Am Montag, dem 06.07.2009 wird um 13:30 Uhr am Amtsgericht Dresden gegen den Antimilitaristen Jörg Eichler die Hauptverhandlung in einem Strafverfahren wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (§ 86a StGB) stattfinden. Anlass des Verfahrens ist ein Aufkleber, der sich auf einer website zur Organisation von Protestaktionen gegen den „Großen Zapfenstreich“ der Bundeswehr befand. Auf diesem waren mehrere Soldatenköpfe mit Helmen aus verschiedenen Zeiten abgebildet. Auf einem der Helme befand sich auch eine SS-Rune, um auf die furchtbarste Epoche des deutschen Militarismus zu verweisen, in dessen Tradition sich die Bundeswehr mit der Abhaltung derartiger Militärrituale bewusst stellt.
Der Ausgangspunkt dieses Verfahrens geht zurück auf Ereignisse des Jahres 2006. Zum 800jährigen Bestehen der Landeshauptstadt Dresden „schenkte“ die Bundeswehr der Stadt am 12. Oktober ’06 einen „Großen Zapfenstreich“ auf dem zentral gelegenen Altmarkt. Wie auch sonst bei ähnlichen militaristischen Spektakeln in der Öffentlichkeit regte sich Protest, ein Bündnis „Wider die Militarisierung des öffentlichen Raumes“ rief auf zu Kundgebung und Demonstration – gegen den erklärten Widerstand des Ordnungsamtes der Landeshauptstadt. Frau Bley, Leiterin der Abteilung „Grundsatzangelegenheiten“, wollte die GegnerInnen per Auflagenbescheid außer Hör- und Sichtweite der Veranstaltung verbannen: „Bereits die bloße Anwesenheit von Demonstranten gegen die Bundeswehr unmittelbar gegenüber dem Veranstaltungsort würde den Sinn und die Würde des Großen Zapfenstreichs als Geschenk der Bundeswehr an das 800jährige Dresden in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigen.“ Weiterhin, so erkannte das Ordnungsamt besonders scharfsinnig, seien auch die Grundrechte in Gefahr – aber nicht etwa die der VersammlungsteilnehmerInnen auf Demonstrationsfreiheit, sondern die „religiösen Gefühle der Soldaten, der Gäste und Zuschauer“ – wenn es heißt: Helm ab zum Gebet!
Doch das Verwaltungsgericht Dresden hob den entsprechenden Auflagenbescheid des Ordnungsamtes zumindest in großen Teilen auf: „Eine völlige – auch optische – Ausgrenzung der Versammlung des Antragstellers, wie sie von der Antragsgegnerin mit dieser Auflage auch bezweckt wird, wird dem Wesen der Versammlungsfreiheit jedoch nicht gerecht und ist durch den feierlichen Charakter des Großen Zapfenstreiches auch nicht geboten. Wählt die Bundeswehr für diesen Anlass einen Ort, der sich mitten im Zentrum der Landeshauptstadt Dresden und damit des öffentlichen Lebens dieser Stadt befindet, muss sie sich mit anderen, im öffentlichen Leben vertretenen, Auffassungen zu ihrer Institution und ihren Veranstaltungen abfinden.“ Der Zapfenstreich fand statt, der (wahrnehmbare) Protest ebenso.
Gleichzeitig aber hatte sich im Vorfeld das Landeskriminalamt Sachsen – Abteilung „Politisch motivierte Kriminalität links, Verratsdelikte, Kriegsverbrechen“ – im Internet auf der Mobilisierungsseite der ZapfenstreichgegnerInnen umgesehen, und war dabei auf eine Grafik gestoßen, die sie für gefährlich hielt: Dort waren unter den Überschriften „Vergangenheit und Gegenwart – Den Zapfenstreich-en! – Wider der Militarisierung des Alltages“ mehrere Soldatenköpfe mit Helmen verschiedener Epochen abgebildet, darunter auch ein Helm, auf dem zur Verdeutlichung des ebenfalls gemeinten historischen Kontextes eine sogenannte „Doppelsigrune“ abgebildet war, das Emblem der SS (welche in der Form der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg kämpfende Truppe war; nur die Waffen-SS durfte – neben der Wehrmacht – den Großen Zapfenstreich durchführen).
Daraufhin sah das LKA dringenden Handlungsbedarf: Nur zwei Tage nach Auffinden der Grafik im Internet wurde die Wohnung des für die Internet-Domain Verantwortlichen, Jörg Eichler, mit acht BeamtInnen knapp vier Stunden lang durchsucht. Sämtliche Rechentechnik wurde per Spiegelung der Festplatten beschlagnahmt, gefunden wurde schließlich nichts.
Einige Monate später, am 30. Mai 2007, erhob die Staatsanwaltschaft Dresden Anklage. Nur gute zwei Monate vorher hatte der BGH in seiner sehr bekannt gewordenen „Hakenkreuz-Entscheidung“ (Gegenstand war ein durchgestrichenes Hakenkreuz) vom 15.03.2007 noch einmal klargestellt, dass das Verwenden derartiger Kennzeichen nicht strafbar sei, wenn der Inhalt der Darstellung „in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organistion und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt“. Auch hatte der BGH bereits seit 1972 wiederholt betont, dass die Strafbarkeit gem. § 86a StGB sich an dem Schutzzweck der Norm orientieren muss: Was sich erkennbar gegen die betroffenen verfassungswidrigen Organisationen und das dahinter stehende Gedankengut richte, falle nicht unter diese Vorschrift. Die Staatsanwaltschaft Dresden jedoch scheint von diesen höchstrichterlichen Erklärungen völlig unbeeindruckt – die Anklage beruft sich sogar noch ausdrücklich auf diese BGH-Entscheidung.
Anschließend geschah zwei Jahre nichts mehr. Es schien fast, als habe das Gericht die Sache verjähren lassen wollen, um sich inhaltlich nicht äußern zu müssen. Nun aber hat das Amtsgericht Dresden am 18.05.2009 die zwei Jahre alte Anklage doch zugelassen und eine Hauptverhandlung anberaumt; die Verhandlung ist öffentlich. Allein die Zulassung der Anklage trotz klar entgegenstehender BGH-Rechtsprechung lässt vermuten, dass das Amtsgericht einen hohen Verurteilungswillen besitzt – denn die Rechtsauffassung, die hier zu einem Freispruch führen würde, hätte bereits im Vorfeld zwingend zur Zurückweisung der Anklage führen müssen. Es steht daher zu befürchten, dass in diesem – bereits jetzt überlangen – Verfahren mit einem schnellen Ende nicht gerechnet werden kann.
Anmerkungen
Termin der Hauptverhandlung: Montag, 06.07.2009 um 13:30 Uhr, am Amtsgericht Dresden, Berliner Str. 13, Saal 159