Anlässlich der Verhaftungen von türkischen Kriegsdienstverweigerern ruft Connection e.V. zu Protestschreiben gegenüber den türkischen Militärbehörden auf. Heute startet eine online-Faxaktion, mit der die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung und die sofortige Freilassung von Halil Savda und Ismail Saygi gefordert wird.
Ismail Saygi
Wie die "Solidaritätsinitiative Ismail Saygi" mitteilte, wurde vor wenigen Tagen der Kriegsdienstverweigerer Ismail Saygi in Istanbul verhaftet. Er hatte am 15. November 2006 seine Kriegsdienstverweigerung erklärt, nachdem er bereits sieben Monate beim Militär gewesen war: "In den sieben Monaten, in denen ich im Militär war verstand ich, dass die Ideologie der Gewalt, von Sterben und Töten, meiner Art und meinem Verständnis zu leben widerspricht. Als Soldat verlor ich die Achtung vor mir selber und anderen Menschen. Meine Psyche litt zunehmend darunter. Deshalb habe ich beschlossen, dass es keine Verbindung mehr zwischen mir und allen Institutionen, die Gewalt beinhalten, geben soll." Er war nach sieben Monaten anlässlich eines Heimaturlaubs nicht mehr zur Armee zurückgekehrt und damit desertiert.
Am 16. März 2008 wurde er in Istanbul festgenommen. Er wurde inzwischen in das Militärgefängnis in Sarikamis überstellt, wo eine Anklage wegen Desertion vorliegt und ihm eine erneute Einberufung zum Militär droht. Die "Solidaritätsinitiative Ismail Saygi" befürchtet, dass er wie andere Kriegsdienstverweigerer vor ihm "im Militärgefängnis willkürlichen Schikanen, Einschränkungen, Disziplinarstrafen und Folter ausgesetzt sein wird".
Zu seiner Unterstützung gab es bereits am 19. März 2008 auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul eine Protestaktion, zu der die Solidaritätsinitiative aufgerufen hatte: "Mit unserer Aktion werden wir unsere Solidarität mit Ismail Saygi deutlich machen. Es ist der Auftakt für eine langanhaltende Unterstützungskampagne."
Halil Savda
Halil Savda war im März 2007 vom Militärgericht in Corlu zu insgesamt einem Jahr und dreieinhalb Monaten wegen Desertion und Ungehorsam verurteilt worden. Wenig später erfolgte eine zweite Verurteilung zu sechs Monaten wegen Befehlsverweigerung. Die zweite Haftstrafe von sechs Monaten hat Halil Savda bereits verbüßt. Da er gegen das erste Urteil in Berufung ging, wurde er im Juli 2007 freigelassen, aber zugleich erneut zum Militärdienst einberufen. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Kurz vor seiner Verhaftung wurde die erste Haftstrafe von einem Jahr und dreieinhalb Monaten vom Berufungsgericht bestätigt. Damit muss er jetzt diese Strafe verbüßen. Ihm droht wegen der Nichtbefolgung der Einberufung weitere Strafverfolgung.
Hintergrund
Die Türkei verfolgt Kriegsdienstverweigerer auf zweierlei Art und Weise. Zum einen wird das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkannt. Verweigerer wie Osman Murat Ülke oder Mehmet Tarhan wurden wegen Befehlsverweigerung bzw. Ungehorsam bis zu sieben Mal verurteilt. Zum anderen werden öffentliche Äußerungen gegen das Militär, wie die öffentliche Erklärung der Kriegsdienstverweigerung, unter Strafe gestellt. Etwa 50 Wehrpflichtige haben bislang öffentlich ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt. Zudem entziehen sich in der Türkei Zehntausende der Ableistung des Militärdienstes.
Die Türkei weigert sich zudem, einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Januar 2006 im Fall von Osman Murat Ülke nachzukommen. Darin hatte das Gericht festgestellt, dass "die zahlreichen Anklagen in Verbindung mit der Möglichkeit, dass er einer lebenslangen Strafverfolgung unterliegen könnte, im Missverhältnis zu dem Ziel stehen, die Ableistung des Militärdienstes sicherzustellen" und damit die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen. Das Leben im Geheimen, das Osman Murat Ülke aufgrund seiner Gewissensentscheidung als Kriegsdienstverweigerer führen müsse, sei als "ziviler Tod" zu bezeichnen. Der Ministerausschusses des Europarates hatte die Türkei zuletzt am 17. Oktober 2007 aufgefordert, "ohne weiteren Verzug eine Gesetzesreform zu verabschieden, die notwendig ist, um ähnliche Verletzungen der Konvention zu vermeiden."
Connection e.V. verurteilt aufs Schärfste die Strafverfolgung von KriegsgegnerInnen in der Türkei. "Die Türkei muss das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung unverzüglich und uneingeschränkt anerkennen", ergänzte heute Rudi Friedrich. "Die Kriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern, AntimilitaristInnen und Deserteuren muss beendet werden."
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