editorial

Gegenöffentlichkeit schaffen

"Stasi in die Produktion!"

| Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

Liebe Leserinnen und Leser,

während in den Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz die anarchosyndikalistische FAU und die Graswurzelbewegung traditionell im Kapitel „Traditionelle Anarchisten“ Erwähnung fanden, hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz im CDU/FDP-regierten NRW nun eine neue Kategorie ausgedacht. Das Kapitel 4.3 des NRW-Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2008 (1) trägt den phantasievollen Titel „Diskursorientierter Linksextremismus“: „Neben Parteien und aktionsorientierten Gruppen der linksextremistischen Szene gibt es eine Vielzahl von Netzwerken und Medien, die den Zusammenhalt innerhalb der Szene und die Verbreitung linksextremistischer Ziele vorantreiben. Insbesondere soll durch eigene Medien eine Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Medienwelt geschaffen werden.“

In diesem Kapitel des VS-Berichtes werden dann z.B. das Internetprojekt indymedia, Verlage wie GNN, Unrast und Trotzdem, linke Tageszeitungen wie junge Welt und Neues Deutschland, die Monatszeitung analyse & kritik, das post-autonome Magazin Arranca sowie die autonome Flugblattsammlung Interim beschrieben.

Weiter heißt es: „Andere Zeitschriften wenden sich nicht direkt an die autonome Szene, sondern weisen eine Themenpalette auf, die sich mit den ideologischen Versatzstücken der Autonomen und ihrer Lebensform überschneidet. Beispiele hierfür liefern vor allem Schriften des anarchistischen Spektrums wie ‚Schwarzer Faden‘, ‚CONTRASTE‘, ‚Wildcat‘ sowie die anarchosyndikalistische ‚Direkte Aktion‘ (DA) oder die von der ökoanarchistischen ‚Graswurzelbewegung‘ herausgegebene ‚graswurzelrevolution‘.“

Der neue Verfassungsschutzbericht NRW bietet also Verblüffendes. So kann die Nennung des Schwarzen Fadens AnarchistInnen in Erstaunen versetzen, denn vor fünf Jahren (!), im Sommer 2004, erschien mit der Nr. 77 die letzte Ausgabe dieser Vierteljahresschrift für Lust und Freiheit. Danach wurde das Projekt eingestellt.

Es ist beruhigend, dass der VS das noch nicht bemerkt hat. So bleibt es also dabei: Die Stasi hat große Ohren, aber wenig Hirn.

In diesem Sinne: Anarchie, Glück und viel Spaß beim Lesen dieser diskursorientierten Zeitung,

 

Veranstaltungshinweis

Donnerstag, 21. Mai 2009, 20 Uhr, Uni Osnabrück, Schloss, Raum 214, Neuer Graben. ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im Spiegel libertärer Medien Veranstaltung mit Graswurzelrevolution-Koordinationsredakteur Bernd Drücke, Veranstalter: AStA Uni Osnabrück