antimilitarismus

Gegen jeden Krieg

Am 1. Juni 2007 besiedelten 700 Menschen das Bombodrom

| Ulrike Laubenthal

Die angekündigte Besiedelung des Bombodroms (vgl. GWR 319) hat am 1.6. erfolgreich stattgefunden. Etwa 600 Menschen aus verschiedensten Spektren richteten sich bei einem ehemaligen Kontrollturm ein, der binnen kürzester Zeit rosa angemalt wurde. Etwa 100 Personen siedelten spontan an einem anderen Ort auf dem Bombodrom-Gelände. Polizei und Bundeswehr griffen nicht ein.

Nach beinahe einem Jahr Vorbereitungszeit war es am Pfingstmontag endlich soweit: Als erste Bombodrom-BesiedlerInnen reisten die Lebenslaute in Schweinrich an.

Am Mittwoch kamen in Katerbow die Fahrradkarawanen und in Zechlinerhütte die Euromärsche an; und auch die Camps in Schweinrich und Luhme füllten sich zusehends. In Zempow sammelten sich die Clowns, und in der Sichelschmiede in Rossow liefen die Telefone heiß. Trotz aller tapferen Versuche, das Geschehen zu koordinieren, blieb es doch bis zum Schluss spannend, welche Gruppe wann wo mit wie vielen Personen auftauchen und ihren ganz besonderen Teil zum Geschehen beitragen würde.

Aber wir konnten es gelassen angehen: Ein großer Teil der Ziele des Aktionstags war schon erreicht, bevor die 700 SiedlerInnen auch nur einen Fuß auf das Bombodrom-Gelände gesetzt hatten. Durch die internationale Mobilisierung zu den G8-Protesten war das Bombodrom als Ort der Kriegsvorbereitung ins Blickfeld der antimilitaristischen Gruppen aus aller Welt gerückt.

Und vor Ort hatte das Militärische Sperrgebiet in der öffentlichen Wahrnehmung einen guten Teil seiner „Unantastbarkeit“ verloren. Grund dafür war ein von der Bundeswehr ausgesprochenes absolutes Betretungsverbot für das strittige Gelände. JägerInnen, WaldarbeiterInnen, FörsterInnen, ImkerInnen – alle ZivilistInnen, die sonst in dem Gebiet arbeiten, durften vom 24. Mai – 2. Juni „aus militärischen Gründen“ nicht hinein.

Wir bekamen diese Information zugespielt und machten eine Pressemitteilung daraus. Erstaunte PressevertreterInnen fragten daraufhin nach, ob das Betreten des Bombodroms denn nicht immer verboten sei, schon wegen der Blindgänger. Artikel mit Schlagzeilen wie „Bombodrom gesperrt“ machten der erstaunten Öffentlichkeit klar, dass große Bereiche regelmäßig betreten werden.

Die Bundeswehr musste zugeben, dass nur Teile des Geländes tatsächlich gefährlich sind.

Bundeswehr räumt Bombodrom

Am 29.5. konnten wir der Presse mitteilen, dass die Bundeswehr einen großen Teil ihrer Einrichtungen auf dem Bombodrom-Gelände abgebaut hatte: Inspektionen hatten ergeben, dass die Zielpyramide, Radarreflektoren und andere Einrichtungen entfernt worden waren. Der Standortkommandant bestätigte unsere Meldung und zeigte sich der Presse gegenüber erstaunt, dass wir so genau Bescheid wissen.

„G-Dur statt G8 – polyphon gegen’s Bombodrom“, unter diesem Motto spielten die Lebenslaute am Donnertsag, den 31.5. abends in der Rheinsberger Kirche. Unter den knapp hundert ZuhörerInnen befanden sich einige EuromarschiererInnen aus dem französischsprachigen Raum. So ernteten die Lebenslaute an diesem Tag Applaus nicht nur für ihre Musik, sondern auch für die spontane Übersetzung aller Ansagen ins französische. Im Anschluss an das Konzert fanden in den verschiedenen Camps Infoabende zu der geplanten Aktion statt.

Bezugsgruppen trafen sich, neue Bezugsgruppen bildeten sich, Karten wurden studiert und Vorbereitungen getroffen.

Am 1. Juni morgens fanden in Luhme und Schweinrich Aktionstrainings und letzte praktische Vorbereitungen statt.

Eine kurze Überschlagsrechnung ergab: wir sind jetzt allein in den Camps 410 Leute!

Ab 12 Uhr reisten an den Kundgebungsorten weitere TeilnehmerInnen an. Zu Beginn der Kundgebungen, um 14 Uhr, sah es trotzdem noch nach recht geringer Beteiligung aus: ca. 25 Personen in Lutterow, etwa 200 in Schweinrich. Die Beteiligten Gruppen hatten eben ihre eigenen Rhythmen. In Lutterow gab es eine Andacht und anschließend eine Pressekonferenz der Initiative „Ferien vom Krieg“, die einen Friedensappell von 15.000 Kindern aus Kriegsgebieten an die Erwachsenen vorstellte. Ein Grußwort von Tobias Pflüger wurde an beiden Kundgebungsorten verlesen; darin wies er auf die Bedeutung des Bombodroms zur Vorbereitung zukünftiger Angriffskriege hin.

Warum die Farbe pink an diesem Tag eine so große Rolle spielt, erläuterte ein Redebeitrag von antipariarchalen Gruppen: „Die Bilder, die wir in der Regel von Männlichkeit und Weiblichkeit haben, dienen als Grundlage des Militärischen, ‚der Held, der Kämpfer, der tötet, der Beschützer…‘ auf der einen Seite, ‚das Opfer, die zu Beschützende, die Friedfertige, die Sorgende‘ auf der anderen Seite. Die Aufwertung der als männlich geltenden Eigenschaften und die Abwertung alles weiblichen – wie zum Beispiel auch der rosa Farbe – sind wichtige Grundlagen. Auf diesen Grundlagen basiert militärische Disziplin und Kriegslogik. Diese Grundlagen legen die Idee des ‚Anderen‘ nahe, schaffen Polaritäten und Abwertungen. … Wenn wir Kriege wirklich verhindern wollen, dann müssen wir die Logiken, die Strukturen, die Kriegen ja erst den Boden bereiten, mit einbeziehen.“

Während des letzten Redebeitrags kam in Schweinrich plötzlich Unruhe auf: Über 100 Clowns marschierten in Reih und Glied aus dem Dorf heraus zum Kundgebungsort an der Mahnsäule. So war es dann ein großer und ausgesprochen bunter Zug, der sich gegen 14 Uhr 30 auf den Weg in Richtung ehemaliger Pink Point machte.

Die Demo, die nie ankam – und doch ihr Ziel erreichte

Am ehemaligen Pink Point hatte die Bundeswehr für die Abschlusskundgebung ein kleines Areal freigegeben und mit Flatterband abgesperrt. Dort erwartete Oberstleutnant Engel mit seinen Feldjägern den Demonstrationszug. Auf dem „Generalsweg“, der vom Pink Point in Richtung Zielgebiet führt, hatten sie sich postiert. Bewaffnet waren sie mit Handzetteln, auf denen zu lesen stand: „Sie halten sich trotz der eindeutigen Kennzeichnung als ‚Militärischer Sicherheitsbereich‘ unberechtigt auf militärischem Gelände auf. Darüber hinaus begeben Sie sich und ihre Mitmenschen in eine erhebliche, unkalkulierbare ‚Gefahr für Leib und Leben‘, da große Bereiche dieses Geländes stark munitionsbelastet sind. Ich fordere Sie daher auf, dieses Gelände sofort auf dem Wege zu verlassen, wie sie ihn (sic!) betreten bzw. befahren haben! Mai/Juni 2007, Der Kommandant“.

Diese so liebevoll vorbereiteten Zettel bekamen allerdings die wenigsten von uns zu Gesicht, denn der Demonstrationszug aus Schweinrich bog auf halber Strecke rechts ab und bewegte sich ungehindert zu einem ehemaligen sowjetischen Kommandoturm, den wir uns als das Ziel unserer Besiedelungsaktion ausgesucht hatten. Binnen einer halben Stunde erstrahlte der alte Turm in frischem rosa, und mehrere rosa Pyramidenzelte waren aufgebaut. Transparente zeugten von dem breiten Spektrum an Gruppen, die an der Besiedelung beteiligt waren.

Eine filmreife Szene ergab sich, als auf einem Weg ein Militärjeep herankam, wohl um die Lage zu peilen. Sofort setzten sich die Clowns in Bewegung und marschierten zügigen Schrittes auf das Fahrzeug zu. Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein und entschwand, die Clowns verfolgten das Fahrzeug noch eine Weile und kehrten erst nach geraumer Zeit von ihrem Ausflug zurück.

In Lutterow waren mittlerweile noch die Fahrradkarawanen eingetroffen, und auch dieser Demonstrationszug hatte sich in Bewegung gesetzt.

Mit etwas Verspätung kamen noch die Euromärsche hinzu, und so waren es ca. 160 Leute, die sich aus dieser Richtung zum alten Pink Point bewegten. Dort legten sie eine kurze Rast ein und zogen dann ebenfalls weiter zum Besiedelungsgelände. Hier war inzwischen ein neuer „Pink Point“ oder vielleicht eher ein „Pink Village“ entstanden. Der Zugang war und blieb frei, und nachdem irgendwie das Schloss der Schranke aufgegangen war, konnten sogar die belgische Vokü „Kokerellen“ und andere Fahrzeuge auf den Platz fahren.

Etwa 600 Leute waren es, die auf dem Höhepunkt der Aktion dort zusammen kamen. (An einem anderen Ort gab es eine weitere Besiedelung, es hieß dort seien etwa 100 Leute.)

Die Jüngsten waren Kinder, die mit ihren Eltern kamen, glücklich darüber, dass sie angesichts der entspannten Lage entgegen der vorherigen Absprachen bei der Aktion mit dabei sein durften. Die Älteste war sicherlich Inge Ammon aus der Münchener Gruppe „Öffentliche Aufforderung“, die schon bei der Seniorenblockade in Mutlangen 1986 dabei war. Am weitesten gereist waren die TeilnehmerInnen aus Russland, Polen, Italien, Belgien, den Niederlanden und Frankreich. Die lokale Bürgerinitiative hatte sich entschieden, nicht mit zum Aktionstag aufzurufen, und so blieben denn auch die lokalen Massen aus – aber einige Mitglieder der Bürgerinitiative aus den umliegenden Ortschaften waren dann doch mit dabei. Bezugsgruppen von X-tausendmal quer waren genauso da wie autonome Gruppen, der schwarze Stern war diesmal auf rosa statt auf rot zu sehen, die Pace-Fahne wehte neben der Fahne der queers.

Dazwischen war überall auf rosa Pyramidenhüten und rosa Luftballons das Motto der Aktion zu sehen: „Jedes Ziel ist ein Zuhause!“

Die Lebenslaute gaben wie geplant ihr Konzert, u.a. mit Werken von Bach und Haydn. Anschließend wurde zum Volkstanz aufgespielt, und am späteren Abend gab zur Freude der einen und zum Leidwesen der anderen Techno-Musik aus einem spontan aufgebauten Soundsystem.

Als das nach Mitternacht (und nach heftigen Diskussionen) abgeschaltet war, klang der Abend mit Didgeridoo- und Trommelklängen aus. Am ehemaligen Pink Point fand derweil eine durchgehende angemeldete Mahnwache statt, durch die auch NachzüglerInnen immer noch zu der Aktion dazu finden konnten.

Wir hatten uns für die Besiedelung ein Gelände ausgesucht, das nicht mit Blindgängern belastet ist (jedenfalls nicht mehr als jeder andere Ort in Brandenburg). Dennoch waren wir überrascht, dass auch Oberstleutnant Engel (das ist der mit der „Gefahr für Leib und Leben“) öffentlich erklärte, von diesem Gelände gehe keine Gefahr aus und er müsse deshalb nicht die Polizei um Amtshilfe bitten, um uns dort weg zu holen. So packte die Polizei im Laufe des Nachmittags ihre Sachen und verschwand von der Bildfläche. Auch die Bundeswehr beobachtete höchstens aus der Ferne und versteckt. So blieben wir auf dem Platz unter uns. Erst als wir morgens abgebaut hatten und in Richtung Rostock aufbrachen, kamen die Feldjäger wieder näher und nahmen sich den Platz zurück. Vorübergehend – denn: „Heute ist nicht alle Tage – wir kommen wieder, keine Frage!“

Fazit

Es ist gelungen, mit der Besiedelung des Bombodroms einen eindrucksvollen inhaltlichen und aktionistischen Auftakt für die globalisierungskritischen Tage zu setzen. Die Aktion hat alle unsere Erwartungen übertroffen und macht Lust auf mehr. Die Vernetzung unterschiedlichster regionaler und überregionaler Protestspektren ist sowohl in der Vorbereitungsphase als auch durch die Begegnungen im „Pink Village“ vorangekommen.

Das Bombodrom ist durch die erfolgreiche Besiedlungsaktion noch interessanter geworden als Kristallisationspunkt für die Friedens- und antimilitaristische Bewegung. Letztendlich geht es darum die Kriege zu verhindern und Männlichkeit zu entmilitarisieren. Mit der Verhinderung des Bombodroms wäre ein kleiner Teilsieg auf dem Weg dahin geschafft. „Wir sind überall!“ Damit müssen spätestens ab sofort auch all diejenigen rechnen, die das Bombodrom für ihre Kriegsvorbereitungen als Übungsplatz durchsetzen wollen.

Termine

Sommeraktionstage für eine freie Heide, 5.-13.8.07 am Dranser See in Schweinrich, Infos und Anmeldung bei der Sichelschmiede: info@sichelschmiede.org

1.September, Attac-Villa, 35 Jahre Graswurzelrevolution-Fest, Bahnhofstr 6. Könnern, 10 Uhr:

Bombodrom: Alles rosa

Fotos und Geschichten von der Besiedelung des Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide am 1.6.07 - Warum wir rosa als Farbe und die Pyramiden als Symbol gewählt haben; Warum die Bundeswehr ein Militärisches Sperrgebiet ein zweites Mal für gesperrt erklärte; Wie die Clowns die Feldjäger verjagt haben; Wer ist eigentlich das Bündnis No War No G8?; pink power forever: Wie es jetzt weitergehen könnte.

Referentin: Ulrike Laubenthal