antimilitarismus

Die Protestmarke Bombodrom

Betrachtungen über die Bewegung für die FREIe HEIDe

| Ulrike Laubenthal

Die Besiedelung des Bombodroms durch ca. 700 Menschen im Juni 2007 (vgl. GWR 320) hat vor Ort nicht nur Begeisterung ausgelöst. Aus den Reihen der Bürgerinitiative für die FREIe HEIDe gab es starke Bedenken gegen die Aktion. Ein Blick auf die Inhalte der Diskussion kann zum Verständnis einer Konstellation beitragen, in der sich Graswurzel-AktivistInnen auch in Zukunft bewegen werden, wenn sie zu Aktionen in die Kyritz-Ruppiner Heide kommen. Ich verstehe den Artikel auch als einen Beitrag zur Debatte über spektrenübergreifende Bündnisse.

Ziviler Ungehorsam: Jetzt oder …

Einer der Kritikpunkte gegen die Besiedelung des Bombodroms war, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung des Bombodroms noch lange nicht ausgeschöpft seien. Ziviler Ungehorsam sei erst dann gerechtfertigt, wenn die Versuche, den Bombenabwurfplatz auf juristischem und parlamentarisch-politischem Wege zu verhindern, endgültig gescheitert seien.

Das Argument stimmt für die Bürgerinitiative und die Unternehmerinitiative Pro Heide, die sich konkret die Verhinderung des Bombodroms auf ihre Fahnen geschrieben haben. Für eine Friedensbewegung, die die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt verhindern bzw. beenden will, ist dagegen der Ernstfall schon längst eingetreten.

Die rechtlichen Möglichkeiten sind ausgeschöpft, Kriege werden geführt.

Das geplante Bombodrom als ein Ort zukünftiger Bombenkriegsvorbereitung ist ein legitimer Ort des Widerstands gegen diese Kriegspolitik.

Aber vielleicht geht es den meisten der Beteiligten gar nicht so sehr um die abstrakte Frage der Bedingungen für Zivilen Ungehorsam. Kritik am Zeitpunkt der Aktion wurde aus den Reihen der Bürgerinitiative eher im Zusammenhang mit den eigenen Ressourcen ausgesprochen: „Wir sind hier seit 15 Jahren aktiv und müssen diesen Kampf vermutlich noch viele Jahre aufrechterhalten, da können wir nicht schon jetzt zu Aktionsformen greifen, die die Situation eskalieren und uns viel Kraft kosten. Diese Kraft wird dann gebraucht, wenn es keine anderen Möglichkeiten des Widerstands mehr gibt.“

Die Bürgerinitiative ist in einem Dilemma: Wenn es hier hart auf hart kommt, dann wird es auf die Unterstützung aktionserfahrener AktivistInnen aus der Friedensbewegung bzw. antimilitaristischen Bewegung ankommen. Schon jetzt können sie durch ihre Anwesenheit bei Protestwanderungen dem Anliegen der Bürgerinitiative mehr Gewicht verleihen. Aber eine antimilitaristische Bewegung, die schon jetzt das Bombodrom als Aktionsfeld für ihre eigenen Kampagnen entdeckt, kann für die lokale Bewegung zur Belastung werden.

Sie kann freilich auch die Chancen, auf juristischem oder parlamentarisch-politischem Wege zu gewinnen, erhöhen. Eine Bundesregierung, die sieht, dass sie auf erheblichen Widerstand stößt, wird das Projekt eher aufgeben.

Die Aktiven der Bürgerinitiative für die FREIe HEIDe entscheiden sich in dieser Situation unterschiedlich, je nachdem, ob sie mehr von der Angst vor Vereinnahmung und Überforderung oder von der Hoffnung auf ein Wachsen der Bewegung geprägt sind, und sicher auch abhängig davon, wie sehr sie sich selber mit den Zielen der Friedensbewegung identifizieren. Die einen begrüßen jede Gruppe und Organisation, die den Kampf gegen das Bombodrom zu ihrer Sache macht, die anderen mahnen und bremsen. Das führt zu doppelten Botschaften: „Kommt bitte alle und macht bei uns mit, aber bitte nicht jetzt und nicht so.“

Optimal ist es sicher, wenn sich alle Beteiligten bei Aktionsformen und Zeitpunkten treffen können, die den verschiedenen Bedürfnissen und Interessen entsprechen. Wo das nicht der Fall ist, sollten meiner Meinung nach Aktionsgruppen, die nicht in der Region verankert sind, deutlich machen: „Wir kommen nicht, um die Bürgerinitiative zu unterstützen, sondern wir kommen mit einem eigenen politischen Anliegen.“

Dementsprechend können wir auch nicht die vorbehaltlose Unterstützung der Bürgerinitiative erwarten – wohl aber Akzeptanz.

Bill Moyer und die vier Rollen in sozialen Bewegungen

Ein weiteres Argument gegen die Besiedelung im Vorfeld des G8-Gipfels war, dass die Bürgerinitiative ein breites Bündnis vor Ort im Widerstand gegen das Bombodrom vereint. Durch eine Verknüpfung mit dem G8-Widerstand könnten Teile dieses Bündnisses abspringen.

Mir scheint dies nicht so sehr ein Argument gegen die Besiedelungsaktion selber, sondern eher ein Argument dafür, dass die Bürgerinitiative nicht mit zu solchen Aktionen aufruft.

Im Grunde gab es damit kein Problem: Bei einer Versammlung der Bürgerinitiative wurde beschlossen, dass sie nicht aufruft, sich aber auch nicht von der Aktion distanziert und dass BI-Mitglieder sich individuell entschließen können, an der Aktion teilzunehmen oder nicht.

Umgekehrt hat das Bündnis No War – No G8 diese Entscheidung respektiert und für die Aktion nicht auf die Unterstützung durch BI-Strukturen gebaut.

Dennoch sind immer wieder Turbulenzen sichtbar geworden, die sich um diese Frage rankten. Mein Eindruck ist, dass bei manchen im Kopf war, die Verknüpfung und Ausweitung der Themen sei irgendwie besser, konsequenter, fortschrittlicher als ein bloßes Engagement gegen das Bombodrom – BI-Mitglieder gerieten manchmal in eine Art Verteidigungshaltung, wenn sie erklärten, warum sie nicht mit dabei waren, und beim Aktionsbündnis kam manchmal Ungeduld auf mit denen, die „noch nicht so weit“ sind.

Ich schlage eine andere Perspektive vor. In der derzeitigen Situation ist es m.E. tatsächlich eine Aufgabe der Bürgerinitiative, den Protest gegen das Bombodrom langfristig im öffentlichen Bewusstsein zu halten und unter den unmittelbar Betroffenen in der Region ein breites Spektrum von Bombodrom-GegnerInnen zu organisieren. Würde sich die BI jetzt radikalisieren, eine grundsätzlich antimilitaristische und systemkritische Haltung einnehmen und ihren Protest auf andere Themen und Orte ausweiten, dann müsste eine andere Gruppe in der Region ihre Funktion übernehmen, oder dem Widerstand würde ein wichtiges Element fehlen.

Bill Moyer beschreibt in seinem „Aktionsplan für Soziale Bewegungen“ vier Rollen, die alle zum Erfolg einer sozialen Bewegung beitragen: BürgerInnen, ReformerInnen, RebellInnen und AktivistInnen für Sozialen Wandel.

„BürgerInnen“ sind unmittelbar Betroffene, die sich mit überwiegend institutionalisierten Methoden (Wahlen, Petitionen, Unterschriftensammlungen, Gerichtsprozesse) für ihre konkreten und begrenzten Ziele einsetzen. Sie sind nicht unbedingt als Individuen, aber doch funktional als Gruppe „Ja-SagerInnen“, die deutlich inmitten der Gesellschaft stehen und ihre Werte und Grundlagen befürworten. Dabei weisen sie penetrant darauf hin, dass aber an dieser einen Stelle in ihrem persönlichen Erfahrungsbereich die anerkannten Werte der Gesellschaft verletzt werden.

Durch ihre persönliche Betroffenheit und durch ihr „Ein-Punkt-Programm“ sind sie für große Teile der Gesellschaft glaubwürdig und können auch Menschen erreichen, die für Protestbewegungen nicht offen sind.

Genauso haben nach Moyer auch die „RebellInnen“ ihre wichtige Funktion in jeder sozialen Bewegung. Gemeint sind damit AktivistInnen, die in grundsätzlicher Opposition zum System stehen und sich aus Überzeugung auch in solchen Bereichen engagieren, in denen sie nicht unmittelbar betroffen sind. Sie sind die „Nein-SagerInnen“, die aufzeigen, dass das herrschende System grundsätzlich nicht den gesellschaftlichen Werten entspricht, die es zu verwirklichen vorgibt.

Sie setzen weniger auf institutionelle Mittel, sondern mehr auf gewaltfreie direkte Aktion und bringen dabei Erfahrungen aus anderen Auseinandersetzungen mit. Unter anderem können sie helfen, effektive basisdemokratische Strukturen für eine wachsende Bewegung zu entwickeln. Wird die Rolle der „BürgerInnen“ hier wie auch in vielen anderen Konflikten durch die Bürgerinitiative übernommen, so sind die „RebellInnen“ hier die Freie Heide Gruppe Neuruppin-Berlin sowie das Aktionsbündnis Rosa Heide (früher: „No War – No G8“).

Die Unternehmerinitiative „Pro Heide“ sowie verschiedene ParlamentarierInnen (allen voran Kirsten Tackmann, MdB) sehe ich in der Rolle, die Moyer „ReformerInnen“ nennt: Sie machen professionelle Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit und tragen dazu bei, dass der Druck von der Basis in praktische Politik umgesetzt wird.

Auch diese Rolle ist nicht unumstritten – man macht sich darin die Hände schmutzig.

Als vierte Rolle beschreibt Moyer „AktivistInnen für sozialen Wandel“. Ich fand es lange Zeit schwer, diese Rolle von den „RebellInnen“ zu unterscheiden: Auch ihnen geht es um grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen.

Neue Gedanken dazu brachte mir ein Gespräch mit einer „gelernten DDR-Bürgerin“, die mir ein Dilemma des Bombodrom-Widerstands aus der Perspektive einer marxistischen Analyse beschrieb: Wer die Bundeswehr als Instrument der Herrschaftssicherung will, braucht auch ein Bombodrom. (Zitat Standortkommandant Engel: „Wer die Bundeswehr will, muss sie auch üben lassen.“)

Der Kampf gegen das Bombodrom kann also nicht gewonnen werden, ohne auch die Funktion der Bundeswehr in frage zu stellen. Der Widerspruch „Bombodrom“ ist deshalb ein antagonistischer Widerspruch, also einer, der innerhalb des bestehenden Systems nicht gelöst werden kann. In der mir vertrauteren Sprache der gewaltfreien Konfliktbearbeitung würden wir sagen: Es lässt sich über die Frage des Bombodroms kein gesellschaftlicher Konsens finden, solange die gesellschaftlichen Strukturen so sind, wie sie sind. Um das Bombodrom zu verhindern, müssen wir also die Strukturen verändern.

Für manche ist das gleichzusetzen mit bewaffnetem Kampf, weil sich gesellschaftlich privilegierte Gruppen nicht einfach so ohne Kampf eliminieren bzw. ihre Privilegien nehmen lassen. In der Logik gewaltfreier Konfliktbearbeitung ist eine Transformation gesellschaftlicher Strukturen durchaus auch gewaltfrei erreichbar. AktivistInnen für sozialen Wandel haben – so verstehe ich es – die Aufgabe, die verschiedenen AkteurInnen in sozialen Bewegungen darin zu ermutigen und zu unterstützen, ihre eigenen Angelegenheiten selber in die Hand zu nehmen, sich nichthierarchisch zu organisieren und hierarchischen Strukturen ihre Mitarbeit zu entziehen.

Teilweise ist die Sichelschmiede in dieser Rolle aktiv, zum Beispiel, wenn bei Aktionstrainings Entscheidungsfindung im Konsens geübt und die Bildung eigenständiger aktionsfähiger Gruppen angeregt wird.

All diese Aufgaben sind gleichermaßen wichtig, und niemand ist „weiter“ oder „besser“ als die anderen – und niemandem wäre geholfen, wenn wir alle nur noch eine Rolle besetzen würden. Im Prozess des gesellschaftlichen Wandels gibt es unterschiedliche Phasen, in denen sich die Kräfte gegenseitig stärken, wenn sich die verschiedenen Gruppen jeweils positiv aufeinander beziehen.

Wem gehört die „Protestmarke Bombodrom“

Wenn es um die gegenseitige Akzeptanz der am Widerstand beteiligten Gruppen geht, kommt ein Aspekt erschwerend hinzu: die Namensähnlichkeit unterschiedlicher Initiativen.

1992 gründeten sich die „Bürgerinitiative für die FREIe HEIDe“ und ein Verein „Bürgerinitiative FREIe HEIDe Kyritz-Wittstock-Ruppin e.V.“.

Bald darauf entstand die „FREIe HEIDe Gruppe Neuruppin-Berlin“, die seit 1995 regelmäßig die Sommeraktionstage veranstaltet. Lange Zeit wurden weder die Namensähnlichkeit noch die Tatsache, dass diese Gruppe von der Bürgerinitiative völlig unabhängige Arbeits- und Entscheidungsstrukturen hat, problematisiert. Es gab ausreichend Austausch und Übereinstimmung, um mit einem gemeinsamen Namen zu agieren. Die Aktionen der Gruppe Neuruppin-Berlin tauchten in der Chronik der Bürgerinitiative FREIe HEIDe auf, in der Presse war schlicht von Aktionen „der FREIen HEIDe“ die Rede.

In den letzten Jahren ist die Kommunikation schwieriger geworden, und die Unterschiede treten mehr zu Tage. Als jetzt die „FREIe HEIDe Gruppe Neuruppin-Berlin“ mit zur Besiedelung des Bombodroms aufrief und dies in der Presse als ein Aufruf der „Bürgerinitiative FREIe HEIDe“ wiedergegeben wurde, schlugen die Wogen hoch – verständlicherweise, wenn man sich klar macht, dass beide Gruppen in unterschiedlichen Rollen sind, unterschiedliche Aufgaben und dadurch in Bezug auf die Besiedelung unterschiedliche Positionen haben. Die Sache wird nicht einfacher dadurch, dass das Logo und der Namenszug der Bürgerinitiative (siehe Abb. auf dieser Seite) seit Jahren über T-Shirts, Fahnen und Aufkleber allgemein verbreitet werden und zum Symbol nicht für eine bestimmte Gruppe, sondern für eine Bewegung und eine politische Forderung geworden sind.

Ein Ausweg könnte darin bestehen, sich gemeinsam als eine Bewegung „für die FREIe HEIDe“ zu verstehen und zur Unterscheidung jeweils die Organisationsform („Bürgerinitiative“, „Aktionsgruppe“, „Bündnis“, …) zu verwenden.

Die ewige Frage der Gewalt(freiheit)

Ein zentrales Argument derjenigen, die eine Beteiligung der Bürgerinitiative FREIe HEIDe an der Besiedelungsaktion ablehnten, war: „Wir haben uns in 15 Jahren ein Image aufgebaut als eine Bewegung, die gewaltfrei demonstriert.

Wenn nun im Zusammenhang mit der Protestwanderung unfriedliche (oder auch nur: ordnungswidrige) Aktionen stattfinden, dann schadet das dem Ruf der FREIen HEIDe.“

Dieses Argument lässt außer acht, dass es auch in der Vergangenheit immer wieder begrenzte Regelverstöße gab, die auf breite Akzeptanz stießen (z.B. Lebenslaute-Konzerte oder das wiederholte Aufstellen des Mahnmals für die Kriegstoten vom 1. Mai 1945 auf dem Gelände des Bombodroms). Andererseits knüpft dieses Argument eng an die oben beschriebene Rolle der „BürgerInnen“ an, die in breite Kreise der Gesellschaft hinein wirken können: Selbst große Teile der örtlichen Polizei stehen dem Anliegen der FREIen HEIDe neutral bis positiv gegenüber. Eine gewaltsame Eskalation würde viele UnterstützerInnen auf Distanz bringen.

Dazu kam die konkrete Befürchtung, dass eine Eskalation im Zusammenhang mit dem G8-Protest die Chancen bei der für Juli 2007 anstehenden Hauptverhandlung am Verwaltungsgerichts verschlechtern könnte. Dabei war die Sorge gar nicht unbedingt, dass die Anti-G8-AktivistInnen selber zur Gewalt greifen könnten.

Vielmehr bestand die Sorge, dass die Bundeswehr und ihre UnterstützerInnen vor Ort geradezu darauf warten (und es fördern) könnten, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt, um dann in Zukunft mit der Bürgerinitiative und ihren Protesten härter umgehen zu können. Auch bestand die Befürchtung, eine Besiedelung im Vorfeld des G8 könnte eine Steilvorlage werden für eine Großübung von Bundeswehr und Polizei, mit der sie sich für den G8 warmlaufen und ein Exempel setzen.

Im Bündnis „No War – No G8“ haben wir uns von Anfang mit diesen Bedenken auseinandergesetzt und sie in die Aktionsplanungen einbezogen. So war es kein Zufall, dass all diese Befürchtungen nicht eingetreten sind: Den in den Medien geschürten Ängsten vor den gewalttätigen G8-GegnerInnen haben wir eine aktive Pressearbeit entgegengesetzt, mit der wir diese Stereotypen aufgebrochen, Feindbilder abgebaut, den Charakter unserer Aktion deutlich gemacht haben.

Auch einige Infoveranstaltungen zum G8 und der monatliche Heidestammtisch im Vorfeld der Aktion haben dazu beigetragen. Eine weitere politische Absicherung der Aktion waren die vielen UnterzeichnerInnen des Aufrufs (vgl. GWR 319), darunter zahlreiche bekannte Friedensorganisationen. Im Informationsgespräch mit der Polizei konnten wir vor allem dadurch für Entspannung sorgen, dass wir die zu erwartenden TeilnehmerInnenzahlen realistisch (und damit niedriger als von der Polizei zunächst befürchtet) angegeben haben.

In vielen Vorgesprächen, in Infoveranstaltungen am Vorabend der Aktion und über Flugblätter haben wir den AktionsteilnehmerInnen vermittelt, wie wir als OrganisatorInnen uns den Charakter der Aktion vorstellen. Mögliche Eskalationsszenarien haben wir im Vorfeld intensiv durchgesprochen, Deeskalationsstrategien entwickelt und umgesetzt. Alle beteiligten Gruppen haben sich an die Absprachen gehalten und sie kreativ umgesetzt. Der 1. Juni 2007 war ein Beispiel dafür, dass sehr unterschiedliche Gruppen, auch mit verschiedenen Haltungen zur Frage der Gewaltfreiheit, im konkreten Fall eine sehr gute Aktion miteinander vorbereiten und durchführen können, die sowohl den Kriterien der einen für eine gewaltfreie Aktion als auch denen der anderen für eine militante Aktion entspricht.

Allerdings war dieser Prozess manchmal schweißtreibend, und ich hatte immer wieder große Zweifel, ob eine Zusammenarbeit wirklich sinnvoll ist.

In dieser Phase der Auseinandersetzung konnten wir uns noch über Ziele und Mittel einigen – aber wie geht es weiter?

Bill Moyer schreibt über soziale Bewegungen: „Das Ziel der Bewegung ist es aufzuklären, immer größere Teile der Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen und sie zum Handeln zu bewegen, um eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich die Bewegungen auf grundsätzliche menschliche und kulturelle Werte, Symbole, Empfindungen und Traditionen der breiten Öffentlichkeit beziehen. … Nur indem die Öffentlichkeit davon überzeugt wird, dass die Bewegung diese gemeinsamen Werte schützt und aufrecht erhält, wohingegen die Regierung sie missachtet, kann die Bevölkerung auf die Seite der Opposition gebracht und zum Handeln animiert werden. Das Gegenteil geschieht, wenn Aktionen und Haltungen gesellschaftliche Werte und Empfindungen verletzten, z.B. durch Gewalttätigkeiten oder rebellierendes Macho-Gehabe; beides bewirkt, dass sich die Öffentlichkeit und auch viele AktivistInnen gegen die Bewegung stellen.“ (1)

Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe verfolgt zur Zeit eine friedliche Strategie und kann sich damit auf anerkannte gesellschaftliche Werte berufen.

Was aber, wenn diese Strategie scheitert?

Die große Angst vor einer Eskalation „zum falschen Zeitpunkt“ lässt durchscheinen, dass zu einem anderen Zeitpunkt, wenn alle legalen Strategien gescheitert sind, die dann notwendig folgende Eskalation in der Vorstellung der Menschen durchaus auch mit Gewalt verbunden sein kann (antagonistischer Widerspruch, s.o.). Die grundsätzliche Ablehnung von Gewalt in jeder Form ist in der Bürgerinitiative FREIe HEIDe nach meiner Einschätzung nicht weiter verbreitet als im Rest der Gesellschaft.

Als gewaltfreie Anarchistin habe ich das Anliegen, Aktionen so zu organisieren, dass sie zum Entstehen von Visionen für eine gewaltfreie Eskalation beitragen. Ich möchte, dass möglichst viele Menschen ihre Möglichkeiten entdecken, sich auch in einem eskalierten Konflikt klar, entschlossen und gewaltfrei zu verhalten. Ich möchte nicht, dass der Konflikt um die FREIe HEIDe oder ein anderer gesellschaftlicher Konflikt gewaltsam eskaliert. Aus den Diskussionen im Vorfeld der Besiedelungsaktion ist in mir der Eindruck entstanden, dass andere beteiligte Gruppen – die das Wort „gewaltfrei“ nicht im Aufruf stehen haben wollten – dazu beitragen möchten, dass mehr Menschen für sich Möglichkeiten eines Handelns in der Logik der Gewalt entdecken und revolutionäre Gewalt akzeptieren.

Ich vermute, dass auch bei ähnlichen Zielen die verschiedenen Strategien nicht kompatibel sind. Ein aufeinander Zugehen der verschiedenen Spektren kann sich deshalb in meinen Augen nicht darauf beschränken, Aktionen auf der Basis des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ zu machen, sondern wir müssten uns ernsthaft mit unseren gegenseitigen gesellschaftspolitischen Strategien auseinandersetzen und schauen, ob wir zusammen kommen – oder eben auch nicht.

Pläne für 2008

Ein letzter Kritikpunkt an der Besiedelungsaktion soll hier noch genannt werden: Eine solche einmalige Aktion im Vorfeld des G8-Gipfels bringe nichts, nötig sei ein kontinuierliches Engagement.

Tatsächlich war es die Grundidee der Besiedelungsaktion, im Vorfeld des G8-Gipfels eine antimilitaristische Aktion gerade an einem solchen Ort zu machen, an den die beteiligten Gruppen auch später wieder kommen können, und damit wichtige Kontakte für die zukünftige Arbeit zu knüpfen.

Das „Bündnis No War No G8“ hat sich inzwischen umbenannt in „Aktionsbündnis Rosa Heide – gegen Bombodrom und Militarismus“. Es bereitet für 2008 weitere Aktionen vor.

VertreterInnen des Bündnisses waren im Dezember bei den internationalen Protesttagen gegen den Militärstützpunkt Dal Molin in Vicenza (Italien) und haben dort vom Widerstand gegen das Bombodrom berichtet und die internationale Vernetzung vorangetrieben.

Insgesamt sieht es danach aus, dass das Thema „Militärstützpunkte“ im Jahr 2008 mehr in den Blick der Öffentlichkeit geraten wird. (2)

Außer am Bombodrom sind Aktionen in Ramstein, Büchel, in Italien, der Tschechischen Republik und Polen sowie am NATO-Hauptquartier in Brüssel geplant (siehe Seite 20).

(1) Bill Moyer, Aktionsplan für soziale Bewegungen, ISBN 3-88713-036-7, 1989, S. 14f.

(2) Infos unter www.nema-online.de