Kein Staat steht Kriegsdienstverweigerung positiv gegenüber, besonders dann nicht, wenn sich dieser Staat - wie z.B. Israel - in einem dauerhaften Krisen- bzw. Kriegszustand befindet. Nun macht die israelische Regierung mittels einer Videokampagne namens "Ein echter Israeli verweigert nicht!" (1) mobil gegen seine zusehends "unmotivierten" wehrpflichtigen Männer und Frauen.
Der Werbespot, der Israels Jugend davon überzeugen will, dass man den Militärdienst auf keinen Fall umgehen dürfe, wenn man ein „echter Israeli“ sein wolle, wird in den wichtigsten TV-Kanälen in Israel gezeigt. Diese Kampagne – die sich besonders gegen jene richtet, die den Kriegsdienst mittels vorgespielter psychischer Krankheiten umgehen – bleibt aber nicht unwidersprochen: Eine Gruppe israelischer FriedensaktivistInnen hat ein Gegenvideo gedreht, das den Spieß einfach umdreht – nicht der Verweigerer bzw. der, der sich „rausgeschlichen“ hat, ist derjenige, der sich seiner Taten schämt und im Boden versinken möchte, sondern der Soldat. Die Videos – das vom Staat und das von den KriegsdienstverweigerInnen gedrehte Gegenvideo – können beide im Internet angesehen werden und sind teilweise auf Hebräisch und Englisch, wobei das Pro-KDV-Video mittlerweile mit englischen Untertiteln versehen wurde. (2)
Das Video der Regierung
Folgende Szene: Eine Runde von hübschen, jungen Israelis sitzt gemeinsam mit TouristInnen in einer Kneipe und bekommt Tee serviert. Ein Mann in der Runde nimmt sein Glas und meint: „In der Infanterie wäre so ein Glas genug für einen ganzen Zug.“
Die Frau neben ihm unterbricht ihn und nimmt ihm das Glas weg: „Gib der Unteroffizierin mal ein Glas!“ In der Runde befinden sich auch Leute, die offensichtlich TouristInnen sind, deshalb beginnt einer aus der Runde, ihnen in Englisch zu erklären, worüber sie sich gerade unterhalten haben. „Wir sprechen gerade von der Armee. Ich war bei der Luftwaffe. Sie war eine Mashakit Tash.“ (3) Die Touristin unterbricht: „Mashakit Tash?“ „Eh, bei Problemen mit SoldatInnen. Er war in der Golani.“ (4) Der betroffene junge Mann aus der Golani-Einheit hebt stolz sein Glas, um zu signalisieren, dass er gemeint ist. Nun wendet er sich der letzten Person in der Runde zu: „Und er … Bruder, wo warst du in der Armee?“
Der Angesprochene blickt unsicher und beschämt um sich und schweigt. Der Verweigerer ist bloßgestellt!
Anschließend liest man: „Ein echter Israeli verweigert nicht! Ein Verweigerer: jemand, der entscheidet, nicht in die Armee einzutreten, obwohl er dazu verpflichtet ist.“
Das Gegenvideo
Folgende Szene: Eine Runde von hübschen, jungen Israelis sitzt mit TouristInnen in einer Kneipe und bekommt Tee serviert. Ein Mann in der Runde nimmt sein Glas und meint: „In der Infanterie wäre so ein Glas genug für einen ganzen Zug.“ Die Frau neben ihm unterbricht ihn, nimmt ihm das Glas weg und erwidert höhnisch: „Die Infanterie, die Infanterie.“
Ein junger Mann in der Runde beginnt zu erzählen: „Ich habe dieses Infanterie-Gerede schon so satt. Ich war auch in der Infanterie, weißt du? Ja! Ich war in Hebron für ein paar Monate und nachdem ich gesehen habe, was dort passiert ist, habe ich gesagt, dass ich kein Teil mehr davon sein will, und ich bin in den Süden gegangen, um mit Kindern zu arbeiten.“
Die Frau ihm gegenüber schaltet sich in das Gespräch ein: „Echt? Ich bin auch bei der Hälfte meines Diensts rausgegangen. Ich bin eigentlich voller Motivation hingegangen. Ich war eine Mashakit Tash, bis zwei Soldaten von mir sich in dem selben Monat in den Kopf geschossen haben. Ich bin selber aufgrund psychischer Gründe rausgegangen.
Niemand kümmert sich um die Soldaten dort.“ Der dritte erzählt seine Geschichte: „Ich bin gar nicht erst eingetreten. Ich bin zu ihnen gegangen und sagte: ‚Ich bevorzuge es, in den Knast zu gehen, anstatt in die Armee, solange meine kleinen Brüder kein Geld für Schulbücher haben.‘ Du musst niemandem beweisen, dass du ein echter Israeli bist.“
Auch in dieser Runde finden sich TouristInnen wieder, denen nun in Englisch erklärt wird, worüber gesprochen wurde: „Wir sprechen gerade über die Armee. Ich war am Anfang in der Golani und dann habe ich verweigert. Ich habe stattdessen Zivildienst (5) gemacht.“
Er zeigt auf die Frau ihm gegenüber: „Sie hat gesehen, was die Armee mit Leuten macht, Mashakit Tash …“ Er wird von der Touristin unterbrochen: „Tash?“ „Eh, bei Problemen mit Soldaten.“ Der Mann versucht, in Englisch die Geschichte des Dritten in der Runde zu erzählen, wird aber unterbrochen von der ehemaligen Mashakit Tash: „Seine Familie war dem Staat scheißegal, deshalb hat er sich entschieden, gar nicht erst hinzugehen.“ Der betroffene junge Mann, der verweigert hat, hebt stolz sein Glas und grinst, um zu signalisieren, dass er gemeint ist. Eine der Touristinnen wendet sich nun dem letzten in der Runde zu: „Und du? Bist du zur Armee gegangen?“
Der Angesprochene blickt unsicher und beschämt um sich und schweigt. Der Soldat ist bloßgestellt!
Anschließend liest man: „Ein echter Israeli verweigert nicht DIE WAHRHEIT! Ein Wahrheitsverweigerer: jemand, der das Armeepflichtgesetzt blind befolgt.“
(1) Das hebräische Wort "mishtamet", das in der Kampagne verwendet wird, lautet genau genommen "ausweichen, umgehen, sich entziehen" und ist ein Schimpfwort für jene, die aus (vorgespielten) psychischen Gründen aus der Armee entlassen oder nicht eingezogen werden. Aus Gründen der Verständlichkeit und Einfachheit wurde es hier trotzdem mit "verweigern" übersetzt. Es wurde hier aus dem hebräischen Original übersetzt, was teilweise kleine Unterschiede zu den englischen Untertiteln aufweist.
(2) Das Video des Staates:
www.youtube.com/watch?v=jDHW1H6Nb5U
Das Video der KDVerInnen:
www.youtube.com/watch?v=GwTebMJtJPI
Bzw. "a true israeli goes to the army" eintippen, dann erscheinen beide Videos.
(3) "Mashakit Tash": eine sog. "Führsorgeoffizierin", eine Person, die sich um das psychische Wohl der SoldatInnen kümmert.
(4) "Golani": eine Einheit der israelischen Armee.
(5) Zivildienst, wie wir ihn kennen, gibt es in Israel nicht. Nur wenn Israelis aus bestimmten Gründen aus der Armee ausscheiden oder nicht eingezogen werden, können sie freiwillig eine Art Zivildienst machen, um auch einige von den Sonderrechten, die SoldatInnen zustehen, zu bekommen, wie z.B. Studiengeld etc.