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„In der Bewegung liegt die Kraft“ (Die Fantastischen Vier)

Libertäre Gedanken zur Bundestagswahl 2009

| Bernd Drücke

Eine Forsa-Umfrage vom Juli 2009 offenbart, dass nur noch fünf Prozent der BundesbürgerInnen glauben, dass sie die Politik durch Wahlen maßgeblich mitbestimmen können.

38 Prozent halten das gar nicht für möglich. 57 Prozent meinen, durch Wahlen könne mensch wenigstens etwas mitbestimmen. Im Boulevardmagazin stern (Nr. 31, 23.7.09, S. 52) mokiert sich Chefkommentator Hans-Ulrich Jörges über die Ergebnisse dieser Umfrage: „Völlig desillusioniert sind Arbeiter. Dass sie die Politik durch Wahlen maßgeblich beeinflussen könnten, meinen null Prozent. Null! Das ist der Offenbarungseid der repräsentativen Demokratie nach 60 Jahren Republik und Grundgesetz. Mitten im ‚Superwahljahr‘. Drei Viertel der Deutschen sind überzeugt, so die bestürzende Erhebung, dass die Politik auf die Interessen des Volkes keine Rücksicht nimmt.“

Es ist erfreulich und keineswegs „bestürzend“, dass 75% der Menschen hierzulande erkannt haben, dass sie für die ParteistrategInnen jeglicher Couleur in erster Linie als Stimmvieh von Interesse sind.

Diese mittlerweile weit verbreitete Erkenntnis führt aber noch nicht dazu, dass sie jetzt massenhaft die Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnen.

Sie führt noch nicht dazu, dass Millionen nach emanzipatorischen Formen suchen und mit Methoden der Entscheidungsfindung experimentieren, die ohne Führer, Hierarchien, Befehle und Eliten soziales Leben organisieren. Und die Erkenntnis führt auch nicht dazu, dass sich die Menschen nun massenhaft in den sozialen Bewegungen tummeln.

Dabei zeigt die Geschichte, dass soziale Bewegungen die Gesellschaft im positiven Sinne verändern können. Erwähnt sei hier z.B. der Plan der Atomindustrie in der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre bis zu 200 Atomkraftwerke und die Plutoniumfabrik WAA zu bauen. Ein großer Teil dieser WAAhnsinnsprojekte konnte nicht gegen den Willen der sich mit phantasievollen Protestaktionen wehrenden Bevölkerung durchgesetzt werden.

Nicht zuletzt in der Anti-Atom-Bewegung sehe ich auch heute noch ein Potential, das den Traum von einer gewaltfreien, herrschaftslosen Gesellschaft in vielen Köpfen und Herzen zum Wachsen bringen kann. Da stimme ich mit der recht pessimistischen Sichtweise von GWR-Autor The Lamia (siehe Seite 1, 13) nicht 100%ig überein.

„Das ursprüngliche Motiv des Anarchismus ist das individuelle Bedürfnis, nicht regiert werden zu wollen, auch nicht von Mehrheiten, sondern die täglichen Angelegenheiten und Entscheidungen selbst und selbstbestimmt mit anderen zu regeln. Die direkte Aktion ist dabei die unmittelbare Form der Selbstbestimmung, parlamentarische Vertretung ist demgegenüber das Abgeben des Selbstbestimmungsrechtes an andere, d.h. Selbstentmündigung“, so steht es in dem GWR 146/47/48-Sonderheft zur Kritik der parlamentarischen Demokratie von 1994. Das ist immer noch aktuell.

GraswurzelrevolutionärInnen halten eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, die nach den Prinzipien der Gegenseitigen Hilfe organisiert wird, für die menschengerechteste Lebensweise. Daran hat sich nichts geändert.

Die meisten Menschen halten dagegen das kapitalistische System für alternativlos.

Deshalb bekommen libertäre SozialistInnen gebetsmühlenartig um die Ohren gehauen, dass die Abschaffung von Staat und Kapitalismus „unrealistisch“ sei. Das Ende von Ausbeutung, Herrschaft und Krieg sei „nur eine Utopie“.

Wenn aber die Menschheit eine für alle gerechte und lebenswerte Zukunft haben soll, ist genau diese „Utopie“ der einzige realistische Weg.