aktion

Genug gelitten?

Prozessionsspiele

| Leo Felix

Eine unglaubliche Spitzbüberei leistete sich eine "Anarchistische Befreiungsinitiative Golgatha" (ABIGO) am Karfreitag in Wuppertal.

Die italienische, katholische Gemeinde führte dort ihre 28. Karfreitagsprozession durch, in der traditionell der Kreuzweg Jesu von Laiendarstellern in Originalkostümen nachgespielt wird. Der Heiland – dargestellt diesmal von Massimo Mattacchione (Abb. 1) – war gerade ans Kreuz gehängt worden, da stürmte plötzlich eine Horde als gallische Rebellen verkleideter Chaoten aus dem Hinterhalt hervor (Abb. 2).

Die Aufrührer warfen das Kreuz um, zogen mit einer Kneifzange die Nägel aus dem Holz und verschwanden mit dem Jesus-Darsteller ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren. Ehe die verdutzten römischen Soldaten auch nur ihr Schwert zücken konnten, war der Spuk vorüber.

In einer am Tatort zurückgelassenen Erklärung bekannte die ABIGO u.a. folgendes:

„Der Messias ist futsch! Wir rücken ihn erst wieder raus, wenn unsere Forderungen erfüllt sind:

1. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist: ein Gehege im Zoo!
2. Galiläa und Gallien – ein Kampf!
3. Wenn dir einer auf die linke Backe hauen will, dann duck dich rechtzeitig!
4. Keine Kreuze aus unzertifiziertem Tropenholz!
5. Zulassung von Wildschwein und Cervisia zum Abendmahl!
6. Romanes eunt domus!
7. Zaubertrank auf Rezept für alle Wanderprediger!“

Die Wuppertaler Polizei bittet die Bevölkerung um aktive Mithilfe bei der Wiederauffindung des Leidensmannes Mattacchione. Bislang tappt man noch völlig im Dunkeln.

Unterdessen gab ein Vertreter der ABIGO, der sich „Subcomandante Gérard“ nennt, unserer Zeitung ein Interview.

„Wir sind es satt“, doziert er, „dass die Herrschenden unsere politische Mitwirkung aufs gelegentliche Ankreuzen reduzieren!“ – „Schreiben Sie aber nicht, dass mein Familienname Dépardieu lautet“, ermahnt er die Journalisten, um schmunzelnd hinzuzufügen: „Verstehen Sie? Départ-Dieu, das ist französisch und bedeutet ‚Gottes-Abreise‘; hihi!“ Auf unsere besorgte Nachfrage versichert der beleibte Subcomandante, dem Entführten gehe es gut, er esse, trinke und scherze inzwischen, habe sogar bereits ein- oder zweimal den Namen des Herrn unnützlich geführt; kurzum, der Gekreuzigte lebe „wie Gott in Frankreich“. Der Messias habe jetzt nur eine Sorge: Dass die Forderungen der Anarchisten erfüllt werden. Denn für diesen Fall haben die Entführer ihr Ehrenwort verpfändet, den sympathischen Mattacchione wieder zurückzuhängen.

Unsere Meinung zu diesem Vorfall: Wenn das jedeR machen wollte!