schwerpunkt: anarchie und musik

„Ich bin vielleicht die Symbiose aus HipHop und Anarchismus“

Ein Interview mit dem Rapkünstler Chaoze One

| Interview: Kai Wischniowski

Seit acht Jahren wettert der Mannheimer Rapkünstler Chaoze One unnachgiebig gegen Rassismus, Sexismus, soziale Ungerechtigkeit und das Politestablishment. Die bekannteste deutsche HipHop-Website "Rap.de" handelte sein Album "Fame" (spanisch: Hunger) als Kandidat für das Deutsch Rap-Album 2007, und das auflagenstarke Musikmagazin "Intro"lobte es als "die beste deutsche HipHop-Platte seit Langem". Die Graswurzelrevolution sprach mit dem jungen Künstler über seine Arbeit, das Musikbusiness, sein politisches Engagement und seine Pläne für die Zukunft.

GWR: Wie kamst du zum HipHop?

Chaoze One: Eine Antifa-Gruppe aus meiner Heimatstadt hat damals einen Sampler rausgegeben, u.a. mit Anarchist Academy, Kinderzimmer Productions und KRS-One drauf. Ich hab mir von allen drein Platten gekauft. Das waren meine ersten Rapplatten, und ab dem Moment wurden es immer mehr.

Danach hat es noch zwei, drei Jahre gedauert, bis ich selber angefangen habe zu schreiben.

GWR: Wie sahen deine ersten Schritte aus? Fandest du überregional Anklang?

Chaoze One: Ich habe meine ersten Stücke auf einer Internetseite veröffentlicht. Das hat in einem Vierteljahr so weit die Runde gemacht, dass ich Einladungen zu Konzerten bekommen habe. Ich hatte damals nicht mehr als drei Tracks. Das änderte sich schnell, 2001 habe ich innerhalb von einem halben Jahr mein erstes Album fertig geschrieben. Freundeskreis und Anarchist Academy waren zu diesem Zeitpunkt grade verabschiedet, und es entstand eine Lücke, die man schließen konnte. Mit den Auftritten ging es ein Jahr später los.

GWR: Warst du damals schon politisch aktiv?

Chaoze One: Ja. Ich war bei einer JUZ-Initiative, die versucht hat, ein Jugendzentrum in Selbstverwaltung zu erkämpfen, und bin seit 1997 durchgehend in verschiedenen Antifa-Gruppen organisiert. Ohne den politischen Einfluss wäre ich musikalisch nicht da, wo ich heute bin und umgekehrt.

GWR: In einem deiner Texte bezeichnest du dich als HipHop-Anarchist. Das klingt sehr ausgefallen, da man anarchistische Positionen doch vorwiegend in der Punkkultur vermutet.

Chaoze One: Ich würde von mir sagen, ich bin Anarchist, obwohl es einige Leute gibt, die behaupten, ich sei keiner, sondern ein Kommunist, der es nicht zugeben kann. (lacht)

Es hat etwas zu tun mit den politischen Gruppen, in denen ich mich bewegt habe, wie etwa Freiraum- und Antifa-Gruppen. Darüber wurde ich politisiert, und dann kam die Musik dazu.

HipHop an sich ist vielleicht irgendwie multikulturell, aber nicht unbedingt antifaschistisch, noch irgendetwas sonst. Insofern bin ich die Symbiose aus HipHop und Anarchismus – vielleicht. (lacht)

GWR: Du hast den Ruf eines heimatlosen Rappers. Wie kommt das?

Chaoze One: Ich bin heimatlos, weil ich mich überall zuhause fühle, wo ich mich wohl fühle. Ich habe schon in Hamburg, Krefeld, Kempen, Neustadt und Karlsruhe gewohnt. Der Begriff Heimat ist oft sehr patriotisch besetzt, und ich fühle mich nicht als ein Deutscher.

Deswegen trenne ich zwischen Heimat und Zuhause.

GWR: Du gilst als einer der eigenständigsten Rapper, der von Produktion bis Vermarktung fast alles selber macht – sozusagen als selbstverwalteter Einmenschbetrieb. Lehnst du es ab, bei einem etablierten Label anzuheuern?

Chaoze One: Nein. Ich würde bei fast jedem Label anheuern, wenn mich irgendeins mit den Sachen übernehmen würde, die ich grade schreibe. Mein Ziel ist es, dass viele Leute mich hören und sich Gedanken darüber machen können. Insofern wäre es für mich in Ordnung, mich auch zu einem großen Label zu begeben. Aber im Moment fühle ich mich so wohler, und ich würde andernfalls nichts verändern. Ich würde weiterhin die Vermarktung komplett bei mir belassen wollen.

GWR: Glaubst du, das wäre überhaupt möglich, oder siehst du auch Gefahren für deine künstlerische Unabhängigkeit?

Chaoze One: Auf jeden Fall, da gibt es Gefahren, und im Prinzip, wenn man realistisch ist, schließt sich das schon deswegen aus. Aber es ist oft so, dass HipHop auf kleineren Szenelabels entsteht, und insofern ist das gar nicht so ’ne riesige Ausnahme, wie das bei mir läuft.

GWR: Würdest du auch bei einem Multi wie Virgin Records oder Sony BMG unterzeichnen?

Chaoze One: Wenn die sich gefallen lassen, dass ich sie auf ihrem eigenen Label beschimpfe, dann ja …

GWR: … dich würde es nicht stören, von ihnen bezahlt zu werden?

Chaoze One: Das ist eine schwierige Sache. Mir geht’s nicht um das Bezahlt Werden, mir geht’s auch nicht darum, von Musik zu leben. Ich will gar nicht von Musik leben müssen, weil ich dann den Druck habe, das so machen zu müssen, dass ich genug Geld verdiene, damit mein Magen voll ist. Aber wenn Virgin mich verlegt, dann kriegt man mein Zeug schneller, und dann hören mich mehr Leute…

GWR: … und wenn der finanzielle Erfolg weit über das hinausginge, was du zum Magenfüllen brauchst?

Chaoze One: Wenn ich mit meiner Musik einen solchen Erfolg hätte, fände ich das cool, weil es mir zeigen würde, dass die Menschen anfangen umzudenken. Aber im Moment ist das mit dem finanziellen Erfolg nicht so weit her. Ich glaube, wenn es wirklich so wäre, dass ich mit diesen Texten riesigen Zulauf kriegen würde, dann müsste die Gesellschaft schon verändert sein.

GWR: Du hättest also kein Problem, auch die finanziellen Vorteile anzunehmen?

Chaoze One: Kommt darauf an, ob wir von vor der Revolution oder von nach der Revolution reden.

(lacht) Vor der Revolution muss grundsätzlich jeder erst einmal zusehen, sein Leben so zu gestalten, dass er leben kann. Da würde ich die Kohle, glaube ich, nicht ablehnen. Sollte es so viel sein, dass man nicht mehr weiß, wohin mit dem Geld, dann ist klar, dass man davon gemeinnützig einen Großteil abtreten sollte. Da sähe ich multiple Möglichkeiten, das einzusetzen. Ich war z.B. im Sommer auf Tour für Straßenkinder in der Dominikanischen Republik.

Aber das sind reformistische Projekte, die einen faden Beigeschmack haben.

Ich versuche daher zu unterscheiden zwischen dem Tropfen auf dem heißen Stein und Dingen, die man radikal ändern will.

GWR: Du bist bekannt für deine Zusammenarbeit mit zahlreichen MusikerInnen, auch außerhalb der HipHop-Szene. Was bewegt einen Eigenbrötler wie dich zur Kooperation?

Chaoze One: Dass der eigene Tellerrand zu eng wird. Auch weil es spannend ist, sich auf Glatteis zu bewegen, anzufangen zu rutschen und zu sehen, wo man rauskommt. HipHop-Musik bildet eine gute Basis dafür, da sie schon immer voll war von verschiedenen Einflüssen. Sei es musikalisch, sei es textlich, seien es soziale Komponenten, die von Ort zu Ort unterschiedlich sind. Reggae, Ska, Latino, Klezmer … lassen sich wunderbar in HipHop-Musik integrieren.

GWR: Das Kombinieren von Elementen verschiedener Musikgattungen scheint ein, vor allem in der alternativen Musikszene wachsendes Phänomen zu sein. Warum hast du dich diesem Trend angeschlossen?

Chaoze One: Ich habe beim HipHop erlebt, dass viele das machen. Wegen meines Anspruchs, nationale oder andere konstruierte Identitäten aufzulösen, kann ich auch musikalisch gut damit umgehen. So wie bei meiner Koppstoff EP, bei der ich arabische Samples benutzt habe und die Beats orientalisch angehaucht waren, oder bei meinem letzten Album, in dem Funk und Soul mit drin war. Ich möchte mir selbst keine Grenzen auferlegen und versuchen, auf alles klar zu kommen – außer auf Techno.

GWR: Du verbindest in deinen Texten deine politische Botschaft mit deinen persönlichen Erfahrungen. Wie kommt das?

Chaoze One: „Das Persönliche ist politisch, das Politische ist persönlich.“

Das Problem an linker Kritik ist, dass es oft eine Stellvertreterkritik ist, man selbst wenig damit zu tun hat und das Wort ergreift für andere. Letzteres finde ich grundsätzlich auch nicht schlecht. Es hat aber immer das Image des Weltverbesserers, das meist schon von vornherein nicht mehr ernst genommen wird. Ich versuche, radikale Kritik auf meinen Alltag zu übertragen, bzw. muss da gar nicht viel übertragen.

Wenn man wie ich in einem Stadtteil mit hohem Anteil an Migranten wohnt, sieht man immer noch rassistische Cops und Faschos, die offen rumlaufen. Es gibt Phänomene, die muss man nur wahrnehmen, um sie zu thematisieren. Die sind gar nicht soweit hergeholt, von daher wird es automatisch persönlich. Ein Freund von mir, Sänger bei Irie Revoltes, wurde vor drei Monaten auf offener Straße von Nazis verprügelt, da hat keiner geholfen, bis dann migrantische Jugendliche eingegriffen haben. Man muss sich gar nicht soweit aus dem eigenen Kontext raus bewegen, um diese Facetten wahrzunehmen.

GWR: Was hoffst du, mit deiner Musik bewirken zu können?

Chaoze One: Wünschenswert wäre es, einen gesellschaftlichen Bewusstseinsprozess in Gang zu setzen. Das ist mein utopischer Traum. Ich will Öffentlichkeit schaffen, z.B. gegen rassistische Gesetze, was unsere Asylpolitik angeht, oder gegen soziale Ungerechtigkeit, was Neoliberalismus und prekäre Beschäftigungsverhältnisse betrifft.

Konkret möchte ich gewisse Dinge wenigstens verbessern. Das klingt vielleicht reformistisch. Aber wir sind noch weit weg von der Revolution, fürchte ich. Auf dem Weg dorthin kann man zumindest etwas verbessern.

GWR: Du sagst, die politischen Forderungen deiner Lieder auch außerhalb des Studios verwirklichen zu wollen. Wie setzt du diesen Anspruch um?

Chaoze One: Durch gelebte Solidarität, persönlich mit Leuten, die ich kenne. Da habe ich das Gefühl, es ist wichtig, so zu leben. Ich versuche, meine sexistische Männerrolle zu reflektieren. Das sind Sachen, wo man als Linker oft versucht ist zu denken, da sind wir ja von ausgenommen. Ich versuche, bewusst zu leben, ernähre mich vegetarisch und verzichte auf Drogen.

Ich mache auch bei Demos mit.

GWR: Du bist im Umfeld der G8-Gipfelproteste in Heiligendamm aufgetreten und hast dich aktiv an den Aktionen des Zivilen Ungehorsams beteiligt. Was waren deine Eindrücke?

Chaoze One: Ich habe den Gipfel im Vorfeld kritisch gesehen, weil es ein Massenhappening mit Woodstockcharakter zu werden schien. Ein Auflauf mit großem Spektakel. Als ich ankam, war alles drei Nummern kleiner, als ich mir das vorgestellt habe – der Festivalcharakter war nicht so krass wie befürchtet. Ich hatte den Eindruck, dass die Linke nicht so schwach ist, wie ich sie eingeschätzt habe. Es hat gut getan. Die Aktionen haben gezeigt, dass wir noch etwas bewirken können.

GWR: Die Diskussion über die gewalttätigen Ausschreitungen während des Gipfels hat in der Öffentlichkeit und innerhalb der Protestbewegung polarisiert. Wie stehst du zur Gewaltfrage?

Chaoze One: Grundsätzlich ist Gewalt scheiße, weil sie unterdrückt und verletzt, psychisch oder physisch. Deswegen lehne ich Gewalt ganz klar ab. Wir leben aber in einer Zeit, in der wir häufig Gewalt ausgesetzt sind. Der Zwang zur Lohnarbeit oder Hartz IV als Ersatzzwang. Die Einschränkung von Freiheit durch Überwachung und Repression. Auch die direkte Konfrontation mit der Polizei, die eben nicht nur den Black Block betrifft, sondern jedem blüht, der sich nur ansatzweise auflehnt oder nicht konform verhält. (…) Trotzdem ist mein Traum ein friedliches Miteinander, ohne Gewalt.

GWR: … und was ist mit der Gefahr, dass dieses Ziel, greift man zu gewaltsamen Mitteln, auf dem Weg liegen bleibt?

Chaoze One: Diese Gefahr sehe ich dann, wenn das Ganze unreflektiert in Hooliganismus abdriftet. Das ist ja auch zu beobachten, dass es bei manchen Demos nur noch um sinnentleerte Gewalt geht. Damit bin ich nicht einverstanden – auch wenn ich, bei all der strukturellen Gewalt, verstehen kann, dass Menschen gewalttätig werden, um sich zu wehren.

GWR: Du setzt dich auch für den Erhalt selbstverwalteter Jugendzentren ein. Warum liegt dir dieses Thema so am Herzen?

Chaoze One: Da gibt es vieles, das mir wichtig ist. In diesen Freiräumen kann man die Repression noch auf ein Minimum reduzieren und sich dem allgemeinen Konsumzwang entziehen. In der Ex-Steffi, (ehemaliges Jugendzentrum), das mir noch aus meiner Zeit in Karlsruhe einfällt, haben sie z.B. des öfteren Flüchtlingen Unterschlupf gewährt. Für mich stellen diese Räume wie das Ex-Steffi, das JUZ in Mannheim oder die KÖPI Fluchtpunkte dar, in denen noch eine Gegenkultur zum latent nationalen Einheitsbrei existiert. Ich fühle mich wohler in einem JUZ, in dem auch noch was anderes läuft als nur Popmusik, die ich ästhetisch zum Kotzen finde.

GWR: Lass uns noch mal auf dein Verhältnis zum Musikgewerbe eingehen. Du kritisierst das kommerzielle Rap-Establishment ebenso wie die unkommerzielle, so genannte Undergroundszene. Was stört dich an beiden?

Chaoze One: Es gibt Leute wie Bushido, die mehrere Ghostwriter beschäftigen, um dieses Gangsterklischee zu reproduzieren. Das ist Rap vom Fließband.

Dann gibt es eine Form des politischen Aktivismus, der fast nur auf den Mainstream anspricht, d.h., nur in Zeiten des Irak- oder Afghanistankrieges auf Bush zu schimpfen, wenn es grade opportun ist. Da gab es von Mellow Mark den Song „Weltweit“, der in meinen Augen deutschnationalistisch ist. Aber das scheint nicht vielen Leuten aufgefallen zu sein.

GWR: Warum lehnst du es ab, dich, wie szeneüblich, mit anderen Artists bei so genannten Rapbattles zu messen?

Chaoze One: Erstens, weil ich nicht freestylen kann, um all denen vorzugreifen, die behaupten, ich benutze alles andere nur als Ausrede. Zweitens sehe ich da keinen Sinn drin. Dieser Battlerap ist erfunden worden, damit man Gewalt von der Straße holt und auf der Bühne in sportlicher, fairer Manier austragen kann. Das funktionierte ganz gut, solange es mit einem gewissen Grundrespekt ausgestattet war. Wenn man heutzutage mit den Leuten spricht, sagen die dir: Wir prügeln uns nicht weniger wegen Battlerap, sondern wir prügeln uns ganz oft, weil wir uns gebattelt haben.

Die Leute sollten endlich erkennen, dass sie im gleichen Boot sitzen und gemeinsam gegen das System batteln, anstatt sich gegenseitig zu stressen. Dieses Recht des Stärkeren ist dasselbe, was mir auch beim Kapitalismus auf den Senkel geht, und das möchte ich im HipHop vermeiden.

GWR: Mit weiteren RapkünstlerInnen hast du das Partisan Network gegründet. Welche Idee stand hinter dem Projekt?

Chaoze One: Wir haben das Partisan Network 2003 gegründet, da kam gerade das Buch von Hannes Loh und Murat Güngör „Fear of a Kanak planet. HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap“ raus, in dem sie die Migrationsgeschichte in Deutschland verknüpft haben mit der Geschichte der HipHop-Kultur. Die meisten, die damals das Netzwerk mitgegründet haben, waren Leute, die das Buch gelesen und sich gedacht haben, da muss doch noch mehr gehen, als nur ein Buch zu lesen und danach wegzulegen.

Wir wollten auch einen Gegenakzent zu dem harten Rap aus Berlin setzen, der damals populär wurde. Unser Ziel war es, die sozialen Wurzeln und die kritische Tradition von HipHop zurückzubringen. Leider ist das Netzwerk zur Zeit ziemlich tot.

GWR: Mitte März 2008 hast du dein neues Album „Letztes Kapitel“ veröffentlicht. Kannst du es kurz vorstellen?

Chaoze One: „Letztes Kapitel“ war eigentlich nur als Single-Auskopplung geplant. Hab mir aber überlegt, eine Single allein ist zu langweilig. Daraufhin habe ich angefangen zu schreiben, und es kamen sechs neue Stücke bei rum.

Es geht um Freiheit. Was Freiheit ist und was sie manchmal zu sein scheint, aber nicht ist. Den G8-Gipfel in Heiligendamm haben wir noch mal aufgearbeitet, zusammen mit Mal Eleve, einem Sänger von Irie Revoltes. Es sind sehr persönliche Sachen drin wie der Titelsong oder „Hey Schwungi“, das ich an meinen Bruder geschrieben hab. Ich habe auch etwas sehr Tanzbares drauf: „Revolte Tanzparkett“. Das habe ich mit einer Ska-Band aus Göttingen aufgenommen. Wir haben Ska mit Klezmer gemischt. Das geht richtig ab.

GWR: Woran arbeitest du aktuell?

Chaoze One: Ich bin grade an der Produktion einer Platte beteiligt. Das soll nicht nur ein Sampler werden. Wir haben mit fünfzehn KünstlerInnen eine neue Band gegründet, wo alle versuchen werden, sich jeden Track zu teilen.

GWR: Wer ist daran noch beteiligt?

Chaoze One: Z.B. Leute von Microphone Mafia und Anarchist Acadamy.

GWR: Wird das etwas Dauerhaftes?

Chaoze One: Ich fände es cool, wenn’s was Dauerhaftes wird. Weil ich Spaß daran habe, mit vielen anderen auf Tour zu sein, Musik zu machen, und die Leute sind auch super. Aber das wird ein logistisches Problem. Wie sich das abzeichnet, sind Leute aus Tübingen, Stuttgart, Köln, Hamburg dabei, sodass es auch eine Frage der Zeit und des Geldes wird.

GWR: Was planst du für die Zukunft?

Chaoze One: Ich möchte versuchen, auf jede Produktion noch eins draufzusetzen und sie noch abwechslungsreicher und extravaganter zu machen. Das Musikmachen ist mehr als nur ein Hobby für mich, aber ich möchte kein Geld damit verdienen müssen. Das ist der Haken an der Sache.

Auch wenn ich froh wäre, auf Lohnarbeit verzichten zu können. Arbeiten an sich finde ich nicht grundsätzlich schlecht, aber die Lohnarbeit hat immer unangenehme Nebeneffekte.

Die Arbeitszeit, der wir uns aussetzen müssen, ist zu hoch. Es gibt ja Berechnungen, wonach es angenehmer vonstatten gehen könnte. Die Art, wie Arbeit im Kapitalismus organisiert ist, macht die Leute kaputt. Aber die reguläre Beschäftigung, die ich habe, halte ich für sinnvoll und würde sie auch weiter machen wollen.

GWR: Wie sieht dein Alternativmodell zur lohnabhängigen Arbeit aus?

Chaoze One: Die grundlegende Organisation, in der man Arbeit und Kompetenzen teilt, halte ich für eine gute Errungenschaft der Evolution. Aber momentan arbeiten wir viel für den Staat und dritte, die an uns mitverdienen. Es ist unnötig, vierzig Stunden die Woche zu arbeiten. Man könnte das so einrichten, dass jeder weniger arbeiten müsste, aber dafür alle arbeiten könnten und genug Kohle hätten. Man könnte es so organisieren, dass Menschen, die keinen Bock haben zu arbeiten, auch nicht arbeiten gehen müssten. Ich habe da aber keine so konkreten Vorstellungen wie etwa Marx, sonst würde ich in die Politik gehen und den Leuten erzählen, dass ich’s raus hab. Aber ich sehe mich nicht in der Position, anderen zu erklären, wie es zu laufen hat. (lacht)

GWR: Was gefällt dir an Mannheim?

Chaoze One: Dass die Leute kein Blatt vor den Mund nehmen. Du weißt immer, woran du bist. Man merkt, dass es eine Hafenstadt ist, da ist alles ein bisschen direkter. Hier sagen es dir die Leute auch, wenn sie dich scheiße finden. Das ist genau wie die Stadt, dreckig und geradeaus, wie die Straßen. Das geht mir sehr gut rein. Auch wenn es ein wenig romantisch klingt, gerade deswegen können hier unterschiedliche Meinungen nebeneinander Platz finden.