ökonomie

Realisierbar ist, wofür wir kämpfen

Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) - eine unkapitalistische Forderung gegen den Fetisch Lohnarbeit

| Mag Wompel

Kann der Kampf gegen die Lohnabhängigkeit ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) gewonnen werden? Eine Frage, die wir in der Graswurzelrevolution verstärkt erörtern wollen. Für eine Vertiefung der Diskussion sorgt nun Mag Wompel, Redakteurin von LabourNet, dem Internetportal "für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch" (GWR-Red.).

„Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, daß Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Krieg: wer die Butter hat, wird frech.“ (Kurt Tucholsky)

1. Die Forderung nach BGE und die Gewerkschaftslinke: Fetisch Lohnarbeit

Vor Jahren (1999) schrieb ich über „Fetisch Arbeit und die Gewerkschaftslinke“ (1).

Seit dem hat sich Dreierlei geändert: Erstens habe ich gelernt, zwischen „Arbeit“ und „Lohnarbeit“ zu unterscheiden und würde es heute Fetisch „Lohnarbeit“ nennen.

Zweitens hat sich meine Position zum BGE geändert, das ich zwar als Alternative zu diesem „Fetisch Lohnarbeit“ begrüßte, aber damals wegen m.E. mangelnder Auswirkungen auf bestehende und künftige Arbeitsverhältnisse kritisierte. (2)

Drittens schließlich hat sich bei vielen der Gewerkschaftslinken etwas verändert.

Mein Vorwurf lautet zwar immer noch: Während das Kapital den Faktor Arbeit als notwendiges Übel und einen zu minimierenden Kostenfaktor betrachtet, hatte sich die traditionelle ArbeiterInnenbewegung leider entschieden, anstatt das Grundübel der ausgebeuteten, krankmachenden Lohnarbeit zu bekämpfen, aus der Not eine Tugend zu machen.

Der Stolz der ArbeiterInnen beruht zu recht auf dem Wissen, alle lebensnotwendigen Waren zu schaffen.

Statt zu einem berechtigten Selbstbewusstsein zu führen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wurde aber nicht die Quelle des Stolzes („Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will“), sondern das Mittel Arbeit – und zwar auch die lohnabhängige – zum Fetisch erhoben.

Inzwischen tritt durch die als neoliberal bezeichneten Kapitalangriffe der Fetisch Lohnarbeit zumindest bei den meisten Gewerkschaftslinken leider noch deutlicher – als Abwehrkampf um jeden Arbeitsplatz – zu Tage. Nachfolgend sollen daher die wichtigsten Argumente gegen ein BGE seitens vieler Gewerkschaftslinken diskutiert und ausgeräumt werden.

a) Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn versus BGE?

Obwohl die Erwerbslosengruppierungen ihre Forderung nach einem BGE ausdrücklich als eine Triade mit derjenigen nach Arbeitszeitverkürzung und gesetzlichem Mindestlohn betrachten, wird oft versucht, diese Forderungen gegeneinander auszuspielen. BGE würde sie torpedieren und zudem zu Lohndrückerei führen.

Sicher: Eine drastische Arbeitszeitverkürzung (mit vollem Lohn- und Personalausgleich) würde allen Arbeitenden (sofern gesetzlich) eine Verbesserung der Lebensbedingungen (auch wenn sie keine Deintensivierung der Arbeit garantiert) und einigen Erwerbslosen eine Option auf einen der dadurch (vielleicht?) gewonnenen Arbeitsplätze bringen.

Hier haben allerdings die Gewerkschaften in der Vergangenheit zwei gravierende Fehler gemacht, die nun demobilisierend wirken: Zugelassen, dass Arbeitszeitverkürzung mit Flexibilisierung und Leistungsverdichtung gleichgesetzt wird und unterlassen, die (theoretische) Arbeitszeitverkürzung durch eine alternative soziale und kulturelle Offensive zu begleiten. Was blieb: Fokussierung auf die faktische Lohnabhängigkeit, ohne die Arbeitsbedingungen zu thematisieren und ohne – bei aller Abhängigkeit vom Geld als Existenzgrundlage – höhere Ansprüche zu entwickeln. Beides zusammen macht die aktuelle Lohnarbeit tatsächlich zum alternativlosen Sachzwang um jeden Preis.

Was spricht daher gegen eine Alternative in Form des BGE?

Sicher: Ein gesetzlicher Mindestlohn – sofern bei mindestens 10 Euro/Stunde – könnte einen gewissen Schutz gegen Lohndumping und Armutslöhne bringen und der erzwungenen Unterbietungsspirale etwas entgegensetzen, wenn auch nicht derjenigen der 1-Euro-Jobs. Doch auch ein Mindestlohn schützt nicht vor Entlassung, während ein hohes BGE auch den Mindestlohn erhöht, der zudem nicht unter BGE fallen kann.

So wichtig allein die Durchsetzung dieser beiden Forderungen wäre – weder Arbeitszeitverkürzung noch Mindestlohn verhindern den Arbeitszwang für Erwerbslose und sagen etwas über die Qualität der Lohnarbeit aus.

Und beide ändern nichts daran, dass es unter den gegebenen Umständen der fortgeschrittenen und nicht verweigerten Produktivität kein Zurück in Zeiten der Vollbeschäftigung mehr geben wird und dass Lohnarbeit und Einkommen längst entkoppelt sind. Also ändern sie auch nichts an der Situation der Erpressbarkeit aller Lohnabhängigen, die schon heute zum aktiven Unterlaufen von Gesetzen und Tarifen führt. Dies macht nicht nur die Durchsetzungskraft für diese beiden Maßnahmebündel unwahrscheinlich, es ändert auch nichts an den Grundlagen dieser Erpressbarkeit und ihrer Akzeptanz durch die Mehrheit der Opfer dieses Systems.

Wenn manche Gewerkschaftslinke behaupten, „BGE senkt die Löhne“, sagt es daher weniger über die möglichen Folgen des BGE aus, als über ihr Menschenbild.

Das Kapital kann immer die Löhne senken, wenn wir uns nicht wehren. Gerade der aktuell verbreitete Arbeitsfetisch der Bevölkerung und ihr fehlendes Bewusstsein führen (auch heute!) zu Lohndrückerei (und die Löhne sinken ohnehin!). Die Mindestlohnfunktion des BGE würde dies bremsen.

Und noch wichtiger: BGE geht davon aus, dass viele mit der Erfahrung des BGE ihr Bewusstsein ändern und sich der kapitalistischen Produktionsweise widersetzen. Schichtarbeit, Nachtarbeit, Fließband – wer täte dies freiwillig?

Durch BGE wird Lohnarbeit grundsätzlich freiwillig – warum sollte sie deshalb billiger werden?

Lohndumping und einen permanent wachsenden Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft gibt es bereits, gerade, weil es kein BGE gibt! Denn die Grundlage der Ausbeutung und Erpressbarkeit ist der Arbeitszwang bzw. die Lohnabhängigkeit.

Diese gilt es zu bekämpfen, wenn man ihre Folgen bekämpfen möchte.

b) Staat oder Kapital? Staat als Gesamtkapitalist!

Viele Gewerkschaftslinke sind auch deshalb gegen ein BGE, weil es ein Kombilohn sei und solche Lohnsubventionen Profite des Kapitals steigern. Aber die Kombilohnwirkung des BGE hängt vom Anspruchsniveau des Arbeitswilligen ab. Warum sollten sie trotz BGE für Niedrigstlöhne arbeiten, anstatt für eine weitere Erhöhung des BGE zu kämpfen?

Uns egal, wer zahlt!

Denn der Staatshaushalt ist nichts anderes als der staatliche Anteil am Mehrwert und die Quelle der Lohnanteile (Lohnkapitalist oder Staat) sagt nichts über die Mehrwertverteilung aus (Lohn oder Profit).

Davon abgesehen, dass der Staat eh‘ der größte Arbeitgeber und auch Vorreiter bei Niedriglöhnen ist, gab es schon immer staatliche Zusatzleistungen, also staatliche Lohnbestandteile, die jetzt jedoch (ohne BGE!) durch Sparen und Privatisierung zusammengestrichen werden oder ganz wegfallen – ohne nennenswerten Widerstand.

Wenn wir uns einig sind, dass der Staat der ideelle Gesamtkapitalist ist, sollten wir endlich realisieren, dass der Staatshaushalt nicht klassenübergreifend und nicht Gemeineigentum ist.

Durch den Kampf um die Höhe des BGE würden der Staat sogar zum reellen Gesamtkapitalist und ökonomische Streiks zu politischen um die Umverteilung werden.

Was spricht gegen einen Kampf gegen den Staat statt Einzelkapitalisten?

Die Gewerkschaften verhandeln ohnehin über Bruttolöhne, womit der Netto-Lohn, unsere Existenzgrundlage, politisch variabel wird (und die „Lohnnebenkosten“ egal).

Ein Streik gegen den Staat kann zudem weit mehr Einfluss haben als betrieblicher bzw. branchenspezifischer Tarifkampf.

Gerade weil wir diesen Staat nicht wollen…

Manche Gewerkschaftslinke (hier v.a. Rainer Roth) machen sich Sorgen um den Wert der Ware Arbeitskraft und verwechseln dabei den Lohn mit Reproduktionskosten.

Während aber BGE vom Wert der Arbeitskraft unabhängig ist, sind Reproduktionskosten politisch, staatlich austariert.

Staatliche Streichungen von Sozialleistungen z.B. senken den Wert der Ware Arbeitskraft direkt – auch daher sind politische Streiks notwendig und wirkungsvoller.

So hätten z.B. Arzt-Zuzahlungen gewerkschaftlich durch Lohnsteigerungen aufgefangen werden müssen.

Dennoch macht sich Rainer Roth auch Sorgen um das Tarifsystem. Was ist gut am aktuellen Tarifsystem oder Flächentarifvertrag? Was soll an aktuellen Niederlagen durch BGE verschlimmert werden?

Ansprüche an das Lebensniveau machen mit den Wert der Ware Arbeitskraft aus!

Diese Ansprüche müssen aber erhoben, erkämpft und verteidigt werden, nicht versagende Instrumente…

c) BGE als Spalter? Wer ist hier der Spalter?

Viele Gewerkschaftslinke sind sich sicher, die Forderung nach BGE spalte die Arbeitenden und die Erwerbslosen. Ich habe daraufhin mit dem Gedanken gespielt (4), das BGE nur auf die Nicht-Arbeitenden zu beschränken, aber wer soll das kontrollieren und wo sind die Grenzen dieser Kontrolle?

Unser Kampf muss gerade jetzt jeder Form von Kontrolle und Repression gelten.

Solche Einschränkung der Bedingungslosigkeit (auch Reiche auszunehmen konterkariert tendenziell die Bedingungslosigkeit und ist zahlenmäßig vernachlässigbar: Heute zahlen „wir“ viel mehr für sie!) verhindert kein Lohndumping, weil eben diese die Erwerbslosen und Arbeitenden spalten würde, während BGE für alle – als das bessere, universelle Streikgeld – die Kampfkraft um die Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen bestärkt.

Durch BGE würden alle Arbeitenden zum knappen Gut mit hoher Verhandlungsmacht werden. Was ist daran spalterisch? (Wem) Kann es schaden, wenn sie auch gegenüber den Gewerkschaftsapparaten selbstbewusster werden?

BGE muss also unbedingt bedingungslos sein und das bedeutet: für alle!

Die (wichtige!) Forderung nach einem möglichst hohen repressionsfreien Regelsatz hilft zwar auch den Arbeitenden als quasi Mindestlohn und geringere Angst vor Erwerbslosigkeit und ist daher als ein 1. Schritt geeignet. Sie hebt aber nicht die Lohnabhängigkeit auf und bekämpft daher nicht die kapitalistische Spaltung zwischen Arbeitenden und Erwerbslosen.

Eines der Elemente der kapitalistischen Spaltungen ist das – gewerkschaftlich nie wirklich bekämpfte – Lohnabstandsgebot. So meint auch Roth, wenn schon BGE, müsse es, wegen des Lohnabstandsgebots, noch tiefer liegen als der Mindestlohn, sonst wäre es unsolidarisch. Doch wer ist hier unsolidarisch? Gerade beim Lohnabstandsgebot ist hohes BGE gut, es kehrt ohnehin die Wirkung des Lohnabstandsgebots um. Aber wer soll durch das Lohnabstandsgebot geschützt werden? Der Arbeitsethos?

Warum nicht statt BGE das Lohnabstandsgebot bekämpfen?

Gleiches gilt für ein weiteres Element der kapitalistischen Spaltungen: Die Struktur der Finanzierung der sozialen Systeme nach dem Solidarprinzip (statt Verursacherprinzip), die für Umverteilung innerhalb der geschädigten Klasse sorgt.

Dennoch wird auch von Links die „Leistungsgerechtigkeit“ hochgehalten.

Da Leistung durch das Kapital definiert wird, sollte sie auch aus Gesundheit, Rente etc. herausgehalten werden. Wäre da eine Forderung nach kostenloser Infrastruktur (siehe unten) nicht fortschrittlicher, da unabhängig von der Leistung, die vom Kapital nach dessen Bedürfnissen definiert wird?

Konkurrenz und Spaltung ist dem Kapitalismus wesentlich, bleibt aber beim BGE für alle endlich außen vor, durch leistungsunabhängige Gleichbehandlung.

Aber immer noch soll sich „Leistung“ lohnen. „Die Lohnabhängigen finanzieren das BGE“, schreien einige Gewerkschaftslinke. Na und? Sie müssen ja nicht lohnarbeiten. Und: Die Lohnabhängigen finanzieren eh‘ alles (und das international nicht nur national!). Wäre ein BGE, das unsere Erpressbarkeit mindert, nicht besser als Rüstung oder Schnüffler? Ist es nicht besser, Minderung der Lohnabhängigkeit statt Lohnarbeit und Konkurrenz zu finanzieren? Übrigens würde auch der Vorschlag von Roth zur Finanzierung der Forderungen des Frankfurter Appells aus einem Fond – wie BGE – aus dem Wertprodukt der Arbeitenden finanziert. Aber: Vom Mehrwert, nicht vom Lohn! Warum sind bloß die LohnarbeiterInnen nur bei den Kosten der Erwerbslosigkeit so selbstbewusst?

Nur da ist es „ihr Geld“…

Je höher die ideologische Bindung an den Kapitalismus, umso höher die gedachte Konkurrenz untereinander – das BGE für alle soll helfen, diese Bindung aufzuheben.

Natürlich kann es zu Streitigkeiten, Neid und Missgunst kommen, wenn mancher auf Lohnarbeit fixierter BGE ungerecht findet. Aber es steht ihr/ihm ja frei, sich auch mit dem BGE zu begnügen (und dann ggf. für dessen Erhöhung zu kämpfen) und v.a. kann ein solcher Streit nur aufklärerisch wirken (tut es teilweise bereits) und ist staatlichen Beschränkungen, Kontrollen und Schikanen allemal vorzuziehen!

Gerade in der aktuellen Auseinandersetzung und in den möglichen Konflikten innerhalb der Klasse der Lohnabhängigen zeigt sich das aufklärerische und emanzipatorische Moment des BGE.

d) Recht auf Arbeit oder Arbeitszwang statt BGE?

BGE – wenn wirklich bedingungslos – ist ein Kampf gegen den Zwangscharakter der Lohnarbeit, der uns erpressbar macht. „Wer Lohnarbeit als Selbstzweck – nicht nur ein mögliches Mittel zur Existenzsicherung – will und akzeptiert, dem müssen Forderungen nach einer Existenzsicherung ohne Lohnarbeit (und damit in dessen Verständnis ohne Gegenleistung) zumindest unverständlich bleiben.“ (2)

„Recht auf Arbeit“ wird dann gern als Alternative zum BGE gefordert. Aktuell ist dies aber faktisch eine Forderung nach Ausbeutung, Erniedrigung und Armut. Auch durch das Verbot von Entlassungen, wie von manchen Gewerkschaftslinken gefordert, wird die Macht des Kapitals nicht verringert.

Ist Befreiung von existenzieller Angst – und damit unserer Erpressbarkeit – nicht besser als Armut trotz Lohnarbeit?

BGE sichert die Existenz (und hoffentlich mehr), der Lohn nicht. Zumal man vom BGE nicht entlassen werden kann…

Auch Teilhabe und Vergesellschaftung (z.B. Anerkennung und Selbstbestätigung) können, müssen aber längst nicht mehr durch Lohnarbeit erreicht werden und werden zudem nach kapitalistischen Kriterien vergeben.

In vielen, weniger „wichtigen“ Berufen bedeutet Lohnarbeit Ausgrenzung, Demütigung, Entwürdigung und Angst.

Wer dieser (möglichen) Funktion der Lohnarbeit quasi naturgesetzlichen und alternativlosen Charakter zuweist (Michael Schlecht, Rainer Roth (3)), verwechselt den historischen mit einem anthropologischen Charakter der Arbeit. BGE aber hat die Veränderung der Vergesellschaftungsverhältnisse als Fokus und ist Teil der Forderung nach gleichen, sozialen Menschenrechten für alle – unabhängig von kapitalistisch definierter Leistung.

Auch ein „Recht auf Arbeit“ ändert nichts daran, dass die Lohnabhängigkeit Arbeitszwang bedeutet. Viele (Gewerkschafts-)Linke verwechseln diesen Lohnarbeitszwang mit der Notwendigkeit zur Arbeit auch in einer prä- oder postkapitalistischen Gesellschaft.

So spricht Roth – aus Angst um die Arbeitswilligkeit im Sozialismus – von „sinnlosem“ Arbeitszwang bei wirklich „überflüssigen“ Erwerbslosen, dann erst sei BGE gerechtfertigt, so wie er nicht gegen jede, nur gegen diskriminierende Bedürftigkeitsprüfung ist. Kann es einen „sinnvollen“ Arbeitszwang geben?

Davon abgesehen, dass der hier von Links befürwortete 2. oder 3. Arbeitsmarkt ebenfalls kapitalistisch organisiert und durchaus „nützlich“, weil abschreckend und disziplinierend für den 1. Arbeitsmarkt sind – was rechtfertigt einen Zwang zu sinnlosen, wenn nicht gar schädlichen Tätigkeiten?

Arbeit kann durchaus notwendig sein und ihren Nutzen haben. Dieser zeigt sich allerdings erst im Ergebnis dieser Arbeit und daran, wem sie nützt.

Viele notwendige Tätigkeiten können aber auch als Selbstzweck reizvoll sein (Reproduktion, Kommunikation) – ganz ohne Zwang.

Wird der Arbeitsplatz zum Selbstzweck, erscheinen schnell Lohnabsenkungen, erhöhte Ausbeutung und Sozialabbau als „akzeptabel“.

Wer zudem die Arbeit zum Selbstzweck erhebt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob denn eine arbeitszentrische sozialistische Gesellschaft so ein großer Fortschritt wäre.

Einen Sozialismus anstreben, ohne den Zwang aufheben zu wollen, bedeutet zumindest, diesen Zwang auch im Sozialismus hinzunehmen, weil Teilhabe an der Gesellschaft aus Überzeugung undenkbar erscheint.

Sozialismus fällt aber nicht vom Himmel und er wäre – das wissen wir aus Erfahrung – keine wirkliche Alternative ohne emanzipatorische Ansprüche, die jetzt schon wachsen, weil sie auch nach einer Revolution nicht vom Himmel fallen.

2. Geld ist nicht alles – soziale Infrastruktur

Soziale Infrastruktur, wie sie vom Links-Netz gefordert wird (5), bedeutet dass ein repressionsfreies BGE für alle – als Teil der Menschenrechte für alle – durch für alle zugängliche und kostenfreie öffentliche Güter (Gesundheit, Bildung, Kultur, Mobilität, Kommunikation etc.) ergänzt wird. Das langfristige Ziel besteht in der Überwindung der Wertform, der Entkommodifizierung der gesellschaftlichen Beziehungen und in der gesellschaftlichen Aneignung samt neuen Formen demokratischer Verwaltung.

Es basiert auf aktuellem und auszuweitendem Kampf gegen Privatisierung, verstärkt das Interesse auch an den Arbeitsbedingungen in einem solchen echten Öffentlichen Dienst und ermöglicht im Verlauf dieser Entwicklung eine „BG-Sicherung“ mit tendenziell immer weniger Geld.

3. BGE: Unkapitalistische und hinausweisende Forderung

Echtes BGE setzt grundlegend andere gesellschaftliche Verhältnisse voraus und allein die Forderung bedeutet den ersten Schritt dahin. Es wäre jedoch eine fatale Illusion zu übersehen, dass Lohnkämpfe unter kapitalistischen Bedingungen ebenfalls eine tendenziell zunehmende Verelendung nicht verhindern können.

Dies liegt nicht nur an den aktuellen Kräfteverhältnissen, die eine reelle Tariferhöhung genauso schwer realisierbar machen wie ein repressionsfreies Grundeinkommen oder gar die Revolution. Vielmehr wird das Kapital sich mit allen Kräften gegen ein echtes BGE wehren, da es auf die disziplinierende und Kosten senkende Wirkung der Lohnabhängigkeit und der damit verbundenen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt angewiesen ist.

So wie Hartz IV und Kombilöhne für das Kapital ein „Trojanisches Pferd“ für die Akzeptanz „echter“, subventionsfreier Niedriglöhne bedeutet, kann die Forderung nach einem – theoretisch problemlos finanzierbaren – bedingungslosem Grundeinkommen für uns ein „Trojanisches Pferd“ in der „Festung“ neoliberaler Ideologie (Sach- und Sparzwänge) sein und die Denkbarkeit und Entwicklung antikapitalistischer Alternativen zur Lohnabhängigkeit befördern.

Sie eröffnet den Horizont für Überlegungen, was und wie, wie lange sowie zu welchem Lohn ich gerne arbeiten würde, wenn ich überhaupt den „Luxus“ der Wahl hätte… Was undenkbar erscheint, kann nämlich nie zu einer Forderung, geschweige einem realisierbaren Ziel werden.

In einer postkapitalistischen Gesellschaft – und das verwechseln linke Kritiker des BGE -, würde die Produktion gesellschaftlich notwendiger Güter anders organisiert werden.

Wenn Entscheidungen über Produkte, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten kollektiv und solidarisch getroffen wie umgesetzt werden, besteht nicht die Gefahr, dass „freiwillig Erwerbslose“ auf Kosten der „heroisch Arbeitenden“ leben, was eine Sorge vieler Gewerkschaftslinken ist, die sie irrtümlich auf die aktuelle kapitalistische Gesellschaft projizieren. Aktuell erarbeiten alle Arbeitenden und lohnabhängige KonsumentInnen das süße Leben von wenigen, aber hoch geachteten „Nichtstuern“. In Ermangelung denkbarer Alternativen finden sie es normal.

Das Ziel meiner Forderung nach einem BGE ist eine Gesellschaft, die keines BGE mehr bedarf. Dennoch ist auf dem Weg dahin mit dieser Forderung viel zu gewinnen, denn sie knüpft an vorhandene Bedürfnisse nach Existenzsicherung ohne Angst an. Im Gegensatz zu vielen kurzfristigen Forderungen beinhaltet sie aber eine Bewusstseinsveränderung auch in Bezug auf alltägliche (heutige wie postkapitalistische) Lebensverhältnisse und Ansprüche (Konsum, soziale Beziehungen etc.). Sie knüpft also an bestehende soziale Kämpfe an, geht aber dabei weit über diese hinaus.

Ob eine zwangfreie, postkapitalistische Gesellschaft oder „nur“ die Erhöhung des ALG II als 1. Schritt: Beides ist undenkbar und unerkämpfbar ohne ein breites, emanzipatorisches Anspruchsniveau, das weit über das momentan als realisierbar erscheinende hinausgeht.

Realisierbar ist, wofür wir kämpfen!

(1) Erschienen in analyse & kritik (ak) 422, 21.1.99, S. 21 sowie in express 1/1999, www.labournet.de/diskussion/arbeit/prekaer/wompel.html

(2) Siehe Wompel, M. (1999): Homo malochus. Über das Monopol der Lohnarbeit auf Existenzsicherung und Vergesellschaftung, in: Widersprüche, 1989 - 1999 - 2010: Brüche und Reformperspektiven, SB Jahresband 1999, Bielefeld, 97-105. Heute unterstütze ich die Forderung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen und des Runden Tisches der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen.

(3) Siehe Debatte um linke Kritik am BGE im LabourNet: www.labournet.de/diskussion/arbeit/existenz/linkskritik.html
hier v.a. Rainer Roth

(4) Ich danke Armin Kammrad für die fruchtbare Debatte und Unterstützung!

(5) Siehe www.links-netz.de/rubriken/R_infrastruktur.html