Die deutsche Bundeswehr befindet sich in Afghanistan nicht im Kriegseinsatz. Das 2008 wieder aus der Kloake der Geschichte gefischte Eiserne Kreuz, das für "Tapferkeit" verliehen wird, hat nichts mit einer Militarisierung der Gesellschaft zu tun. Das am 8. September 2009 eingeweihte "zentrale Ehrenmal" für Bundeswehrsoldaten, "die im Dienst ums Leben kamen" (dpa), begründet keinen Heldenkult. Und die kleinen Kinder bringt der Klapperstorch.
Gut, dass wir unseren Karikaturisten Horst Haitzinger haben, der alles mit spitzer Feder ins rechte Licht rückt. Am 9. September 2009 nimmt er die Ablehnung des Afghanistan-„Einsatzes“ und die Skepsis gegenüber dem erwähnten „Ehrenmal“ durch die Partei „Die Linke“ zum Anlass, eine zeichnerische Lanze für die Bundeswehr zu brechen. Man sieht einen deutschen Soldaten bäuchlings auf afghanischem Boden liegen, mit einer automatischen Waffe im Anschlag. Auf seinem Rücken sind Oskar Lafontaine und Gregor Gysi dabei, eine Fahnenstange zwischen seine Schulterblätter zu rammen; auf der Fahne steht: „Wir sind die Friedensengel! Die Linke“ Gregor Gysi sagt zu dem sich verwundert umdrehenden Soldaten: „Du gestattest … Wir benutzen nur mal kurz deinen Rücken.“
Diese Art der Rückenbenutzung ist keine Erfindung Haitzingers, sondern war schon vor 90 Jahren ein äußerst beliebtes Karikatur-Sujet deutscher (und österreichischer) Zeitungen. Die deutsche „Oberste Heeresleitung“ hatte, nachdem sie ihren Ersten Weltkrieg vergeigt hatte, den Text dazu vorformuliert: Das deutsche Heer, „im Felde unbesiegt“, habe durch verräterische Gruppen in der Heimat einen „Dolchstoß von hinten“ erhalten. Diese dreiste These war von Anfang an mit antisemitischen Klischees vom „internationalen Judentum“ verknüpft. In der hier wiedergegebenen Karikatur von 1919 hat der hermaphroditische Meuchler eine Art Jakobinermütze auf dem Kopf, die mit einem Davidstern versehen ist. Damit soll die 1918 in Deutschland und Österreich an die Oberfläche gespülte Idee der Volkssouveränität diskreditiert werden. Die „Dolchstoßlegende“ war überaus erfolgreich im symbolischen Bürgerkrieg der 20er Jahre und trug zum Versinken Deutschlands in der nationalsozialistischen Barbarei maßgeblich bei.
90 Jahre später mutet uns Haitzinger eine Light-Variante eben dieser Dolchstoßlegende zu. Die Bundeswehr, deren Soldaten am Hindukusch tapfer „unsere“ Interessen verteidigen, wird von der „Linken“ hinterrücks mit ihren Wahlkampfparolen gemeuchelt. Man beachte, dass es dieselben Gegner wie 1919 sind, die dieser Infamie ausgesetzt werden. Man muss Parteien nicht schätzen, um sich hier solidarisch an die Seite der verleumdeten „Linken“ zu stellen.
Die Dolchstoßlegende knüpfte an germanische Mythologie an. Das deutsche Heer war von den Linken, Pazifisten und Juden erdolcht worden, so wie Siegfried im Nibelungenlied durch Hagen von Tronje. Schon im Vorfeld des Ersten Weltkriegs hatte der Reichskanzler von Bülow klargemacht, dass es nun um „Nibelungentreue“ gehe, also um ein Zusammenstehen ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf Vernunft oder sonstigen modernen Schnickschnack. Als der Krieg ausbrach, hatte Kaiser Wilhelm II. verkündet, er kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche. Hieran knüpft Haitzinger im Jahre 2009 an. Wer angesichts eines „Militäreinsatzes“ (vulgo: Krieg) für den Frieden eintritt, fällt den Soldaten in den Rücken. Er oder sie bricht die patriotisch geforderte Nibelungentreue.
Der 70jährige Haitzinger, Träger der Bayerischen Verdienstmedaille, ist das eine. Zeitungen, die eine solche Karikatur in der Tradition völkischer Hetze abdrucken, sind aber der eigentliche Skandal. Z.B. die „Westdeutsche Zeitung“, Auflage 250.000, an vielen Orten im Rheinland das Monopolblatt. Ihr Leitspruch lautet: „Unabhängig, Kritisch, Überparteilich“. Das können wir jetzt verstehen: Unabhängig von allen Vernunftstandards, Kritisch gegenüber jeder Kritik, Überparteilich wie einst Wilhelm II. Nibelungentreu eben.