten um eine Berufsarmee, die Beteiligung von Frauen im Militär und an friedenssichernden und konfliktregulierenden Maßnahmen verändern die Typen nachhaltig, zumindest in den hochindustrialisierten Staaten. Insbesondere gilt dies für den leidenschaftlichen und opferbereiten Soldaten: Der Soldat, aber auch die anderen beschriebenen Typen, werden in ihren klassischen Rollen anders wahrgenommen, weil die Kriegslegitimation nur noch selten die Vaterlandsverteidigung ist. (6)
Dieses Tableau der Geschlechterzuordnungen ist rein deskriptiv. Elshtain und Mordt nutzen diese Beschreibung, um zu einer Kritik dieser Verhältnisse zu kommen. Deutlich ist erkennbar, dass es sich um Stereotype handelt. Die Geschlechterordnung in den Internationalen Beziehungen ist dichotom. Es handelt sich um eine simple Zerlegung in Eigenschaftszuschreibungen, der kein Mensch entspricht. Handlungen, die den Zuschreibungen nicht zuzuordnen sind, lösen damit Verwirrung und Unverständnis aus, häufig werden sie infolge dessen pathologisiert oder psychiatrisiert (vgl. Elshtain 1995: 163-193).
Elshtain weist darauf hin, dass das, was für die Internationalen Beziehungen beschrieben wird, Auswirkungen auf das öffentliche Leben hat: Das öffentliche Leben ist ‚männlich‘ konnotiert. (7) Medien, um die es im Folgenden geht, sind Bestandteil dieses öffentlichen Lebens. Es erscheint somit naheliegend, dass das skizzierte Tableau sich in diesen bestätigen wird. Auch Mordts Beschreibung der Funktionen des Geschlechterensembles weisen darauf hin, dass dieses Tableau in den Medien reproduziert wird: Die vier beschriebenen Stereotypen sollen in der scheinbaren „Ausnahmesituation“ Krieg Orientierungsmöglichkeiten bieten. Sie sind somit geeignet zur Legitimation, zur Verurteilung und zur Erklärung von Kriegen, rechtfertigen einzelne Handlungen innerhalb der Kriegssituation, die mit diesen Rollen erklärt werden und haben im wesentlichen eine argumentatorische Schutzfunktion gegen Kritik oder abweichende Positionen. Sie bieten, mit einem Satz, den Medien und ihren RezipientInnen Deutungsmuster […]
3. Medien im Krieg: Ergebnisse der DISS-Forschung und ergänzende eigene Ergebnisse
Das DISS (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) legte 2002 mit dem Band „Medien im Krieg.“ (Jäger/Jäger 2002) die Ergebnisse einer Kritischen Diskursanalyse vor, die über den Zeitraum 24. März bis 10. Juni 1999 auf die Printmedien Frankfurter Rundschau (FR), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), Die Tageszeitung (taz), Bild, Die Zeit, Spiegel und Focus angewandt wurde.
Andrea Kirchner, Sebastian Kreischner und Ina Ruth (in Jäger/Jäger 2002: 29-71) untersuchten in diesem Zusammenhang insbesondere die Bebilderung der Artikel zum Kosovo-Konflikt. Auffällig war – insbesondere in der BILD-Zeitung – die häufige Darstellung von Frauen und Kindern z.B. in Flüchtlingstrecks. Diese Bilder sollen an ein Mitgefühl appellieren, da Kinder und Frauen besonders schutzbedürftig seien. Auch die Darstellung deutscher Politiker auf Photos entspricht der Beschreibung Mordts: Es sind grundsätzlich Männer, die hier als „seriös und bereit, Verantwortung zu übernehmen“ (Jäger/Jäger 2002: 39) dargestellt werden.
Die nahezu einzige Frau, die als Individuum in den untersuchten Medien benannt und dargestellt wurde, war Mirjana Markovic, die Ehefrau Slobodan Miloševics. Sie tritt in der Berichterstattung allerdings nicht aus dem Schatten ihres Mannes hervor.
Unter meiner Fragestellung ist aus dem Band des DISS die Feinanalyse eines Kommentars in der taz von Sonia Mikich (Jäger/Jäger 2002: 265-275) herauszuheben: Es ist offensichtlich, dass sie erwählt wurde, diesen Kommentar zu schreiben, weil sie jugoslawischer bzw. serbischer Herkunft ist. (8) Als solche, so scheint es, darf sie in der Form des Kommentars das Vorgehen der NATO kritisieren, und sie tut dies hauptsächlich, wie es von ihr erwartet wird: Emotional. (9) Das macht schon die Überschrift ihres Kommentars deutlich: „Wir haben verloren, ich habe verloren“ (Hervorhebung von mir, T.B.). Mikich ruft in Form ihrer Verwandtschaft, die individuellen Opfer auf den Plan, um sie argumentativ gegen die Kriegsführung einzusetzen (10), sie stellt diskursiv Nähe her (vgl. Jäger/Jäger 2002: 267). Damit destruiert sie die üblichen Feindbilder – das Kollektivsubjekt „Serben“ – und benennt alle Beteiligten als VerliererInnen des Konflikts: „Wir haben verloren, ich habe verloren“.
Da das DISS von einer anderen Fragestellung ausging, ist aus dem Forschungsergebnis keine Aussage über die Menge der Berichterstattung herauszufinden, die Frauenrollen oder auch Geschlechterrollen (mit)thematisiert. Durch die eigene kursorische Analyse kann vorläufig festgehalten werden, dass dies insgesamt selten der Fall war. […] Gleichzeitig ist auffällig, dass das Benennen geschlechtlicher Rollen mit den zu erwartenden Zuschreibungen erst im weiteren Verlauf des Konflikts auftritt: Den JournalistInnen scheint es notwendig erschienen zu sein, erst die allgemeinen „Grundlagen“ zu klären, bevor „vertiefend“ berichtet werden konnte.
In dieser „vertiefenden“ Berichterstattung erhalten Frauen eine Rolle , die sich als natürlich, hegend und pflegend, passiv und leidend beschreiben lässt. Die Konsequenzen dieser Berichterstattung können dabei durchaus verschieden sein. Allgemein jedoch intendiert der deutschsprachige Journalismus den Zusammenhang zwischen Weiblichkeit und Privatheit: Frauen müssen in Sicherheit gebracht werden, also aus dem Öffentlichen, das in diesem Fall kriegerisch ist, entfernt werden. Deutliche Verwirrung, gespickt mit einem vorwurfsvollen Duktus, spendet den Medien etwa die Integration von Frauen in (para)militärische Streitkräfte: „Spiegel“ und „WAZ“ betonen die Aufnahme von „Brüdern und Schwestern“ (Spiegel 13/99) in die UÇK (Ustria Çlirimtare e Kosoves: Befreiungsarmee des Kosovo). Als Erklärungsmuster für dieses „unweibliche“ Verhalten muss der Nationalismus herhalten – teilweise sicherlich zu recht: Betont wird in der „WAZ“ (7.4.1999) etwa die albanische „Tradition“, die die Frauen mitkämpfen lässt. Aber auch die Mobilmachung „aller“ Serben, einschließlich Frauen, wird ähnlich thematisiert (Spiegel 13/99).
[…]
Die Printmedien beweisen ein wesentliches Interesse, Opfer darzustellen und stellen damit, wie die zitierte Studie des DISS belegt, eine Legitimationsstrategie für das Eingreifen der EU zur Verfügung. Dabei bedienen sie traditionelle Klischees, insbesondere jenes von Frauen in passiven Opferrollen. Es ist allerdings Vorsicht angebracht, diesen Medien deshalb „Kriegstreiberei“ vorzuwerfen. Die Medien nutzen Symboliken, die sie bei ihren LeserInnen als bekannt voraussetzen. Die Analyse dieser Berichterstattung wirft somit einen Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs, in dem entsprechende geschlechtliche und nationalistische Rollenbilder verankert sind. Dass es sich keineswegs um eine bewusste Strategie für den Eintritt in einen militärischen Konflikt handelt, sollte der Blick auf jene Medien zeigen, die die westliche Intervention kritischer beurteilen.
4. Alternative Medien
[…]
4.3. Graswurzelrevolution
Abgesehen von einem Leserbrief in der „WAZ“ ist die „Graswurzelrevolution“ die einzige Zeitung, die antimilitaristische Fraueninitiativen aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens benennt und selber zu Wort kommen lässt. Die Belgrader „Frauen in Schwarz“ werden schon im ersten Leitartikel zum Kosovo-Konflikt (GWR 238, April 1999) als Organisation benannt, die (serbische) Deserteure versteckt. Im weiteren Verlauf der selben Ausgabe kommen die (ex)jugoslawischen Frauen dieser Initiative selbst zu Wort (11): Auf S.11 dokumentiert die GWR einen offenen Brief von Lepa Mladenovic, der mit den Worten endet „So senden Feministinnen und Pazifistinnen aus Belgrad ihre schwesterlichen Grüße zu ihren Freundinnen und zu den albanischen Frauen mit ihren Familien im Kosovo.“; auf S.12 beschreibt Teodora Tabacki von den Belgrader „Frauen in Schwarz“ die „Antikriegsbewegung in Jugoslawien“ und die „Mythologisierung des Kosovo“, die nicht nur vom Regime, sondern auch von der Opposition reproduziert würde. Tabacki fordert eine „Demythologisierung“, um „etwas in Jugoslawien zu verändern“.
Auf S.11 meldet sich die Redaktion der GWR selbst zu Wort in einem Artikel mit dem vielsagenden Titel „Männer führen Krieg!“ Argumentativ wird als Grund für das Eingreifen der NATO, da kein anderer zu finden sei, „eine nur aus dem Patriarchat erklärbare Allmachtsphantasie der NATO-Männer“ benannt. Es sei die „omnipotente, männliche Lust […] sich […] die eigene kriegerisch-männliche Potenz immer wieder zu beweisen.“ Im selben Artikel wird Miloševic eine ähnliche Intention unterstellt. Er wolle seine „männliche Ehre“ retten und nicht als feige und „‚unmännlich‘ dastehen“. Der Artikel endet parolenhaft: „Militarisierte Männlichkeit heißt Krieg! Nieder mit der Männlichkeit!“
Interessanterweise wird die „Männlichkeit“ des Krieges nicht in Zweifel gezogen, durch die Verwendung der Anführungsstriche aber die „Unmännlichkeit“ der Feigheit. Trotz der stark verkürzten Parolenhaftigkeit des kurzen Kommentars – verletzter männlicher Stolz wird kaum die Begründung des Eingreifens gewesen sein – rekurriert die GWR hier durchaus sinnig auf die von Mordt unterschiedenen Mannsbilder des Soldaten und Politikers, die diese bestimmte Handlungsweise intendieren.
Auch in der folgenden Ausgabe (GWR 239, Mai 1999) lässt die „Graswurzelrevolution“ im Leitartikel „Gegen den Krieg!“ Belgrader nichtstaatliche Organisationen zu Wort kommen. (12) Auf S.7 dokumentiert sie einen Aufruf gegen den Krieg der Belgrader „Frauen in Schwarz“. Die AutorInnen (13) betonen hier ihre solidarische Netzwerkarbeit auch mit „Frauen aus NATO-Ländern“ und bezeichnen sich als „Frauenorganisation, die sich immer gegen Militarismus engagiert hat“ – ohne darauf zu rekurrieren, dass dies ’natürlicherweise‘ so sein müsse.
Die Ausgabe 239 der GWR enthält erneut eine Massenbeilage, diesmal unter dem Motto „Stoppt den Krieg!“. Diese Beilage thematisiert Geschlechterverhältnisse kaum, was jedoch ebenso aufschlussreich ist. Wenn es z.B. Volker Maria Hügel von „Pro Asyl“ in seinem Artikel „Krieg und Flüchtlingspolitik (S.2 der Beilage) gelingt, auf die Klischees von Frauen, Kindern und Alten als passive Opfer (14) zu verzichten, ist dies als Hinweis auf eine wertende und doch unbestechliche Journalistik zu verstehen. (15) Der Autor Harold the Barrel dagegen thematisiert die Rolle der Medien allgemein in seinem Artikel „Medienpropaganda. Instrumentalisierung des Leids für den Krieg.“ (S.3 der Beilage). Unter Punkt 4 seiner Argumentation kritisiert er das Schweigen der Medien über „Alternativen zum Krieg“, unter die er auch „feministische […] Oppositionsgruppen“ fasst. Diese Äußerung beinhaltet allerdings nicht automatisch die Assoziation, dass Feminismus mit Pazifismus bzw. Antimilitarismus einhergeht, sondern sie ist vielmehr der Erfahrung durch die Kontakte insbesondere mit den „Frauen in Schwarz“ geschuldet.
Allgemein betrachtet, begeht die GWR nicht den Fehler, Organisationen wie die „Frauen in Schwarz“ für eine eigene Interpretation von Feminismus und Pazifismus zu instrumentalisieren, sie gelten vielmehr als gleichberechtigte und gleichgesonnene InformantInnen.
Ein letzter Artikel, der den kriegerischen Konflikt in Jugoslawien/Kosovo analysiert, ist in dieser Ausgabe der GWR der Artikel „Warum gerade Jugoslawien/Kosovo? Die Suche nach den wirklichen Kriegsmotiven der NATO.“ (S.13f.) für den sich als Autor ebenfalls Harold the Barrel verantwortlich zeigt. Der Autor präsentiert hier verschiedene potentielle Angriffsmotivationen, wie sie in einer deutschsprachigen linken Kriegsopposition rezipiert und diskutiert wurden. Neben der „Bestrafung des IWF-Schuldners“, der „Sicherung des ‚Erdbebengürtels'“, der „kriegstreiberischen Internationale der Sozialdemokratie“ und der Konkurrenz zwischen USA und EU wird hier auch der „patriarchale […] Allmachtswahn als Grund für das ‚Hineinschlittern'“ benannt. Das „Geschlechterarrangement der Internationalen Beziehungen“, wie Elshtain und Mordt es beschreiben, harmoniert sicherlich (wenn auch mit anderem Vokabular) teilweise mit dieser These des ‚patriarchalen Allmachtswahns‘, jedoch nicht als Erklärung für diesen konkreten bewaffneten Konflikt. Harold the Barrel ist sich dessen bewusst, wenn er nicht den Beginn der Gewalt, sondern die als naturgemäß erscheinende Eskalation der Gewalt hiermit erklärt.
Die GWR 240 erschien im Juni 1999 – „bei Layoutschluss sieht es so aus, als ob der Krieg vorläufig beendet wird.“, konstatiert Koordinationsredakteur Bernd Drücke im Editorial (S.2). Sowohl die Berichterstattung der GWR als auch die der anderen alternativen und Mainstream-Printmedien wendet sich anderen Themen zu. Neben drei längeren Artikeln thematisiert Achim Schmitz von „Schwule Kriegsdienstgegner e.V.“ im Kontext der zu planenden Christopher Street Days 1999 Homosexualität und Militarismus unter der Forderung „Keine schwulen Soldaten auf den Christopher Street Days!“ (S.4):
„Weiter hieß es, Soldatentum sei im Kontext eines patriarchalen Männlichkeitsbildes zu sehen, das zum Maßstab der Männerrolle gemacht werde. Frauen komme in Kriegen immer die Aufgabe des Beschützens der Kinder zu, während sie selbst Opfer von Gewalt und Vergewaltigungen werden, um die Gegner (Männer) zu demütigen.“
Der zitierte Artikel ist dem Bericht vom „Zweiten Großen Ratschlag“ „emanzipatorischer lesbischer, schwuler, bi-, trans- und intersexueller Menschen“ vom 17.4.1999 entnommen. Dies impliziert kultürlich einen kritischen Umgang. Der Formulierung ist anzumerken, dass es hier um eine Kritik der herrschenden Geschlechterverhältnisse geht, die tendenziell der kritischen Analyse Elshtains und Mordts nahe ist.
Ihren wichtigsten Grund hat diese oftmals reflektiertere Berichterstattung m.E. (vgl. mein Fazit in Kap. 5) auch darin, dass sich die AutorInnen engagierter Presseerzeugnisse oftmals – wenn nicht überwiegend – keineswegs im Spezialdiskurs Medien, sondern mindestens ebenso im Spezialdiskurs Wissenschaft bewegen. Deutlich wird dies auch in dem Artikel „Moderne, Nationalismus und Krieg“ in der Ausgabe der GWR 240 (S.10f.), wiederum geschrieben von Harold the Barrel.
Die obige kurze Einführung in das „Geschlechterensemble der Internationalen Beziehungen“ sollte deutlich gemacht haben, dass das Klischee der Geschlechterrollen nicht ohne entsprechende nationalistische Klischees auskommt. Was Elshtain und ihr folgend Mordt beschreiben, ist jedoch ein spezifisch modernes Ensemble. Harold the Barrel unterscheidet in seinem Beitrag einen ‚postmodernen Nationalismus‘ (Bsp. BRD) und einen ‚vormodernen Nationalismus‘ (Bsp. Kosovo), in dem diese Rollen sich anders darstellen, als bei Elshtain und Mordt beschrieben. „Soldatenmütter rufen ihre Söhne heim – auch weil sie sie für ihre Subsistenzwirtschaft brauchen.“, konstatiert er. Ebenso wie deutsche Soldatenmütter, die gegen den Einsatz ihrer Söhne protestierten, entsprechen sie nicht dem Idealtypus der Kriegermutter – was weiter nicht verwunderlich ist. (16) Bemerkenswert ist aber ihr Erscheinen in der bundesdeutschen Medienlandschaft.
[…]
5. Fazit
Insgesamt ist, was die Mainstream-Printmedien betrifft, festzustellen, dass die These der Übertragbarkeit des Geschlechterensembles der Internationalen Beziehungen auf die mediale Ebene sich bestätigt hat, allerdings ist für die Printmedien die Achse Emotionalität/ Rationalität in der „normal“ erscheinenden Relation mit der Dichotomie Weiblichkeit/ Männlichkeit ungleich wichtiger. […]
Die Bilder der schönen Seele und der Kriegermutter werden in den untersuchten Mainstreamprintmedien genutzt, aber in diesem Fall negativ dargestellt. Sie dienen einer Delegitimation der serbischen und albanischen Interessen. Intendiert wird damit, dass die westeuropäischen RezipientInnen über solche Klischees hinweg seien. Positiv besetzte Frauen sind passive Opfer, negativ besetzte nehmen die oben genannten Rollen ein und sind dabei aktiv, als politisch engagierte Soldatenmutter (taz) oder auch als Krankenschwester (WAZ), die ebenfalls als Kriegermutter erscheint.
Die Berichterstattung über Mirjana Markovic fällt allerdings ein wenig aus dem Rahmen: Am naheliegendsten wäre eine Kategorisierung in die Rolle der Kriegermutter, die insofern zutreffend ist, als dass der entsprechende Patriotismus in den Medien referiert wird; aber insgesamt scheint hier die Frau ganz ausgeblendet zu sein, „Markovic“ lässt sich durch „Miloševic“ ersetzen.
[…]
Die Frauenbilder der Kriegermutter und der schönen Seele betreffend, befinden sich die untersuchten Alternativmedien zwar im offiziellen medialen Diskurs, vertreten in ihren Aussagen jedoch nicht die Meinungshegemonie: So präsentiert die „Junge Welt“ beispielsweise zwar Kriegermütter, diese sind jedoch Kriegsgegnerinnen, ohne dabei schöne Seelen zu sein. Ähnlich wie die subsistent wirtschaftenden Soldatenmütter, die die GWR 240 (S.10f.) benennt, wird hier ein klassisches Bild von der lebensschützenden und evtl. -rettenden Mutter präsentiert, die deshalb noch keineswegs z.B. feministisch oder antinationalistisch sein muss. Frauen als Mütter gebären Leben und schützen dies mit ihrer Fürsorge; weshalb ja Friedensaktivistinnen nicht auch gleich Feministinnen sind bzw. antinationalistisch, sprich frei von Patriotismus etc.
[…]
Die „Graswurzelrevolution“ und „Emma“ schließlich umgehen Geschlechterklischees weitestgehend, indem sie die betroffenen Frauen selbst zu Wort kommen lassen.
Der andere – positiv zu bewertende – Umgang mit den verschiedenen Männer- und Frauenrollen in den untersuchten Alternativmedien hat diverse diskursive und materielle Hintergründe: Gerade die beiden letztgenannten Medien haben einen klaren, engagierten Standpunkt in Friedens- bzw. auch in Geschlechterfragen. Für sie wie auch für die „Junge Welt“ und „Jungle World“ gilt, dass sie nicht den Anspruch erheben, „objektiv“ berichten zu wollen, sondern klare Positionen vertreten und diese argumentativ belegen, also eine andere Diskursstrategie verfolgen, die von den VertreterInnen der Mainstream-Medien sicherlich als „unprofessionell“ abgetan würde. Zudem bewegen sich die vier untersuchten Alternativmedien an Übergängen verschiedener Diskursebenen: Während der Mainstream sich nur auf der Medienebene bewegt, haben sie größere Schnittstellen zur Diskursebene des politischen Engagements und dem Spezialdiskurs der Sozialwissenschaften.
Die materiellen Umstände sind ebenfalls andere: Zum einen handelt es sich um Medien mit einer mengenmäßig geringen, dafür aber spezialisierten LeserInnenschaft, die eine andere Form des Journalismus erwartet – mithin sind die Nachrichtenfaktoren andere. Rein ökonomisch weist die geringere Zahl der LeserInnen auch auf eine prekäre Finanzlage hin, die keine oder nur wenige KorrespondentInnen vor Ort zu lassen. Weiterhin ist die Erscheinungsweise zu betrachten: „Jungle World“, „Graswurzelrevolution“ und „Emma“ erscheinen in vergleichsweise hohen Abständen mit einem Umfang, der ausführliche Hintergrundanalysen zulässt. Dadurch sind diese Medien nicht an das tagesaktuelle Geschehen gebunden.
Durch das Einbinden engagierter Organisationen und Einzelpersonen aus Jugoslawien ist der „Graswurzelrevolution“ im Vergleich der würdevollste Umgang mit den direkt Betroffenen gelungen. In gewissem Sinne ist dies ein diskursiver „Zufall“, denn die Intentionen von „GWR“ und den selber sprechenden Organisationen sind nahe beieinander bzw. sogar identisch. Die Berichterstattung der „Emma“ ist ähnlich positiv zu bewerten.
Die meisten AutorInnen der Alternativmedien reflektieren die Auswirkungen hierzulande, anstatt für Dritte sprechen zu wollen. Die Beschreibung der Situation in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens wird gerade in der GWR über weite Strecken den direkt Betroffenen überlassen. Sie unterscheidet nicht geschlechtlich zwischen Opfern und TäterInnen, sondern bewertet geschlechtsneutral und unabhängig von ethnischer bzw. nationaler Herkunft. Wie bei der GWR so werden auch bei der „Emma“ Frauen nicht als die passiven Opfer einer männlichen Politik vorgestellt, sondern eben jene, die sich aktiv gegen Krieg einsetzen.
[…]
Wie der „Jungle World“, so ist auch der GWR Nationalismus bzw. Nationalismen ein relevantes Thema. So weist Tobias Pflüger darauf hin, dass es notwendig sei, den „Nationalismus aller betroffenen Gruppen […] zu verurteilen.“ (GWR 239, S.8: „Krieg an der Heimatfront“). Harold the Barrel weist auf die Ungleichzeitigkeit der Nationalismen hin (GWR 240, S.10f.: „Moderne, Nationalismus und Krieg“), albanischer und serbischer Nationalismus gelten ihm als „vormodern“, der deutsche/europäische und US-amerikanische Nationalismus dagegen als „postmodern“. Diese Ungleichzeitigkeit verweist wiederum auf den Umgang der Mainstream-Medien mit dem Geschlechterensemble, denn dieses wird je nach Aussageintention negativ oder positiv konnotiert.
Dies verweist letztendlich auch darauf, dass Elshtains und Mordts Beschreibung des Ensembles teilweise vereinfachend ist, denn selbst die Idealtypen variieren von Konflikt zu Konflikt und von Staat zu Staat: Staaten und Staatenbünde, die hochtechnisiert sind, brauchen etwa den traditionellen Soldatentypus nicht mehr. Argumente wie „Vaterlandsverteidigung“ ändern sich in die „Verteidigung der westlichen Werte“ oder auch „Friedenseinsatz für Menschenrechte“ (vgl. auch Heike Kleffner in „Jungle World“, 14.4.1999: „Zivildienst in Flecktarn“). Mithin erscheinen auch die Frauenbilder und das gesamte Geschlechterarrangement variabler, als es die Beschreibung Elshtains und Mordts vermuten lassen. Mag dieses Arrangement auch hegemonial sein, die Analyse der Printmedien weist darauf hin, dass gerade der Konflikt im Kosovo den Beginn eines ereignishaften Bruches mit diesem Arrangement darstellt. Das kommende Geschlechterensemble wird allerdings ebenso eine soziale Konstruktion präsentieren, die der veränderten globalen Lage angepasst ist bzw. sich variabel den jeweiligen Umständen anpasst.
6. Literatur
- Anker, Elisabeth u.a. (Hrsg.) 2003: Männerkrieg und Frauenfrieden. Geschlechterdimensionen in kriegerischen Konflikten. Wien.
- Bilke, Nadine 2002: Friedensjournalismus. Wie Medien deeskalierend berichten können. Münster.
- Drücke, Bernd 1998: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland. Münster/Ulm.
- Elshtain, Jean Bethke 1995: Women and War. Chicago.
- Elshtain, Jean Bethke 1997: Real Politics. Baltimore/London.
- Foucault, Michel 1987: Archäologie des Wissens. Frankfurt a.M.
- Foucault, Michel 2004: Geschichte der Gouvernementalität. Band 1 u. 2. Frankfurt a.M.
- Friedrich, Rudi und Tobias Pflüger (Hrsg.) 2004: In welcher Verfassung ist Europa? Europäische Union: Militarisierung und Flüchtlingsabwehr. Grafenau.
- Galtung, Johan 1975: Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Hamburg.
- Galtung, Johan 1999: Friedensjournalismus. Niedere und hohe Straße der Konfliktberichterstattung. In: epd-Entwicklungspolitik 6/99.
- Galtung, Johan und Mari Holmboe Ruge 1965: The Structure of Foreign News. The Presentation of the Congo, Cuba and Cyprus Crises in Four Foreign Newspapers. In: Journal of Peace Research 2, S. 64-91.
- Galtung, Johan und Richard Vincent 1992: Global Glasnost. Toward a New World Information and Communication Order. Hampton.
- Hall, Stuart 1994: Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht. In: Ders.: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg. S.137-179.
- Harders, Cilja und Bettina Roß (Hg.) 2002: Geschlechterverhältnisse in Krieg und Frieden. Perspektiven der feministischen Analyse internationaler Beziehungen. Opladen.
- Initiative Intelligente Deeskalations-Strategie (IIDS) 2003: Vorläufiges Konzept einer Intelligenten Deeskalations-Strategie für UNO, Demokratien, demokratische Bewegungen und Parteien sowie Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs). Aktualisierte Fassung 2003 der Version 1996. In: DISS-Journal/kultuRRevolution. Sonderheft Irak-Krieg 2003. S.5-7.
- Jäger, Margarete und Siegfried Jäger (Hg.) 2002: Medien im Krieg. Der Anteil der Printmedien an der Erzeugung von Ohnmachts- und Zerrissenheitsgefühlen. Duisburg.
- Jäger, Siegfried 2001: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburg.
- Jäger, Siegfried und Jobst Paul 1994: Von Menschen und Schweinen. Der Singer-Diskurs und seine Funktion für den Neo-Rassismus. (= DISS-Texte Nr. 13). Duisburg.
- Klaus, Elisabeth und Susanne Kassel 2003: Frauenrechte als Kriegslegitimation in den Medien. In: Anker u.a. 2003. S.13-27.
- Krippendorff, Ekkehart 1985: Staat und Krieg. Die historische Logik politischer Unvernunft. Frankfurt a.M.
- Lippmann, Walter 1964: Die öffentliche Meinung. München.
- Mordt, Gabriele 2002: Das Geschlechterarrangement der klassischen Sicherheitspolitik. In Harders/ Roß 2002. S.61 – 77.
- Morgenthau, Hans J. 1973: Politics among Nations: The Struggle for Power and Peace. 5. Auflage, New York.
- Moser, Maria Katharina 2003: „Auf das Opfer darf keiner sich berufen.“ Opfer-Konstruktionen im Spannungsfeld von Krieg, Religion und Geschlecht. In: Anker u.a.2003. S.77-91.
- Oed, Cornelia 2002: Das Konzept des Friedensjournalismus nach Galtung – Umgesetzt in der Monatszeitschrift „Graswurzelrevolution“? Hausarbeit im Reflexionskurs „Kriegsberichterstattung“ (Dr. Armin Scholl) am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Download von http://www.graswurzel.net/news/friedensjournalismus.shtml am 9.11.2005.
- Zajovic, Staša 2004: Ehemaliges Jugoslawien: Nationalismus und Militarismus in der Nachkriegszeit. In: Friedrich/Pflüger 2004. S.101-108.
6.1. Verwendete Homepages
(1) Die "Junge Welt", ursprünglich Tageszeitung in der DDR, hat eine sehr Milosevic-freundliche und NATO-kritische Stellung bezogen (und tut dies immer noch), die ich im nachhinein nicht als pazifistisch bezeichnen möchte. Sie bedient im wesentlichen ein linkes Parteienspektrum bzw. ein parteifreundliches. Die "Jungle World", eine mittlerweile sehr eigenständige Abspaltung der "Jungen Welt", bedient dagegen ein außerparteilich engagiertes Spektrum, teilweise mit Affinität zu "antideutschen" Positionen, was a) eine nicht grundsätzlich kriegsgegnerische Position intendiert aber b) auch eine besondere Kritik an der deutschen Beteiligung am Krieg und c) eine besondere - teilweise durchaus berechtigte - Skepsis gegenüber US-kritischen Positionen. Die "Graswurzelrevolution" versteht sich als explizit gewaltfrei und damit auch als originär pazifistisch - es kann damit thesenhaft davon ausgegangen werden, dass diese drei Zeitungen ein breites repräsentatives Meinungsspektrum abdecken. Zur "Graswurzelrevolution" vgl. Drücke 1998: 165-181 [...].
(2) Dass die verschiedenen engagierten Standpunkte unterschiedliche Berichterstattungen vermuten lassen, soll nicht intendieren, dass sich diese außerhalb eines Mediendiskurses befänden. Eine Diskursanalyse, die sich an den Vorschlägen Michel Foucaults orientiert, sollte sich vielmehr einer gemeinsamen Struktur aller untersuchten Medien widmen. Wenn im Folgenden auch die inhaltlich durchaus divergierenden Positionen der verschiedenen Medien benannt werden, so ist nicht deren "ideologiekritische" Analyse vorrangige Intention dieses Artikels. Das Interesse an diesen engagierten Medien liegt vielmehr darin begründet, dass eben auch sie Bestandteil des Diskurses sind. "Engagiert" meint in diesem Kontext einen Journalismus, der auf die Veränderung der materiellen Verhältnisse und des Diskurses zielt, jedoch gleichzeitig eine sich im Diskurs befindende emanzipatorische Position, die als innerhalb dieses Diskurses marginalisiert verstanden werden kann.
(3) Dass es in diesem Modell verschiedene Rationalitäten zu geben scheint, die eine Distanzierung unter Staatsmännern nötig machen, weist auf ein Dogma der Sicherheitspolitik hin, jenes der nationalen Souveränität: Die jeweilige Ratio ist an das vermeintliche Interesse einer entsprechenden Nation gebunden. Vgl. das Konzept der "Staatsräson" bei Krippendorff 1984 sowie Foucault 2004, Bd.1.
(4) Foucault geht es um eine Analyse der Aussagen, der "Atom[e] des Diskurses". (Foucault 1987: 117). Aussagen differenziert Foucault von Äußerungen, indem er sie definiert als unzerlegbare und isolierbare Elemente des Diskurses, die "in ein Spiel mit anderen [...] ähnlichen Elementen eintreten" (Foucault 1987: 117) können, unter strengen Bedingungen stets wiederholbar sind und vor allem eine "materielle Existenz" (Foucault 1987: 145) haben. Aussagen sind, im Gegensatz zu Äußerungen, Träger jeweils gültiger "Wahrheiten". Die vier vorgestellten Typen stellen solche "Wahrheiten" dar.
(5) Bei der Betrachtung von Fernsehdebatten mit Beteiligung von Alice Schwarzer kann etwa durchaus der Verdacht aufkommen, sie würde mit aller Kraft versuchen, dem Typus der Kriegermutter gerecht zu werden.
(6) Aber auch diese Wahrnehmung gilt nur begrenzt und nicht in allen Gesellschaften: Die Gesellschaften der "eingreifenden" NATO-Staaten benötigen hier ganz andere Typen als angegriffene Regionen. In den Nachfolgestaaten Jugoslawiens war und ist der Nationalismus als Legitimationsideologie für die Kriegsführung der 1990er Jahre maßgeblicher als etwa in der BRD oder auch den USA, entsprechend sind die Rollen "Soldat" und Kriegermutter dort auch eher auffindbar.
(7) Die feministische Aussage "Das Private ist politisch." weist schon seit den 1970er Jahren genau auf diesen Missstand hin. Es empfiehlt sich m.E., den Begriff des "öffentlichen Lebens" hier mitzureflektieren: Das "Private", die dem 'Femininen' zugeordnete Sphäre, ist Bestandteil des öffentlichen Lebens, dieses wird politisch und damit in aller Regel nach 'maskulinen' Mustern interpretiert und entsprechend behandelt.
(8) "Ich war stolz, in den 60ern halbe Jugoslawin zu sein. [...] Mit dem Aufstieg Miloševics mutierte ich zur halben Serbin." (Mikich, Sonia: "Wir haben verloren, ich habe verloren", Die Tageszeitung vom 16.4.1999, zitiert nach Jäger/Jäger 2002: 278)
(9) Damit will ich keinesfalls einer Emotionalität in solchen Debatten eine Absage erteilen, sondern vielmehr kritisieren, dass diese an Vorstellungen von "Weiblichkeit" gekoppelt ist.
(10) Nicht zu verschweigen ist dabei, dass dies nicht ihre einzige Argumentation ist. Sie geht auch auf die Problematik des Krieges als Ganzem ein und verweist auf die Rolle, die dieser für die Zukunft spielen wird. Das DISS kommt damit zu dem Schluss, dass Mikichs Kommentar "beispielhaft für eine effektive Kritik am Krieg angesehen werden" kann (Jäger/Jäger 2002: 274).
(11) Die Seiten 9-11 dieser Ausgabe der GWR wurden schon vor Erscheinen der GWR 238 als Massenbeilage in Umlauf gebracht.
(12) Die Organisationen im einzelnen: Bürgervereinigung für Demokratie, Belgrader Kreis, Belgrader Zentrum für Frauenstudien, Zentrum für Demokratie und freie Wahlen, Zentrum für den Übergang zur Demokratie, Initiative der Zivilgesellschaft, Ökologisches Zentrum, Europäische Bewegung in Serbien, Forum für ethnische Beziehungen, Gruppe 484, Helsinki Komitee für Menschenrechte in Serbien, Nezavisnost - Gewerkschaftsbund, StudentInnenunion von Serbien, Union für Wahrheit über den antifaschistischen Widerstand, VIN - wöchentliche Videonachrichten, Frauen in Schwarz, Jugoslawisches RechtsanwältInnenkomitee für Menschenrechte.
(13) Der Name "Frauen in Schwarz" sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in ihren Reihen auch pazifistische und profeministische Männer befinden - ein nicht zu übersehendes Detail, das Aussagekraft über das Verständnis von Geschlechtsstereotypen der "Frauen in Schwarz" hat.
(14) Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen, Kinder und Alte in Kriegs- und Konfliktsituationen die Opferrolle überproportional inne haben. Kritisch zu beurteilen ist allerdings der diskursive und mediale Umgang damit. Vgl. dazu Moser 2003, 77-91.
(15) Ich argumentiere hier wie teilweise auch im Folgenden in den Kriterien des Friedensjournalismus von Johan Galtung und den Vorschlägen der Initiative Intelligente Deeskalationsstrategie. Ich verweise in der Literaturliste auf die entsprechenden Werke.
(16) Kriegermütter im Sinne Elshtains und Mordts sind Frauen in dieser Beschreibung zwar nicht mehr, Mütter jedoch allemal. Den Frauen wird unterstellt, sie wollen Leben schützen (Mutterschaftsideologie), letztlich zeigt diese Beschreibung jedoch auch deren ökonomische Abhängigkeit vom männlichen Geschlecht.
Das Buch
Marijana Gršak, Ulrike Reimann und Kathrin Franke
Frauen und Frauenorganisationen im Widerstand in Kroatien, Bosnien und Serbien
Verlag Edition AV
ISBN: 3-936049-57-2
ISBN 13: 978-3-936049-57-2 Taschenbuch; 320 Seiten