anarchismus

Projekt „Eilhardshof“

Generationsübergreifendes Wohnen auf libertäre Art - Ein Aufruf zum "ethischen Investment" in die soziale Zukunft

| Horst Stowasser

Auch Libertäre bleiben nicht ewig jung. In Würde alt zu werden ist indes in unserer Gesellschaft ein Luxus für wenige. Und wer will schon in einem Altenghetto "verwahrt" werden und freudlos seine Tage fristen? In Neustadt an der Weinstraße hat der Verein "Neuland" aus der Not eine Tugend gemacht und ein Projekt ins Leben gerufen, dass menschenwürdiges, solidarisches und selbstbestimmtes Leben in gegenseitiger Hilfe für Menschen aller Generationen modellhaft verwirklichen will.

Und das damit auch nach einer libertären Antwort auf ein gesellschaftliches Problem sucht, das Millionen betrifft und in den kommenden Jahrzehnten enorme gesellschaftliche Brisanz erlangen dürfte: das Leben im Alter. Weit davon entfernt, ein „Seniorenprojekt“ zu sein, packen die mehr als 30 InitiatorInnen im Alter zwischen 1 Woche und 60 Jahren ihr Lebensprojekt mit Elan und frischen Ideen an.

Einer Studie des renommierten BAT-Freizeitforschungsinstituts zufolge bezeichnen zwölf Prozent der Menschen in diesem Land als ihren „Zukunftstraum“ eine Wohngemeinschaft in einem Haus, „in dem mehrere Generationen eine eigene Wohnung haben und jederzeit in Gemeinschaftsräumen zusammenkommen können, aber nicht müssen“.

Diesem Traum steht eine eher triste Realität gegenüber.

Unbezahlbare Mieten, soziale Vereinsamung, Abstieg in die Armut – so sieht für immer mehr Menschen die Realität aus, von der Zukunft ganz zu schweigen.

In Würde alt zu werden wird zunehmend zu einem Luxusgut, das sich immer weniger leisten können.

„Wirtschaftlichkeit“ wird zum Maß aller Dinge, der Mensch zum bloßen „Humankapital“.

Sein Leben hat sich an seinem Arbeitsplatz auszurichten – sofern er denn einen hat. In einer Gesellschaft, in der Vereinzelung und soziale Kälte Schritt für Schritt in unseren Alltag vordringen, verlieren insbesondere ältere Menschen ihren „Wert“, werden ruhiggestellt und abgeschoben.

Früher oder später werden wir alle von dieser Problematik betroffen sein; wer das Pech hat, krank zu werden, den kann es in jedem Augenblick treffen. All dies stellt ein enormes gesellschaftliches Potenzial dar, das nach einer emanzipatorischen und antikapitalistischen Alternative geradezu verlangt.

Allerdings waren libertär inspirierte Wohn- und Lebensprojekte bisher überwiegend eine Domäne jüngerer Jahrgänge, und besetzte Häuser oder Landkommunen dürften in dieser Hinsicht wohl eher nicht als attraktive Alternativen wahrgenommen worden sein. Insofern betritt das Projekt Eilhardshof in gewissem Sinne tatsächlich „Neuland“ – es bringt das Thema „Alter“ in den libertären Diskurs ein und bietet zugleich eine praktische Antwort.

Es verwundert nicht, dass eine der Wurzeln zu diesem Projekt in die WESPE (Werk Selbstverwalteter Projekte und Einrichtungen) hineinreicht, dem Neustadter Ableger des „Projekt A“, von dem am Ort einige Unternehmen und Strukturen auch die heftigsten Krisen überlebt haben. Auch hier war der Anspruch, libertäre Essentials in den Alltag zu integrieren und am praktischen Beispiel vorzuleben.

Und so finden sich denn auch beim Projekt „Eilhardshof“ ältere WESPE-Veteranen ebenso wie Libertäre der jüngeren Generation und Menschen, die sich für „Politik“ bisher überhaupt nicht interessiert haben.

Eine ideale Immobilie

Über zwei Jahre hat die Suche nach einer geeigneten Immobilie gedauert und die Gruppe vor große Herausforderungen gestellt. Schließlich konnte im Februar ein notarielles Kaufangebot für den „Eilhardshof“ ausgehandelt werden, ein am Stadtrand gelegenes Ensemble aus fünf Gebäuden, das für das Vorhaben geradezu ideale Voraussetzungen bietet. Der „Eilhardshof“ mit seinem großen Park ist über drei Jahrhunderte gewachsen und lag während der letzten Jahrzehnte in einem Dornröschenschlaf. Ehemalige Wirtschaftsgebäude, eine Mühle, Stallungen und das Herrenhaus wurden lange Zeit als Fabrikantenvilla genutzt. In einer stufenweisen Sanierung sollen alle Flügel umgebaut und nach den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner in Wohnungen, Appartements, Klein-WGs und Gemeinschaftsräume aufgegliedert werden.

Hierbei spielen ökologische Aspekte ebenso eine Rolle wie behindertengerechter Ausbau und Belange des Denkmalschutzes. Ein entsprechendes Raumkonzept soll den Umzug innerhalb des annähernd 1.700 m2 großen Wohnbereichs erleichtern, falls sich der Platzbedarf alters- oder generationsbedingt verändert.

Zusätzlich sollen geeignete Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen, soziale Begegnungen, politische Initiativen sowie Kleingewerbe, Bibliothek, Tagungsräume, Werkstätten und Hobbybereiche entstehen.

Der Eilhardshof ist eben nicht als abgeschottetes Seniorenheim konzipiert, sondern als lebendiger Ort, an dem sich Menschen jeden Alters begegnen – nicht nur diejenigen, die dort wohnen. Zur sozialen Attraktivität des Projektes dürfte auch das libertäre Dokumentationszentrum „Das AnArchiv“ beitragen, das im Jahre 2005 nach fast 35 Jahren Existenz seine umfangreiche Bibliothek schließen musste (vgl. „Projekt A / Plan B“, in: GWR 304 / Dez. 05) und nun im Eilhardshof seinen endgültigen Standort finden soll.

Ein soziales Projekt

Das Projekt Eilhardshof ist Mitglied im Freiburger „Mietshäusersyndikat“ und teilt die sozialen und ethischen Grundsätze dieses Netzwerks, in dem sich mittlerweile an die 30 existierende Wohnprojekte in ganz Deutschland organisiert haben; ebensoviele befinden sich in Gründung. Das Credo des „Syndikats“ besteht – kurz gesagt – in der Schaffung von bezahlbaren Wohnraum in Selbstorganisation für Menschen mit wenig Geld. Die betreffende Immobilie wird dabei Gemeinschaftseigentum einer GmbH, an der das Syndikat 49 und die in einem Verein organisierte Mieterschaft 51 Prozent Anteile halten.

So bleibt garantiert, dass die BewohnerInnen ihre Belange frei und autonom regeln können – die Sperrminorität des Syndikats dient einzig der Festschreibung der sozialen Ziele und der solidarischen Kapitalrückführung.

So wird beispielsweise gewährleistet, dass die Immobilie – auch bei Wertsteigerung – immer in Gemeinbesitz bleibt und dadurch dem Immobilienmarkt dauerhaft entzogen wird; nach der Refinanzierung des Objekts fließen die Mieteinnahmen in eine Solidarkasse, aus der u.a. neue Projekte gefördert werden. Die clevere Idee einer Kombination von GmbH und Verein sowie der Grundsatz, alle Projekte ausschließlich auf Mietverhältnissen aufzubauen, macht den persönlichen Ein- und Ausstieg relativ unproblematisch und trägt dadurch offenbar zu der erstaunlichen Stabilität bei, die solche Projekte seit mehr als 15 Jahren beweisen.

Eine solidarische Finanzierung

Auch das Finanzierungskonzept des Freiburger Modells ist auf dem Solidargedanken aufgebaut – denn Menschen, die solche Ideen vorantreiben, gehören naturgemäß eher nicht zu den Reichen der Gesellschaft. Die Differenz zwischen Eigenkapital und der Investitionshöhe muss deshalb auch hier durch Kredite finanziert werden – allerdings mit einem bedeutenden Unterschied: „Solidarprojekte“ finanzieren sich durch hunderte von kleinen „Direktkrediten“, die von Menschen gewährt werden, die diese Idee gut und unterstützenswert finden: Eine Form von echtem „ethischem Investment“ also, denn das Darlehen dient einem guten sozialen Zweck und bringt zugleich mehr Zinsen als ein Sparbuch. (Und wer das Projekt besonders fördern möchte, darf natürlich auch auf seine Zinsen verzichten.) Ab 500 Euro aufwärts gewähren Einzelpersonen der entsprechenden GmbH ein direktes und zweckgebundenes Darlehen, dessen Laufzeit, Kündigungsfrist und Verzinsung in einem Kreditvertrag geregelt werden.

Die reguläre Rückzahlung erfolgt aus den Mieteinnahmen, in kurzfristigen Fällen – etwa wenn der Darlehensgeber in eine Notsituation gerät – durch Umschuldung.

Die Idee der Direktkredite ist einfach und hat sich seit fast 20 Jahren bei unzähligen Projekten als derart solide bewährt, dass inzwischen auch „ganz normale“ Banken oder Sparkassen als Finanzierungspartner auftreten – in der Vergangenheit war dies eher eine Domäne der auf Alternativprojekte spezialisierten GLS-Bank.

Jedes Projekt wird von seiner Hausbank und den mittlerweile zu routinierten Fachleuten avancierten BeraterInnen des Mietshäusersyndikats professionell begleitet. Und tatsächlich ist noch kein einziges der Syndikats-Projekte jemals an finanziellen Problemen gescheitert.

In den 30 inzwischen existierenden Projekten, die mit einer Investitionssumme von 28 Millionen Euro aufgebaut wurden, leben inzwischen mehr als 850 Menschen. Wenn das kein Zeichen dafür ist, wieviel Großes bewegt werden kann, wenn sich viele kleine solidarische Schritte zu einer starken Vision zusammenfügen!

Kontakt & Infos

Das Projekt Eilhardshof muss mindestens ein Drittel des Kaufpreises von 480.000 Euro durch Direktkredite finanzieren und ruft alle, die dieses Projekt fördern möchten, zur Unterstützung auf.

Ausführliche Infos verschickt gerne:

Eilhardshof GmbH
- Öffentlichkeitsgruppe -
Wolfsburgstraße 25 - 29
67434 Neustadt a. d. Weinstr.
eilhardshof@web.de

www.eilhardshof.de
www.neuland-wohnprojekte.de
www.syndikat.org