"Guten Tag, mein Name ist André Shepherd. Ich war Mitglied der US-Armee, bis mir klar wurde, dass mein Gewissen mir nicht länger erlaubt, dort weiter zu dienen. Ich bin zur Zeit unerlaubt abwesend (AWOL) und werde in Deutschland politisches Asyl beantragen. Ich bitte Sie für dieses schwierige Unterfangen um Ihre Unterstützung."
Mit ruhiger Stimme spricht André diese Worte in den Raum, in dem sich zahlreiche Zeitungs-, Radio- und FernsehjournalistInnen versammelt haben. Nichts ist ihm anzumerken von der ungeheuren Anspannung, die auf ihm lasten muss. Schließlich ist er im Begriff, etwas nie Dagewesenes zu wagen. Und dieser Augenblick, in dem er seine Entscheidung auf einer kurzfristig in Frankfurt einberufenen Pressekonferenz öffentlich macht, ist das Ergebnis einer langen, schmerzhaften und oft widersprüchlichen Entwicklung.
Wie für viele junge US-Bürgerinnen und US-Bürger schien das Militär für André zunächst die Chance zu sein, seiner bedrückenden wirtschaftlichen und sozialen Situation zu entfliehen. Nach seinem Informatikstudium hatte er lange versucht, Arbeit in der IT-Branche zu finden, musste aber angesichts der desolaten Marktlage schließlich aufgeben und jobbte in einem Fast-Food-Restaurant. In dieser Situation wurde er von einem Anwerber der Armee angesprochen.
Die Mischung aus Appellen an seinen Idealismus, handfesten finanziellen Versprechungen und glatten Lügen, der er sich im Rekrutierungsbüro ausgesetzt sah, tat ihre Wirkung – im Glauben, sich einer guten Sache zu verschreiben und zugleich sein Leben auf eine finanzielle Grundlage stellen zu können, verpflichtete sich André Ende 2003 zu einem 15-monatigen Dienst bei der Armee. Ganz bewusst wählte er diesen kurzen Zeitraum, weil er die Kontrolle über sein Leben nicht zu lange aus der Hand geben wollte. Was er nicht wusste: Ein derart befristeter Vertrag bedeutet immer auch, dass der Soldat nach Ablauf seiner aktiven Dienstzeit noch jahrelang der Reserve untersteht und bei Bedarf jederzeit einberufen werden kann.
Nach der Grundausbildung ließ sich André zum Spezialisten für die Reparatur und Wartung von Apache-Kampfhubschraubern ausbilden. Kurze Zeit war er im bayrischen Katterbach stationiert, danach wurde er in den Irak verlegt. Als Mechaniker war er nicht direkt an den Kampfhandlungen beteiligt, aber er sah und hörte genug, um seine naive Gutgläubigkeit zu verlieren und Nachforschungen zum „Krieg gegen den Terror“ anzustellen. Was er erfuhr, erfüllte ihn mit wachsendem Entsetzen. Dies war kein gerechter Krieg mit dem Ziel, Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen und einem unterdrückten Volk Freiheit und Demokratie zu bringen. Die Wirklichkeit sah anders aus: „Wir haben … zerstört, getötet, geplündert, gefoltert, entführt, gelogen und nicht nur die Bürger und führenden Politiker der feindlichen Staaten, sondern auch die unserer Verbündeten manipuliert.“
Und er erkannte, dass seine Arbeit als Hubschraubermechaniker ein direkter Beitrag zu Kriegsverbrechen war, denn die Luftangriffe der US-Armee trafen die Zivilbevölkerung ebenso wie militärische Ziele.
In Videodokumentationen der Apache-Einsätze sah André Menschen, „die von den Maschinengewehren zerfetzt oder von den Raketen in Stücke gerissen worden waren – das Ergebnis der Arbeit meiner Hände“.
Diese Situation wurde ihm immer unerträglicher. „Meine geistige Gesundheit und mein Selbstwertgefühl fielen in sich zusammen, als ich mich zu fragen begann: Wie viele Menschen habe ich indirekt getötet? Wie viele Leben habe ich ins Unglück gestoßen? Was, wenn das jemand meiner Familie oder meinen Freunden antäte? Ich kann bis heute nicht sicher sagen, wie viel Verwüstung von solchen Hubschraubern angerichtet wurde.“
Als André mit seiner Einheit nach Deutschland zurückverlegt wurde, ging er seine Möglichkeiten durch. Sollte er einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen? Die Chancen auf Anerkennung waren gering, und selbst während der Prüfung des Antrags liefe er Gefahr, wieder in den Irak geschickt zu werden. Sollte er bei der Armee bleiben und hoffen, dass er in Katterbach einen Verwaltungsjob machen und den Rest seiner Dienstzeit einfach aussitzen konnte? Aber die Gewissheit, in den Irak zurückverlegt zu werden, zeichnete sich immer deutlicher ab.
Im April 2007 war ihm klar: „Die einzig verbleibenden Möglichkeiten waren, entweder ein zweites Mal zurück in den Irak zu gehen oder die Verlegung zu verweigern. Es war die schwierigste Entscheidung meines ganzen Lebens. Ich wusste, wenn ich noch einmal ginge, würde ich aufgrund einer Lüge für den Tod und das Elend anderer Menschen verantwortlich sein. Damit konnte ich nicht leben. Wenn ich aber die Verlegung verweigerte, könnte ich wegen Desertion verfolgt, zu einer Haftstrafe oder sogar zum Tod verurteilt werden, weil ich meinem Gewissen gefolgt war. Zehn Tage überlegte ich. Dann entschied ich mich, die Armee der Vereinigten Staaten zu verlassen. Ich packte einige Habseligkeiten und verschwand mitten in der Nacht.“
Seit dem Einmarsch im Irak sind mehr als 25.000 Soldatinnen und Soldaten aus der US-Armee desertiert. Viele sind nach Kanada geflohen in der Hoffnung, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Bisher wurden jedoch alle Asylanträge abgelehnt – anders als während des Vietnamkriegs, als Kanada Tausende US-Deserteure aufnahm.
André Shepherd hat sich als erster US-Verweigerer des Irakkriegs entschlossen, in Deutschland Asyl zu beantragen. Er beruft sich auf sein Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, da er sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entzogen und die Teilnahme an Kriegsverbrechen verweigert hat und ihm dafür in seinem Heimatland Verfolgung droht.
Sich diesem Krieg zu entziehen, war für ihn nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht. Mit Blick auf die Nürnberger Prozesse sagt André: „Hier in Deutschland wurde festgelegt, dass jede und jeder, auch eine Soldatin oder ein Soldat, die Verantwortung für ihre und seine Handlungen übernehmen muss, ganz gleich, wie viele Vorgesetzte die Befehle dazu gegeben haben.“
In diesem Sinne hat André gehandelt. Dafür verdient er unsere Unterstützung.
Kontakt & Infos
Was ihr tun könnt: André Shepherds Asylantrag mit eurer Unterschrift unterstützen, Postkarten an André schreiben und ihn eurer Solidarität versichern, Euch mit eurer Spende an den Anwaltskosten beteiligen:
Kontonr. 7085704
Bank für Sozialwirtschaft
BLZ 37020500
Näheres unter:
www.Connection-eV.de/aktion-usa.php
Zur Unterschriftensammlung gibt es auch Flyer, die ihr in Kneipen, Zentren, Infoläden usw. auslegen, im Freundeskreis verteilen und vor allem aktiv zum Sammeln von Unterschriften nutzen könnt. Zu bestellen sind sie bei
Connection e.V.
Tel. 069/82375534
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