no war! no g8!

Die Gewalt der Globalisierung und die Globalisierung der Gewalt

Klimabericht und technokratische Lösungen / "NO WAR! NO G8! Sturmwarnung"-Extrablatt und Schwerpunkt im Innenteil dieser GWR

Vom 6. bis 8. Juni veranstalten die Regierungschefs der acht mächtigsten Wirtschaftsnationen in Heiligendamm bei Rostock einen G8-Gipfel. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir in dieser GWR mehrere Hintergrundartikel zum Thema, sowie eine vierseitige Aktionszeitung im Innenteil, die extra bestellt und verteilt werden kann. Der Gipfel wird sich mit besorgter Miene auch den Veränderungen des Weltklimas annehmen. Doch es ist nicht der völlig verallgemeinerte "Mensch", der die Hauptursache der Klimakatastrophe bildet, es ist die Struktur der industriellen, wachstumsorientierten, kapitalistischen Gesellschaft, die solche "Menschen" formt. Und es sind vor allem die "Menschen" der ärmeren Länder, welche die Folgen zu tragen haben. (GWR-Red.)

Der gerade diskutierte zweite Teil des UN-Klimaberichts geht davon aus, dass die von Menschen verursachten Veränderungen des Weltklimas durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und vermehrte Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen angreifen, dass vor allem die Ärmsten und ohnehin Bedrohten gefährdet sind. Das weitere Ansteigen des Meeresspiegels werde Inseln und ganze Landstriche überfluten, die häufiger auftretenden extremen Wetterlagen, Dürren und Hochwasser bedrohten auch Länder, die bislang nicht als akut gefährdet galten. Tierarten und Pflanzensorten seien vom Aussterben bedroht. Und dies geschehe schneller als bisher erwartet.

Das Abschmelzen der Gletscher vieler Gebirge, der auftauende Permafrost in der Tundra und das abschmelzende Eis in Grönland und an den Polen waren deutliche Zeichen.

Tendenzen hin zu unregelmäßigen Vegetationsperioden, veränderten Vorkommen von Tieren und Pflanzen, etwa von Fischen in der Nordsee oder das Ausbleiben des Vogelzuges bei Zugvögeln sind zu beobachten.

Große Konflikte gab es um die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“, denn die Vertreter der Länder mit dem meisten CO2-Ausstoß, aufstrebende Energieverbraucher und notorische FortschrittsoptimistInnen versuchten, die öffentlich aufgenommenen Ergebnisse und Empfehlungen abzuschwächen. Man müsse schließlich sehen, dass die Erwärmung auch Heizkosten spare, häufigere und bessere Ernten in manchen Teilen der Welt ermögliche, dass die Erwärmung der Atmosphäre erdgeschichtlich gerade neue Arten hervorgebracht habe…

Überraschungen: Die Krise als Chance?

Es überrascht, dass auf eine 1500 Seiten starke Studie schnell politische Antworten veröffentlicht wurden. Die Maschine, die Krisen gar nicht mehr anders denn als „Chance“ wahrnehmen kann, produziert sofort neue „Hoffnungsträger“, und sei es der G 8-Gipfel, der sich in Heiligendamm mit dem Thema Klima befassen werde.

Überraschend ist, dass auch gut informierte BeobachterInnen, die erkennen, dass die Haupt-Leidtragenden des Klimawandels arme Bevölkerungen in Bangladesh oder Burundi sind, deren Beitrag zur Klimaveränderung kaum messbar und deren CO2-Ausstoß minimal ist, angesichts der „apokalyptischen Szenarien“ – in politischen Optimismus verfallen:

„Das Klimathema hat tatsächlich das Potential, die Welt zu verbessern. Nicht weil hier jemand moralisch argumentiert. Sondern weil ohne Gerechtigkeit gar nichts mehr geht.“ (1)

Es ist die vorschnelle Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen, die Menschheit werde sich zusammenschließen gegen den scheinbar gemeinsamen Feind, hier kein Angriff von fernen Sternen, aber doch auch aus der Höhe. Es wird so getan, als sei die Forderung der Vernunft (wessen Vernunft?) schon deren unvermeidliche Realisierung – während in Wirklichkeit das Gegenteil institutionalisiert ist: Da gibt es ganz andere Rationalitäten, die zuerst leugnen, dann in Selbstschutz investieren und am Ende die sozialdarwinistische Parole „Survival of the fittest“ herausschreien. Wir haben es hier mit jenem scheinbaren „Realismus“ zu tun, der stets nur eine Form der Ausblendung von Wirklichkeiten ist:

„Zum Realismus gehört neben den Investitionen in Deiche und Solaranlagen aber auch ein Begriff, der bislang den Gutmenschen vorbehalten war: Gerechtigkeit. Nur eine faire Behandlung der Schwellen- und Entwicklungsländer wird das Schlimmste für alle verhindern. Sie brauchen Geld, saubere Technik, faire Handelsbeziehungen und Hilfe bei der Forschung und sie werden sie bekommen.“ (2)

Das mag sogar sein, aber ein solcher Deal zwischen Eliten wäre noch lange nicht Gerechtigkeit. Noch ganz in der Sprache der Babyboomer des schon vor Jahren zusammengebrochenen „neuen Marktes“ kann man sich „Gerechtigkeit“ nur als Thema der verachteten „Gutmenschen“ vorstellen, womit wahrscheinlich alle getroffen werden sollen, die keinem der zahlreichen Realismus-Angebote anhängen, Realismen, die allesamt in die Katastrophe führen. Schauen wir sie uns an:

Leerlaufende bürokratische Routine, vorgegebene Lösungen

Es gibt keine Gefahren mehr, nur noch Risiken: Alles eine Frage der Versicherungsmathematik.

Es können überhaupt Probleme nur so begriffen und definiert werden, dass die vorab gefundenen, immer schon vorhandenen „Lösungen“ abgerufen werden. Knappheit, sagt der Ökonom, muss sich natürlich im Preis ausdrücken. Politik? Macht daraus ein Thema für symbolisches Handeln. Oder ein Wahlkampfthema. Betont ihre Verantwortung, zeigt Führungskraft. Ein typisches Beispiel solcher „ökologischer Kommunikation“, eines politischen Marketings ist etwa die Kampagne für „Energiesparlampen“: In Australien – einem bekannten Vorreiter des Klimaschutzes – gibt es gar das Verbot traditioneller Glühbirnen zugunsten der Energiesparlampen.

Dass diese zum Teil bedenkliche elektromagnetischer Felder erzeugen, über deren Wirkungen wenig öffentlicher Streit geführt wird; dass sie vor allem aber Quecksilber enthalten, das über den Hausmüll (bisher landen die Sparlampen zu 90% im Hausmüll)3 die Umwelt belastet, wird dabei gerne übersehen. Hauptsächlich werden Billigprodukte gekauft: Diese halten nicht lange, müssen also öfters durch neue Lampen ersetzt werden, verschmutzen durch Quecksilber wie den erhöhten Material- und Energieverbrauch bei der Produktion die Umwelt – verschaffen aber zunächst der „politischen Führung“ das Alibi, etwas „Nachhaltiges“ unternommen zu haben.

Es ist hauptsächlich deren „Umwelt“, die so geschützt wird.

Technische „Lösungen“

Wenn überhaupt, dann werden Probleme als technische Aufgaben wahrgenommen, die durch neue Produkte, innovative Strategien bearbeitet werden sollen.

Dass es keine Technik gibt, die nicht Niederschlag sozialer Verhältnisse und Ausdruck politisch-sozialer Strategien ist, bleibt dem technokratischen Bewusstsein verborgen. Also bringt das Brainstorming auch zum Klimawandel eine Fülle alter und neuer Technik auf die Tagesordnung: Gentechnisch angepasste Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen oder höhere Erträge bieten sollen, sind ein Beispiel. Wasserentsalzungsanlagen, höhere Dämme, das Abdecken von Gletschern mit Folien gegen die Sommersonne, neue Formen der Energiegewinnung (denn auch viele der technischen Alternativen verbrauchen viel Energie), sparsamere Elektrogeräte… – die Liste ist unendlich, und vieles davon wird tatsächlich gebaut werden. Es gibt dabei strategisch wichtige Technologien, die in ihrer sozialen Bedeutung durch die Kämpfe der letzten Jahrzehnte markiert wurden.

Die Krise bietet auch hier die Chance auf einen Durchbruch. Dazu zählen „von oben“ betrachtet vor allem die Gentechnik und die Atomenergie. Jede neue Groß-Technologie braucht zu ihrer Durchsetzung das Versprechen, ein gravierendes gesellschaftliches Problem zu lösen oder spürbare Verbesserungen zu bewirken.

Renaissance der Atomenergie?

Der Kampf um die Rohstoffe ist längst entbrannt. Außenpolitik wird zunehmend Energiepolitik. Was zunächst als Sicherung knapper Energiequellen erscheint, kann bald schon Abhängigkeit und Erpressbarkeit signalisieren. Lange galt den Regierungen der Ausbau der Atomenergie als gute Aussicht, Strom zu erzeugen und mit (angeblich) billiger elektrischer Energie weiteres Wachstum sicher zu stellen.

Diese Überlegung spielt derzeit mehr im Hintergrund eine Rolle; nun ist der CO2-Ausstoß zum großen Propagandathema für Atomenergie geworden.

Allerdings ist die „friedliche“ Nutzung der Atomenergie nur ein Abfallprodukt der militärischen, zu Beginn nur eine „friedliche“ Legitimation gewesen.

Der militärische Charakter dieser Form der Energiegewinnung wird immer wieder deutlich: Es ist ein enormer Sicherheits- und Kontrollaufwand notwendig, Sicherheitsvorkehrungen, die alle Klima- und sozialen Veränderungen überdauern müssten, wenn sie nicht katastrophale Folgen haben sollten. AKWs sind potentielle Anschlagsziele tatsächlich terroristischer Kriege.

Und: Proliferation, das ist schon wieder ein Kriegsgrund.

(1) Bernhard Pötter: Ohne Gerechtigkeit geht nichts. taz, Ostern 07, S. 1.

(2) Ebenda.

(3) Vgl. "Zeit" 13/2007, 22.3.07, S. 31