antimilitarismus

Igitt: Militarismus ist ekelig! Wow: Antimilitarismus ist schön!

GelöbNIX in Rheine: AntimilitaristInnen demonstrierten am 29. Mai 2009 lautstark gegen Auslandseinsätze und das militaristische Spektakel

| Bernd Drücke

Rheine hat 76.000 EinwohnerInnen, eine typische, westfälische Provinzstadt. Hier gibt es drei Kasernen, der größte Arbeitgeber ist die Bundeswehr.

Die Heeresflieger aus Rheine spielen beim NATO-Krieg in Afghanistan eine große Rolle. Das wird von den Medien auch gar nicht verschwiegen. Im Gegenteil: viele Journalisten sind stolz auf das mörderische Treiben ihrer olivgrünen Jungs im globalen „Krieg gegen den Terror“. So berichteten die Westfälischen Nachrichten am 29. Oktober 2008:

„Die Heeresflieger schlagen ein neues Kapitel auf. Ihre besten Piloten, die ‚Top Guns‘, werden zusammen mit den Spezialkräften und den KSK-Kommandosoldaten der Bundeswehr ins Trainingslager geschickt, darunter eine Handvoll Flugzeugführer vom Heeresflieger-Regiment ‚Münsterland‘ in Rheine. Special Operation Forces-Element, kurz SOF-Element, nennt die Bundeswehr diesen Kampfverbund, der bereits im Sommer des kommenden Jahres teilweise einsatzbereit sein soll. (…) Dörr macht auch klar, was von den ‚Top Guns‘ der Heeresflieger-Crews im SOF-Element erwartet wird: Einsatz am Limit. Schnell rein, schnell raus. Immer nur eine Chance: ‚Im Rahmen einer spezialeinsatzfähigen Unterstützung von Spezialkräften hat der Hubschrauberpilot die Option eines zweiten Anfluges in der Regel nicht, so dass er überwiegend bei Nacht, auch unter Bedrohung und in Formation mit weiteren Luftfahrzeugen, eine Landung unter widrigen Umständen sicherstellen muss.'“

Ähnlich bejubelt wurde in den traditionell Bundeswehr-freundlichen Medien das öffentliche Gelöbnis, mit dem die MilitaristInnen am 29. Mai 2009 das 50jährige Standortjubiläum in Rheine feiern wollten.

Grund genug, auf die Straße zu gehen, dachten sich im April 2009 drei befreundete AntimilitaristInnen aus drei unterschiedlichen politischen „Lagern“. Kathrin Vogler (Bundestagskandidatin der Linken in Steinfurt), Wilhelm Achelpöhler (Grüne Friedensinitiative) und ich (Graswurzelrevolution & DFG-VK) trafen sich fortan regelmäßig im nicht gerade als linksradikal verschrienen Münsteraner Biergarten „Alter Pulverturm“.

Nun lud die „Friedensinitiative Pulverturm“ zu wöchentlichen Treffen ein. Es beteiligten sich viele AktivistInnen, und so entstand ein Bündnis aus Graswurzelrevolution, DFG-VK, Antifa Rheine, Linke Rheine und anderen. Graswurzelrevolution-Hauszeichner Findus gestaltete das GelöbNIX-Plakat und bundesweit wurde nun für die Demo getrommelt. 7.000 Flyer, 600 Plakate, GelöbNIX-Radiosendungen und ein -Trailer wurden produziert und an Mann und Frau gebracht.

Es gibt in Rheine eine sehr aktive Antifagruppe, aber noch kein Libertäres Zentrum, keine linke Kneipe, keinen Szenetreff, nix. Deshalb mussten wir für die Pressekonferenz am 8. Mai einen Raum im Café Oase anmieten.

„Gerade die Zuspitzung der Situation in Afghanistan, einem Einsatzort der Soldaten aus Rheine, macht deutlich: beim Gelöbnis geht es nicht um altertümlichen Klamauk, sondern um ein Ritual, das schneller, als mancher Beteiligte vielleicht denkt, in blutigen Ernst übergeht. … Wir fordern alle Rekruten auf, die Teilnahme an diesem öffentlichen Spektakel zu verweigern. Geht nach Hause! Macht etwas Sinnvolles! – wir meinen es gut mit Euch!“

Nun erschienen zahlreiche Artikel und LeserInnenbriefe u.a. in der Münsterschen Zeitung (MZ) und der Münsterländischen Volkszeitung (MV).

Ein Aufschrei ging durch Rheine

„Kommen Gelöbnis-Gegner aus Berlin? Die Bundeswehr sorgt sich, dass Demonstranten aus Berlin das öffentliche Gelöbnis (…) stören könnten. (…) ‚Die Flugblätter mit dem Aufruf zur Gegenkundgebung sind in der Hauptstadt im Umlauf‘, sagte Oberstleutnant Markus Doerenkamp“, so die Ibbenbürener Volkszeitung.

Der Kommandeur des Rheiner Heeresfliegerregimentes, Oberst Werner Salewski, betonte am 15. Mai in der MV, dass es Öffentliche Gelöbnisse auch schon früher in Rheine gegeben habe. „Ich wundere mich, dass es zu einer Gegenveranstaltung in der angekündigten Größe kommt“, sagte Salewski. Allerdings glaube er, „dass die Masse der Gegner nicht aus der Emsstadt“ komme. „Für die Rheiner Bevölkerung hätte ich die Hand ins Feuer gelegt“, so der Oberst. „Die Sorge geht um, dass Demo-Touristen das lange Wochenende nutzen, um sich an der Gegenkundgebung zu beteiligen.“ (MV, 15.5.09)

Ein CDU-Politiker warnte in der MZ gar vor „einmarschierenden linken Gruppen“.

Ein klassischer Fall von Projektion. Der CDU dürfte klar sein, dass AntimilitaristInnen nicht einmarschieren. Im Gegenteil. Sie demonstrieren gegen diejenigen, die in Rheine marschieren und in Afghanistan einmarschiert sind.

Bundeswehroffiziere und CDU-Politiker betonten in den Medien, dass JEDER in der Stadt für das Gelöbnis sei.

Nur weil viele Journalisten stramm an der Seite des Militärs stehen, heißt das aber noch lange nicht, dass die Bevölkerung das auch tut. Die beiden Lokalzeitungen wollten es genauer wissen und fragten auf ihren Internetseiten: „Ist ein öffentliches Gelöbnis heute noch angebracht?“

Das hat auch der Reservistenverband bemerkt und prompt seine Truppen mobilisiert:

„ACHTUNG! STIMMT AB! (…) Kameradinnen und Kameraden des Reservistenverbandes, lasst unsere Soldaten nicht im Regen stehen und bekennt eure unterstützende Haltung zu unserer Bundeswehr und unseren Soldaten mit einer positiven Abstimmung! Eure KREISGRUPPE STEINFURT“

Daraufhin schoss die Zustimmung zum Gelöbnis auf den Internetseiten der Lokalblätter auf 80 Prozent. Aber nur kurzfristig! In Rheine gibt es offensichtlich nicht nur Militariafans und SoldatInnen. Das Ergebnis der Umfragen ist für die Bundeswehr nicht so toll wie vom Reservistenverband gehofft: Über 1.600 Menschen haben sich bis Ende Mai an der Umfrage der MZ beteiligt. 56 % sagten „Ja, die Bundeswehr gehört in die Öffentlichkeit“, 42 % sagten „Nein, Militärveranstaltungen haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen.“

Demnach sind die Gelöbnis-GegnerInnen eine Minderheit. Ob die oben genannte Umfrage aber repräsentativ ist, darf angesichts der massiven Mobilisierung der Bundeswehrfußtruppen durch den Reservistenverband bezweifelt werden. So hat sich bei aktuellen, repräsentativeren, bundesweiten Umfragen immer wieder eine deutliche Bevölkerungsmehrheit gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan ausgesprochen.

Wer sich in Rheine öffentlich gegen Militarisierung ausspricht, muss allerdings damit rechnen, bedroht zu werden. So haben die GelöbNIX-VeranstalterInnen wütende Mails bekommen. Gerrit Gerdes, NPD-Mitglied aus Rheine, pöbelt auf seinem Internet-Blog gegen die „windelwixerkinderficker“:

„Die VvNBdAJusoGrüneGewerkschafts-Schlägertruppe will es mal wieder wissen. Diese installierte Pseudoantifa (…) will aufgrund eigener Perspektivlosigkeit anderen Menschen ihr gut durchorganisiertes Fest vermiesen. In diesem Fall ist das Bundeswehr- Gelöbnis (…) Ziel der Begierde. (…) Bescheuerte Pädagogengören (…) Wenn ich Zeit finde werde ich (..) eine (..) Übersicht mit zu erwartenden Gästen einstellen. (…) Eventuell findet sich im Umfeld der Veranstaltung hier oder da eine ruhige Ecke, um politisch jenseits des Alltagsgeschäfts mal zu Ende zu diskutieren.“

Das ist widerlicher Täter-Zynismus!

Angesichts der Einschüchterungsversuche war zu befürchten, dass sich nur wenige in Rheine trauen würden, an der GelöbNIX-Demo teilzunehmen. Es gehört Mut dazu, sich in einer von der Bundeswehr dominierten Stadt als Antimilitarist oder Antimilitaristin zu bekennen.

„Die Diskussion vor Ort tobt: Soll, darf man gegen ein Gelöbnis demonstrieren? Ich finde: wir müssen! Es gibt keinen passenderen Anlass, gegen den Kriegseinsatz in Afghanistan und die weiter steigenden Rüstungsausgaben, gegen die Militarisierung des öffentlichen Raums und die aggressive Werbung unter Jugendlichen für das Soldaten’handwerk‘ aufzustehen“, so Kathrin Vogler.

Die GelöbNIX-Demo am 29. Mai

„Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ (Grundsatzerklärung der War Resisters‘ International)

Nach Angaben von AktivistInnen aus Rheine gab es seit den Protesten gegen den Franz-Josef Strauß-Besuch 1980 in dieser Stadt keine linke Demo mehr, an der mehr als 70 Leute teilgenommen haben.

Das ist nun Geschichte! Am GelöbNIX-Tag demonstrierten rund 200 AntimilitaristInnen.

Pünktlich um 17 Uhr sorgte am Bahnhof der Liedermacher Pit Budde (Ex-Cochise) bei sonnigem Wetter mit Songs wie „Was kann schöner sein auf Erden, als Bundeswehrsoldat zu werden?“ und „Tanz auf dem Vulkan“ für einen großartigen Auftakt. Bevor sich der Demozug in Bewegung setzte, folgten zwei Redebeiträge. Wilhelm Achelpöhler stellte klar: „Geübt wird in Rheine, gemetzelt wird in Afghanistan“.

In meinem Redebeitrag habe ich u.a. darauf hingewiesen, dass Gelöbnisse in der Tradition militaristischer Veranstaltungen stehen, wie sie zur Zeit der Nazi-Herrschaft auf die Tagesordnung gesetzt wurden:

„Dass die Nachfolgearmee der Nazi-Wehrmacht wieder solche Militärspektakel abhalten kann, ist ein Skandal.

Die Bundeswehr beteiligt sich seit dem NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 an Kriegen, die weltweit die Vorherrschaft des Westens durchsetzen sollen. Ihre Beteiligung am ‚Krieg gegen den Terror‘, zum Beispiel in Afghanistan, ist keine ‚humanitäre Intervention zur Befreiung der afghanischen Frauen‘, sondern ein Krieg, bei dem Bundeswehrsoldaten Menschen töten.

Aber: Jeder Mensch hat eine natürliche Tötungshemmung. Deshalb müssen Soldaten erst militärisch gedrillt werden, damit sie auf Befehl andere Menschen töten können.

Soldaten sind aber auch potentielle Deserteure. Wir fordern alle Soldaten auf: Verweigert den Kriegsdienst! Die Bundeswehr gehört abgeschafft!“

Mit Lautsprecherwagen, phantasievollen Transparenten, Trillerpfeifen, Trommeln und zum Teil in lustigen Kostümen setzte sich der Demozug in Bewegung, Richtung Marktplatz, wo die Abschlusskundgebung mit Redebeiträgen u.a. von Kathrin Vogler, Udo Buchholz (Arbeitskreis Umwelt Gronau) und Berthold Keunecke (Bund für Soziale Verteidigung) stattfand.

Das „öffentliche Gelöbnis“ war dagegen nicht öffentlich.

Nicht nur, wer irgendwie verdächtig aussah, konnte nicht dorthin gehen. Ein Pressefotograf wurde trotz Zeigen seines Presseausweises ruppig von der Polizei daran gehindert, dort Fotos zu machen.

Ein weiterer Journalist wurde, dem Hinweis auf seinen Presseausweis zum Trotz, von Polizisten daran gehindert auf den Borneplatz zu gelangen. Er schreibt in einem Brief an die GWR:

„Ich fand die Kundgebung und Demo gut, allerdings bin ich immer noch höchst empört über den Umgang der Polizei mit mir. ‚Normale‘ BürgerInnen wurden durchgelassen, ich als Pressemensch nicht, da ich mich hätte akkreditieren lassen müssen. Den Pressesprecher durfte ich auch nicht sprechen – das wurde mir verboten. Auf die Frage, warum ich nicht rein dürfe, antwortete einer der Feldjäger, dass sie wissen, dass ich Kontakte zur Clowns-Army habe.“

Nach Auflösung der Demo, kam es auf einer Brücke zu einer Blockade, die kurze Zeit später von der Polizei aufgelöst wurde.

Fazit

„Trillerpfeifen gegen ‚Tschingderassa-Bumm'“ (Borkener Zeitung, 30.5.09)

Das GelöbNIX in Rheine bot mit nicht zu überhörenden Sprechchören und kreativen Aktionen einen lebendigen Kontrapunkt in Rufweite der Militaristenshow, bei der 1.000 BundeswehrsoldatInnen und Angehörige mit Marschmusik und Gelöbnisgekläffe ihre Degradierung zu EmpfehlsempfängerInnen feierten.

In diesem Jahr will die Bundeswehr noch mindestens 90 weitere Gelöbnisse in der Öffentlichkeit zelebrieren.

Also: 90 gute Gründe, um den Protest dagegen auf die Straße zu tragen.

Das GelöbNIX in Rheine hat gezeigt, dass es möglich ist, den Kriegsstrategen auch in der Provinz die militaristische Suppe zu versalzen.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Bundeswehr abschaffen!

Weitere Infos

www.geloebnix-rheine.de

Kontakt

Friedensinitiative Pulverturm
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