Am 20. Februar fand eine Veranstaltung von Graswurzelrevolution-Redaktion und Filmwerkstatt im Münsteraner Programmkino Cinema statt (vgl. GWR 326). Eingeleitet wurde sie durch ein Referat des Hispanisten Martin Baxmeyer (Mitherausgeber von Abel Paz und die Spanische Revolution, Frankfurt/M. 2004). Anschließend wurde Brigadistas (*), der neue Dokumentarfilm von Daniel Burkholz, gezeigt. Ausgangspunkt des Films ist die Rückkehr von 36 BrigadistInnen, die in den Internationalen Brigaden den Kampf gegen den Faschismus aufnahmen, nach Spanien - 70 Jahre nach Beginn des Spanischen Bürgerkrieges. Im Anschluss an den Film diskutierten Daniel Burkholz, Winfried Bettmer (Filmwerkstatt), Martin Baxmeyer, Bernd Drücke (GWR) und das Publikum über die Bedeutung der Spanischen Revolution und die Rolle der Brigadistas. Wir präsentieren eine ausgearbeitete Fassung von Martin Baxmeyers Vortrag (GWR-Red.)
Am 18. Juli 1936 putschte in Spanien eine Junta abtrünniger Militärs, unter ihnen der 38-jährige General Francisco Franco, gegen die II. Republik.
Der Putsch scheiterte, da Teile der regulären Truppen und Polizeikräfte – namentlich die republikanischen Guardias de asalto [‚Sturmgarden‘] – der Republik treu blieben. Vor allem aber war es der spontane Widerstand der organisierten Arbeiterschaft, der den Aufstand scheitern ließ.
Aus einem pronunciamiento [‚Militärputsch‘] wurde ein dreijähriger Bürgerkrieg, der das Land in zwei Zonen teilte.
In der republikanischen Zone war die Niederlage der Militärs Auslöser einer sozialen Revolution, die innerhalb kürzester Zeit in Katalonien, Aragón und Teilen der Levante die bisherige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ordnung umstürzte – zumindest vorübergehend. Träger der Revolution waren die in der Massengewerkschaft CNT [Confederación Nacional del Trabajo] organisierten Anarchosyndikalistinnen und Anarchosyndikalisten, stalinkritische Kommunistinnen und Kommunisten und revolutionäre Sozialistinnen und Sozialisten.
Der Spanische Bürgerkrieg wurde nicht als national isoliertes Ereignis wahrgenommen – als „Angelegenheit der Spanier“. Vielmehr schien es, als sollte in Spanien noch einmal – vielleicht zum letzten Mal – der Kampf zwischen einer linksrevolutionären Arbeiterbewegung und dem in Europa allerorten siegreichen Faschismus ausgefochten werden. Ein Beispiel für die Internationalität des Konflikts sind die Internationalen Brigaden.
Ab Oktober 1936 registrierte die Pariser Polizei die heimliche Bildung von Freiwilligengruppen sowie Versuche der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF), Mitglieder mit militärischer Erfahrung anzuwerben. Trotz wiederholter Behauptungen seitens diverser Historiker des Franco-Regimes ist nicht nachzuweisen, daß die Geburt der Internationalen Brigaden auf einen Beschluß der Komintern zurückgeht.
Tatsächlich waren sie eine Gründung des PCF und italienischer Exilanten. Sie richteten in mehreren Städten Rekrutierungsbüros ein und machten über „Spanien-Hilfs-Komitees“ Werbung, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Als eigentliches Gründungsdatum der Internationalen Brigaden gilt der 22. Oktober 1936.
Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings schon viele ausländische Antifaschistinnen und Antifaschisten im Land. Sie waren im Sommer 1936 zur sogenannten „Arbeiterolympiade“ nach Barcelona gekommen, die als Gegenveranstaltung zur Olympiade im nationalsozialistischen Deutschland geplant gewesen war. Andere hatten sich gleich in den ersten Tagen des Putsches eigenmächtig aufgemacht, um sich an der Revolution zu beteiligen oder die spanische Republik zu verteidigen. Für antifaschistische Flüchtlinge aus Deutschland und Italien bot sich in Spanien die Möglichkeit, den in ihren Heimatländern verlorenen Kampf auf anderem Terrain fortzusetzen.
Ab dem 22. Oktober wurde diese internationale Unterstützung wesentlich professioneller organisiert.
Das Echo in proletarischen Kreisen auf die Gründung der Internationalen Brigaden war beachtlich: Innerhalb von fünf Monaten konnten fünf rein nicht-spanische Brigaden (XI-XV) aufgestellt werden.
Die Größe einer Brigade variierte zwischen 1.200 und 3.000 Mann. Die größte Gruppe stellten während des Krieges die Franzosen mit über 10.000 Freiwilligen. Den Transport der Freiwilligen aus Mittel- und Osteuropa organisierte übrigens ein jugoslawischer Kommunist (Josip Broz), der später unter dem Namen Marshall Tito von sich reden machte.
Der Enthusiasmus, sich an den Kämpfen zu beteiligen, ließ allerdings rasch nach. Schon 1937 verzichtete die Kommunistische Partei Frankreichs auf weitere Mobilisierung nach Spanien.
Die Gründe mögen vielfältig gewesen sein: von rascher Desillusionierung allzu begeisterter Freiwilliger angesichts der Wirklichkeit des Krieges bis hin zu Stalins Bemühungen, als seriöser Partner Frankreichs und Englands zu erscheinen, der nichts weniger wünsche als die „Weltrevolution“.
Aber auch auf Seiten Francos kämpften internationale Truppen. Neben der großen Unterstützung durch Benito Mussolinis Italien, das neben faschistischen Schwarzhemden Wehrpflichtige (!) nach Spanien schickte, kämpften auf Seiten der Franco-Koalition marokkanische Kolonialtruppen, portugiesische Faschisten und ultramontane irische Katholiken, die eine kleine militärische Einheit mit eigenem Kommando bildeten.
Am bekanntesten aber ist sicher die nationalsozialistische Luftwaffeneinheit Legion Condor, deren Angehörige im Nachkriegsdeutschland friedlich ihre Pensionen verzehren durften. 140 Flugzeuge hatte die Legion Condor zwischen 1936 und 1939 ständig im Einsatz.
Insgesamt lieferte Deutschland vermutlich 700 Flugzeuge an Franco. 5.000 Mann waren ständig in Spanien stationiert. Die Besatzung wechselte alle paar Monate, so daß während des Bürgerkriegs insgesamt 19.000 deutsche Soldaten auf Francos Seite kämpften. Am 26. April 1937 machte die Legion Condor, unterstützt durch italienische Verbände, die baskische Stadt Guernica dem Erdboden gleich.
Zwischen 1936 und 1938 kämpften auf republikanischer Seite Freiwillige aus 72 Nationen.
Die militärische Zensur hatte ihre liebe Mühe, Briefe in über 40 Sprachen zu bearbeiten. Man schätzt, daß insgesamt 59.600 Interbrigadisten in Spanien standen – wenn auch nicht alle zur gleichen Zeit. 80 % waren Arbeiter, 70 bis 80 % waren Kommunisten.
Der Frauenanteil war verschwindend gering. Einzigartig war der überdurchschnittlich hohe Anteil an Künstlern und Intellektuellen, der dem Spanischen Bürgerkrieg die Bezeichnung „la guerra de los poetas“, der „Krieg der Dichter“, einbrachte.
Entgegen den Behauptungen der Franquisten, die eine „Komintern-Armee“ in Spanien am Werk sehen wollten, fand sich unter den einfachen Soldaten der Internationalen Brigaden kein einziger Russe. Sie stellten statt dessen die überwältigende Mehrheit der Militärberater, Ausbilder und politischen Kommissare. Stalin ließ seinen gesamten politischen und militärischen Stab nach dessen Rückkehr in die Sowjetunion erschießen.
Innerhalb der spanischen Armee waren die Internationalen Brigaden eine Eliteeinheit.
Die Ankunft der XI. Brigade am 8. November 1936 rettete die Stadt Madrid.
Auch in der Folgezeit wurden sie an den gefährdetsten Frontabschnitten eingesetzt.
Dementsprechend hoch waren ihre Verluste: Fast ein Drittel der Interbrigadisten wurde – mindestens einmal – kampfunfähig gemacht. 17 % – nahezu 10.000 Mann (!) – verloren ihr Leben. Nur 7,4 % kamen unverletzt davon.
Es gibt wahrlich keinen Grund, an der Aufrichtigkeit und vor allem am persönlichen Mut der Interbrigadisten zu zweifeln, von denen viele 1936 gerade einmal Anfang, Mitte 20 waren. In Bataillonen und Milizkolonnen kämpften Anhänger der unterschiedlichen politischen Fraktionen Seite an Seite.
Proletarischer Internationalismus, der nicht länger nach Parteizugehörigkeit oder Nationalität unterscheiden wollte, war in Spanien vielerorts ohne Zweifel gelebte Wirklichkeit. Die Internationalen Brigaden insgesamt aber wurden, ob sie es wollten oder nicht, zur Manövriermasse im politischen Machtgerangel der konkurrierenden Fraktionen der republikanischen Zone – namentlich zwischen Anarchosyndikalisten und Kommunisten.
Die Politik der spanischen Kommunisten und ihrer sowjetischen Berater war während des Bürgerkriegs entschieden anti-revolutionär. Jesús Hernández, Mitglied des Zentralkomitees und Minister im Kabinett Caballero, erklärte am 9. August 1936: „Man kann nicht sagen, dass wir aus sozialen Gründen am Krieg teilnähmen. Wir sind ausschließlich von dem Wunsch beseelt, die demokratische Republik zu verteidigen.“
Ein Strom (meist minderwertiger) Waffen aus der Sowjetunion und kommunistischer Freiwilliger aus der ganzen Welt stärkte die Position der spanischen Kommunisten in einer Weise, die pro-revolutionären Strömungen nicht behagte. Anarchistische Grenzmilizionäre hielten ganze Transporte voller Interbrigadisten an der französischen Grenze fest. Selbst der spanische Regierungschef Largo Caballero, ein radikaler Sozialist, soll, als man ihm die Ankunft der ersten Internationalen Brigade in Aussicht stellte, keineswegs begeistert gewesen sein.
Der anti-revolutionäre Kurs, den die kommunistische Parteispitze in Spanien verfolgte, entsprach aber auch keineswegs den Vorstellungen eines jeden, der freiwillig nach Spanien gekommen war, um in den Internationalen Brigaden zu kämpfen.
So kam es, daß sich ab Winter 1936 der sich allmählich verschärfende politische Terror der Kommunisten auch gegen Mitglieder der Internationalen Brigaden zu wenden begann.
Nicht umsonst hatten 1936 in Russland die ersten Schauprozesse begonnen. Der spätere Stasi-Chef Erich Mielke war während des Bürgerkriegs verantwortlich für die geheimdienstliche Überwachung der Internationalen Brigaden. Ein anderes Beispiel ist der französische Lagerkommandant André Marty.
André Marty war Chef der Militärischen Abteilung der Internationalen Brigaden und politischer Kommissar. Er wurde der „Schlächter von Albacete“ genannt. Im Ausbildungslager der Internationalen Brigaden, ca. 150 Kilometer südöstlich von Madrid, in der Nähe von Alicante gelegen, führte er ein gnadenloses Regiment. 1937 wurde er sogar von der Komintern ermahnt, sein Verhalten zu mäßigen. Er ließ rücksichtslos Deserteure, „Disziplinlose“ und „Schwächlinge“ hinrichten – oft auf bloße Denunziation hin. Er soll Standgerichte beeinflusst haben, die daraufhin Interbrigadisten hinrichten ließen, deren einziges Verbrechen es war, mit Milizionären der CNT Kontakt aufgenommen zu haben. Ein anderes Mal soll Marty eigenhändig vier Interbrigadisten erschossen haben, weil sie sich gegen seine Beschimpfungen zur Wehr gesetzt hatten.
Zahlreiche der ihm zugeschriebenen Verbrechen gehören sicherlich in den Bereich einer innerkommunistischen leyenda negra [‚Schwarze Legende‘]. Seine Intoleranz, Unberechenbarkeit und Rücksichtslosigkeit allerdings sind kaum zu bestreiten. Marty litt, so der französische Historiker Pierre Vilar, an „Spionitis“: Er sah überall Verräter, Zersetzung und Spione – ein stalinistischer Henker, wie er im Buche steht. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß Marty Agenten und Spione ausschließlich in den eigenen Reihen jagte, während Spanien zur Spielwiese ausländischer – namentlich: deutscher – Agenten geworden war.
Mitglieder der Internationalen Brigaden wurden systematisch am Kontakt mit Milizeinheiten, die anderen politischen Organisationen angehörten, gehindert. Durch politische Kommissare wie Marty waren sie scharfer ideologischer Kontrolle unterworfen. Die kommunistische Propaganda versorgte sie mit Informationen – und wenn nötig, mit Desinformationen. Wer gegen diese Überwachung aufbegehrte, riskierte mitunter sein Leben.
Hans Beimler beispielsweise, selbst politischer Kommissar der Brigade Kléber und im Lied verewigter Märtyrer – „Hans Beimler, Kamerad!“ -, soll Zeugnissen ehemaliger Mitkämpfer zu Folge nicht von den Franquisten, sondern von Agenten des NKWD [sowjetischer Geheimdienst] erschossen worden sein. Er war, wie viele andere Interbrigadisten auch, mit der geheimdienstlichen Überwachung und Terrorisierung der Truppe durch sogenannte „Sonderdienste“ nicht einverstanden gewesen.
Er hielt Kontakt zu nicht-kommunistischen Oppositionellen innerhalb der Internationalen Brigaden und sah die anti-revolutionäre Machtpolitik der Kommunisten mit Unbehagen. Das genügte – möglicherweise – für ein (informelles) Todesurteil.
Es mag nicht nur an der schlechten Kriegslage gelegen haben, daß die Internationalen Brigaden spätestens 1938 verschärft mit Disziplinproblemen, Befehlsverweigerungen und ähnlichem zu kämpfen hatten …
Im Herbst 1938 wurden die Internationalen Brigaden auf Beschluss der Regierung Negrín demobilisiert. Sie wurden in katalanischen Lagern zusammengezogen und schließlich nach Hause geschickt.
Negrín verkündete die Demobilisierung persönlich vor dem Völkerbund – wohl in der irrigen Annahme, auf diese Weise die Unterstützung der Westmächte gewinnen zu können und Deutschland und Italien zur Einhaltung des „Nichteinmischungsabkommens“ zu bewegen, das das Papier nicht wert war, auf dem es stand.
Erfasst wurden zu diesem Zeitpunkt 12.673 Interbrigadisten.
Ca. 2.000 deutsche und italienische Exilanten blieben im Land. Sie wurden während der Kämpfe um Barcelona gefangengenommen. Für viele, die nach Frankreich entkommen konnten, ging der Krieg weiter – bis 1945, und manchmal noch darüber hinaus. Wer den Deutschen in die Hände fiel, wurde erschossen, kam ins Todeslager für „Rotspanier“, Mauthausen, oder als Jude direkt nach Auschwitz.
Jene, die dem Krieg entkamen, erwarteten andere Schwierigkeiten: In den Vereinigten Staaten nahm sie Senator Joseph McCarthy in Empfang. Auch in England waren Spanienkämpfer keineswegs wohlgelitten.
Im Nachkriegsdeutschland wurden sie geschnitten, bekamen als „Rote“ keine Arbeit oder blieben sozial isoliert.
Nach Francos Tod 1975 tat sich auch Spanien lange Zeit schwer mit der Erinnerung an die Internationalen Brigaden. 1996 schließlich, zum 60. Jahrestag des Ausbruchs des Spanischen Bürgerkriegs, bot die spanische Regierung allen überlebenden Interbrigadisten kollektiv die spanische Staatsangehörigkeit an. Da sie dafür ihre alte Staatsangehörigkeit hätten aufgeben müssen, war der Zuspruch gering. Zur Zeit laufen in Spanien, rund um die sogenannte Ley de memoria histórica [‚Gesetz der geschichtlichen Erinnerung‘], Verhandlungen, das Angebot – diesmal ohne Auflagen – zu erneuern. Bürgerinitiativen organisierten medienwirksame Ereignisse wie das Konzert Recuperando Memoria (2004) [‚Wir holen die Erinnerung zurück‘], in dessen Rahmen alte Interbrigadisten auf die Bühne gebeten wurden.
Aber die Zeit läßt sich auch mit gutem Willen und viel Engagement nicht aufhalten: Allmählich sterben auch die letzten Interbrigadisten.
Ein unersetzlicher Teil gelebter Erinnerung an eine nachfolgenden Generationen erstaunlich ferne Zeit wird mit ihnen gehen.